28. August 2024

Macron spricht dem Nouveau Front populaire den Wahlsieg ab

Übernommen von der Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek:

Den Flug zum Gipfeltreffen der NATO am Donnerstag in Washington hat Präsident Emmanuel Macron dazu genutzt, um einen Brief an die Franzosen zu schreiben, der am nächsten Tag in allen Regionalzeitungen veröffentlicht wurde. Darin hat er einmal mehr versucht, seine von den verschiedensten politischen Kräften bis hin zu seinen eigenen Beratern kritisierte Entscheidung, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen anzuberaumen, nachträglich noch zu rechtfertigen, ohne Selbstkritik zu üben. Der Präsident begrüßte im Gegenteil die »Mobilisierung« der Franzosen bei dieser Wahl, die ein »Zeichen der Vitalität und tiefverwurzelten Demokratie der Republik« sei.

Dies war die erste öffentliche Äußerung von Emmanuel Macron nach der schweren Wahlniederlage, die sein politisches Lager zehn Tage zuvor einstecken mußte und ihn persönlich geschwächt hatte. Der Brief sollte, wie aus dem Elysée verlautete, zur »Entspannung und Befriedung des innenpolitischen Klimas« beitragen. Die Wahl habe die von ihm angestrebte »Klarheit« gebracht, heißt es in dem Schreiben. Gleichzeitig behauptete Macron, dass bei dieser Wahl »niemand gewonnen« habe.

Dabei ist das offizielle Wahlergebnis eindeutig, denn danach belegte der Nouveau Front populaire mit 195 Parlamentssitzen den ersten Platz, gefolgt vom Regierungslager mit 168 und dem rechtsextremen Bündnis Rassemblement national mit 143 Sitzen.

Aus der innenpolitischen Krise, die diese Parlamentswahl ausgelöst hat, weil daraus drei nahezu gleich starke – oder treffender gesagt, gleich schwache – Blöcke hervorgegangen sind, von denen keiner die absolute Mehrheit erreichte, soll nach dem Willen von Macron nun eine »Große Koalition« führen. Sie zu bilden hat der Präsident die führenden Politiker dieser drei Blöcke aufgerufen. »Im Interesse des Landes« sollen sie ihre Interessengegensätze beiseitelassen und konstruktiv zusammenarbeiten. Dabei ließ Macron unerwähnt, dass es ihm selbst seit Beginn seiner zweiten Amtszeit 2022 nicht gelungen ist, seine nur relative Mehrheit im Parlament durch eine Kooperation mit anderen politischen Kräften zu erweitern.

Die von Macron erwünschte »Große Koalition« soll aber »rechte wie linke Extremisten ausschließen« und soll von den rechtsbürgerlichen Republikanern, die den Anschluss ihres Parteivorsitzenden Eric Ciotti und weiterer Politiker an das rechtsextreme Rassemblement national abgelehnt haben, über das Regierungslager bis zu den »moderaten Kräften der Sozialdemokratie« reichen. Damit strebt Macron unausgesprochen an, Politiker aus dem Nouveau Front populaire herauszuwerben und so dieses linke Parteienbündnis zu schwächen und zu sprengen. Sein Gegner, auf den er sich konzentriert, so machte Nacron deutlich, ist das seiner Überzeugung nach »parlaments- und demokratiefeindliche« linksgerichtete Bündnis La France insoumise.

Die von ihm angestrebte »Große Koalition«, so betonte der Präsident, soll »die größtmögliche Stabilität der Institutionen garantieren«. Damit meinte Macron zweifellos, dass so die Regierungskoalition vor einem Mehrheitsvotum über einen Misstrauensantrag und damit vor der Gefahr eines Sturzes bewahrt wird.

Gleichzeitig nutzt Macron das im Artikel 8 der Verfassung verankerte, aber nur vage definierte Recht des Präsidenten aus, den neuen Premierminister zu ernennen und mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Dass er am Tag nach der Parlamentswahl den von Premier Gabriel Attal angebotenen Rücktritt und den der Regierung nicht angenommen, sondern Attal und sein Kabinett beauftragt hat, weiter zu amtieren, wurde vom Elysée mit den bevorstehenden Olympischen Spielen begründet, für die »Stabilität gewährleistet« werden müsse.

So agiert die Regierung Attal, als sei nichts geschehen, und mangels Parlamentsmehrheit erