26. Dezember 2024

In Erinnerung an Jane McAlevey (1964-2024)

Im Alter von 59 Jahren ist Jane McAlevey am 7. Juli nach einem Kampf gegen das Multiple Myelom gestorben. Als Senior Policy Fellow an der University of California in Berkeley, als Streik-Korrespondentin für die Wochenzeitung The Nation, langjährige politische Akteurin, Kommentatorin und Pädagogin, Kampagnenstrategin und Gewerkschaftsorganisatorin hinterlässt Jane uns ein reiches Lebenswerk, das es zu studieren, zu verstehen und vor allem in unseren eigenen Organizing-Bemühungen in den bevorstehenden Kämpfen umzusetzen gilt.

In den kommenden Monaten werden sicherlich zahlreiche Würdigungen ihrer bemerkenswerten Leistungen – vier Bücher, die im vergangenen Jahrzehnt das Licht der Welt erblickt haben, sowie ein lebenslanges Werk, das Organizer*innen basierend auf gut dokumentierten Kampagnenerfolgen ausbildete – veröffentlicht werden. Ich werde nicht versuchen, der Fülle von Janes erstaunlichem Leben gerecht zu werden, sondern mich darauf konzentrieren, wie ich sie am besten kannte: als großherzige Humanistin und Leuchtturm für die internationale Arbeiter*innenbewegung.

Janes Vater, John McAlevey, war ein Jagdflieger im Zweiten Weltkrieg, der später ein wichtiger progressiver Politiker im Bundesstaat New York wurde. Ihre Mutter starb früh, und sie begleitete ihren Vater oft als «Wahlkampfhelferin», wie sie später halb scherzhaft sagte. Von ihrem Vater geprägt, entwickelte sie einen lebenslangen Hass auf den Faschismus und lernte, was es bedeutet, in den Schützengräben des politischen Kampfes zu kämpfen und zu gewinnen. Von ihrer Mutter lernte sie, dass das Leben flüchtig ist und keine Sekunde davon verschwendet werden sollte.

Jane begann schon in jungen Jahren als studentische Organisatorin und lautstarke Kritikerin der US-Außenpolitik zu arbeiten. Als Präsidentin der Studierendenvereinigung der State University of New York führte sie eine Kampagne an, die zu einem historischen Desinvestitionsakt vom Apartheid-Südafrika führte. Im Anschluss an ihr Studium reiste sie nach Nicaragua, um die von der Sandinistischen Nationalen Befreiungsfront angeführte Revolution zu unterstützen. Dort lernte sie eine weitere wichtige Lektion von einem Sandinisten, der ihr sagte, dass sie, wenn sie sich wirklich für die Zerschlagung des US-Imperialismus engagieren wolle, zurückgehen solle, um von innen gegen die Bestie zu kämpfen. Jane, die immer aufmerksam zuhörte, tat genau das.

Zurück in den USA verbrachte Jane einige Jahre in der Umweltbewegung, gefolgt von einer Zeit am Highlander Research and Education Center, das eine ganze Generation von Anführer*innen der Bürgerrechtsbewegung wie Martin Luther King und Rosa Parks ausbildete. Später sprach Jane darüber, dass die gängigen Darstellungen von Parks den Eindruck erweckten, sie sei aus dem Nichts in dem Bus in Montgomery aufgetaucht, während dies in Wirklichkeit die Krönung jahrelanger Trainings und disziplinierten Bewegungsaufbaus war.

Während ihres Studiums an der Highlander University hatte Jane eine Erleuchtung, die sie bis zum Schluss nicht mehr loslassen sollte: Keiner der wichtigsten Kämpfe unserer Zeit – von der Frauenbefreiung bis zur Rassengleichheit, von der Klimagerechtigkeit bis zur Beendigung des Krieges – konnte gewonnen werden, ohne die Mehrheit der arbeitenden Menschen ins Boot zu holen. Sie verfolgte diese Schlussfolgerung bis zu ihrem einzigen logischen Ausgangspunkt, der Arbeiter*innenbewegung, beginnend mit dem Dachverband American Federation of Labor and Congress of Industrial Organizations (AFL/CIO) und dann weiter zur Service Employees International Union (SEIU). In den nächsten zwei Jahrzehnten würde sie mit mehr Gewerkschaften und Kampagnen arbeiten, als in einem Artikel aufgeführt werden können, und blieb der Arbeiter*innenbewegung für den Rest ihres Lebens treu.

Kampf für die Rechte der Arbeiter*innen

Von Nevada bis Philadelphia, von Los Angeles bis Berlin – Jane spielte eine entscheidende Rolle beim Sieg zahlreicher Gewerkschaftskampagnen mit hoher Beteiligung, die vielen Hunderttausenden Arbeiter*innen materielle Vorteile brachten. Während ihre Mitstreiter*innen die Elegien dieser Kämpfe schreiben sollten, möchte ich mich darauf beschränken zu sagen, dass sie sich mit Mut, Überzeugung und – am denkwürdigsten – akribischer Planung gegen große Widerstände, harte Gegner*innen und fiese Anti-Gewerkschaftskampagnen durchgesetzt hat.

Jane war der festen Überzeugung, dass Arbeiter*innen niemals in einen Kampf geführt werden sollten, wenn sie nicht angemessen vorbereitet waren und keine guten Aussichten auf einen Sieg hatten. Das bedeutete nicht, dass sie sich vor Niederlagen fürchtete – und, wie jede*r ernsthafte* Organizer*in, verlor sie manchmal, sowohl in Kampagnen als auch in den harten internen Auseinandersetzungen, die die Gewerkschaftslandschaft erschüttern –, aber sie hat Arbeiter*innen niemals den Wölfen zum Fraß vorgeworfen und ist nie leicht untergegangen.

Janes Kerntheorie des gewerkschaftlichen Organizing, die sich aus ihren Kampagnenerfahrungen entwickelte, bestand darin, dass sich die amerikanischen Gewerkschaften von der Art des Organizing, das in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelt worden war, zugunsten dessen, was sie «shallow organizing» (oberflächliches Organizing) nannte, entfernt hatten. Dieser Ansatz ist allgemein unter dem Begriff «Mobilizing» bekannt: Im Wesentlichen geht es darum, Menschen dazu zu bringen, an großen Demonstrationen teilzunehmen, ohne einen Plan zu haben, was nach der Demonstration zu tun ist.

Jane vertrat die Ansicht, dass dieser Trend zum Wohle der Arbeiter*innen und des Planeten, den wir uns teilen, umgekehrt werden müsse, und dass das, was sie als «whole-worker organizing» (ganzheitliches Arbeiter*innen-Organizing) bezeichnete, der Schlüssel sei, um disziplinierte, von der Mehrheit geführte Kampagnen aufzubauen, die glaubhaft drohende und eskalierende Maßnahmen — einschließlich Streiks — durchführen können, um Forderungen durchzusetzen. Dieses Argument sowie eine umfassende Skizzierung der Methoden, die dieses tiefgreifende Organizing mit sich bringt, wurden in einer Reihe von Büchern dargelegt, die sie mit der für sie charakteristischen, leidenschaftlichen Energie zu schreiben begann, nachdem sie im Alter von 45 Jahren davon überzeugt worden war, an die City University of New York zurückzukehren, um dort unter der Leitung der renommierten Soziologin Frances Fox Piven zu studieren.

Janes erstes Buch, Raising Expectations (and Raising Hell), beschreibt die Kernpunkte ihrer Theorie des Wandels und wie sie sich in ihrem ersten Jahrzehnt des Organizing in der Arbeiter*innenbewegung entwickelten. Es wurde von der Wochenzeitung The Nation, für die sie später als Streik-Korrespondentin tätig war, als «wertvollstes Buch des Jahres 2012» ausgezeichnet. Ihr 2016 erschienenes Buch, No Shortcuts: Organizing for Power in the New Gilded Age (Organisieren für die Macht im neuen goldenen Zeitalter), basiert auf ihrer Dissertation und enthält ihre gründlichste theoretische Analyse, in der sie argumentiert, dass ein dauerhafter sozialer Wandel nur möglich ist, wenn Organizing sich auf die Arbeiter*innen und die einfachen Menschen stützt. Es ist in der Gewerkschaftsbewegung so etwas wie eine Bibel geworden und wird von Tausenden Gewerkschafter*innen als Grundlage für Studiengruppen genutzt. Ihr drittes, 2020 veröffentlichtes Buch, A Collective Bargain. Unions, Organizing and the Fight for Democracy, (Deutsch: Macht. Gemeinsame Sache) erweitert ihren Blickwinkel und konzentriert sich auf die Zusammenhänge zwischen den Angriffen auf den Arbeitsplatz und auf die bürgerliche Demokratie sowie darauf, wie die Taktiken der Rechten überwunden werden können. Ihr jüngstes, gemeinsam mit Abby Lawlor verfasstes Buch, Rules to Win By (Deutsch: Machtaufbau in Tarifverhandlungen), wurde fertiggestellt, als sie ihre Krebs-Diagnose bereits kannte. In diesem letzten Werk beschreiben sie und Abby, wie man Gewerkschaftsverhandlungen demokratisieren und die Macht der Arbeiter*innen stärken kann, indem man transparente, große und offene Verhandlungen führt.

In diesem Werk sehen wir ein rhythmisches Hin- und Herpendeln zwischen der Analyse von Kampagnen auf der Mikroebene und den Auswirkungen auf der Makroebene, wie unsere Gegner*innen Macht verstehen und ausüben, und was nötig ist, um sie zu besiegen. Bei jedem Schritt wird dieses Wechselspiel von den Stimmen, Aktionen und konkreten Erfahrungen der Arbeiter*innen geleitet.

«Organizing for Power»

Ich lernte Jane 2019 im Rahmen des experimentellen Versuchs kennen, ein Online-Training basierend auf den Methoden durchzuführen, die sie während ihrer jahrzehntelangen Organizing-Arbeit perfektioniert hatte. Ich arbeitete damals für die Rosa-Luxemburg-Stiftung, und immer mehr deutsche Organizer*innen baten um Janes Unterstützung. Gleichzeitig schien es in der breiteren internationalen progressiven Gemeinschaft eine wachsende Nachfrage – und einen Bedarf – nach bewährten Organizing-Methoden zu geben, die nicht nur große Menschenmengen hervorbrachten, sondern tatsächlich siegfähige Kampagnen aufbauten.

Jane war skeptisch. Wie jede*r gute Organizer*in legte sie großen Wert auf persönliche Begegnungen – aber die Nachfrage war zu real, um sie zu leugnen. Zweitausend Menschen nahmen an diesem ersten Pilottraining teil, und das sechswöchige Programm, das passenderweise «Organizing for Power» oder O4P heißt, hat seither mehr als 40.000 Menschen aus über 800 Organisationen in 19 Sprachen geschult. Die Teilnehmer*innen nehmen an einem Webinar im Plenum teil, bei dem ein*e fachkundige*r Trainer*in (oft Jane, aber zunehmend auch andere Organizer*innen aus der ganzen Welt) eine Lektion zu einer zentralen Organizing-Fähigkeit vermittelt: Identifizierung von Führungspersönlichkeiten, Semantik, Einzelgespräche, Listenarbeit, Arbeitsplatzdiagramme und Tests zum Aufbau von Strukturen.

Zunächst luden wir Einzelpersonen ein, auf eigene Faust teilzunehmen, aber Jane, die immer daran glaubte, Erwartungen zu steigern und es gleichzeitig «krachen zu lassen», verlangte, dass es sich um eine echte Organizing-Schulung handelte, mit einer anfänglichen Mindestteilnahmezahl von vier Personen pro Gruppe, die später auf zehn erhöht wurde. Mitglieder unseres Teams, darunter auch ich, waren besorgt, dass dies zu einer geringeren Teilnahmezahl führen könnte, aber Jane brachte ein gegenteiliges Argument vor: Höhere Standards würden das Engagement steigern und eine Solidaritätsbereitschaft fördern, um die Fluktuation zu bekämpfen, die oft mit längeren Schulungen einhergeht.

Sie hat dieses Argument gewonnen und letztlich Recht behalten. Erwartungen zu steigern, kann, wenn man es gut umsetzt, zu besseren Ergebnissen führen. Heute wird von den Organizing-Gruppen erwartet, dass sie sich gründlich vorbereiten, sich während der gesamten Zeit für «Kampagnenaufgaben» (oder Hausaufgaben) treffen und während der Sitzungen Kleingruppenarbeit leisten, in der sie das Gelernte üben. An unserem letzten «Kerngrundlagen»-Programm, das im Mai und Juni dieses Jahres stattfand und an dessen Eröffnungssitzung Jane teilnahm, beteiligten sich 7.500 Personen aus 480 Organisationen. In der Zwischenzeit haben O4P-«Absolvent*innen» von Tansania bis Peru, von Indonesien bis Schottland große Organizing-Erfolge erzielt.

Auf Janes Vermächtnis aufbauen

In den letzten Jahren habe ich mit Jane wöchentlich und manchmal täglich zusammengearbeitet. Ihr Arbeitsrhythmus war wirklich beeindruckend. Ich lebe in Frankreich, sechs beziehungsweise neun Stunden vor New York und der Bay Area, den beiden Orten, die Jane Zuhause nannte, und wir scherzten, dass uns dies zu perfekten Arbeitspartner*innen machte, da ich ihren 6-Uhr-Besprechungstermin füllen konnte, den so wenige andere zu übernehmen bereit waren.

Die ausgleichende Kraft zu dieser enormen Tatkraft war immer Janes große Menschlichkeit. Als ein Teilnehmer einer unserer Schulungen in einem Land mit besonders repressiven Arbeitsgesetzen verhaftet wurde, kämpfte niemand härter für seine Freilassung als Jane. Als mein Sohn ein Jahr alt wurde, war Jane die erste, die uns Geburtstagsglückwünsche schickte – übrigens aus dem Krankenhaus, wo sie sich gerade einem medizinischen Eingriff unterzog, der mit ihrem Zustand zusammenhing –, zusammen mit der Bitte um Fotos, die sie aufmuntern sollten. Sie kümmerte sich sehr um alle Menschen in ihrem Leben, um alle Menschen, deren Leben sie berührt hatte, und um die Arbeiter*innen in der Welt, die sie nie getroffen hatte.

Manche würden dies als Merkmal einer guten Organizerin bezeichnen, und natürlich war es das auch. Aber selbst wenn die Kameras ausgeschaltet waren, wenn es nichts zu gewinnen gab, hörte Jane zu, machte sich Notizen und stellte aufmerksame, bohrende Fragen, die ihrem Gegenüber den Weg in die Zukunft weisen sollten.

In ihren letzten Monaten arbeitete sie fast so hart wie immer; nur für ihre notwendigen Behandlungen und die langen Fahrradtouren entlang des Hudson River, die ihre Stimmung ebenso aufrechterhielten wie ihre körperliche Verfassung, trat sie manchmal leicht auf die Bremse. In dieser Zeit waren alle «Janes» zu sehen: Sie half bei einer Blitzkampagne in Connecticut, veröffentlichte Artikel über zeitgenössische Gewerkschaftsstrategien, leitete eine mehrtägige Schulung für die irische Gewerkschaft Fórsa und arbeitete daran, ein Team von Organizer-Trainer*innen aufzubauen, die nach ihrem Tod ihren Platz bei Organizing for Power einnehmen sollten.

Sie wusste, dass sie sterben würde, sie wusste es schon seit Monaten, und sie kämpfte gegen die Zeit, um so viel wie möglich für das Organizing der Zukunft zu tun, von dem sie wusste, dass sie es nicht erleben würde. Das ist letztlich Janes Vermächtnis – ein Geschenk an uns alle. Die Arbeitsleistung selbst, aber auch ihr Engagement für diese Arbeit und der Glaube, dass wir tatsächlich gewinnen können – allerdings nur durch echte Disziplin und echten Kampf.

Ihre Erfolgsbilanz war beeindruckend – für ihre Gegner*innen, aber vielleicht auch für junge Organizer*innen, die in ihre Fußstapfen treten wollen. Für Feind*innen wie für Freund*innen umgab Jane so etwas wie eine magische Aura. Dennoch war sie stets bestrebt, diesen Eindruck abzuschütteln. Alles, was sie tat, war das Ergebnis harter Arbeit und Übung – und all das kann von denjenigen reproduziert werden, die bereit sind, die gleiche Zeit wie sie zu investieren.

Lest also ihre Bücher und nehmt an ihren Schulungen teil, aber nicht, um sie zu vergöttern – nichts könnte weiter von ihrer Mission entfernt sein. Nehmt sie wahr, damit ihr die gleichen Methoden anwenden könnt, die Jane McAlevey ein Leben lang praktiziert, modelliert und anderen vermittelt hat. Und dann, wie sie am Ende einer Sitzung so oft zu sagen pflegte: Geht hinaus und gewinnt!

Text von Ethan Earle, ein in Frankreich ansässiger politischer Analyst und langjähriger Partner der Rosa-Luxemburg-Stiftung und Teil des «Organizing for Power»-Teams, erschienen auf www.rosalux.de

 

Quelle: KOMintern

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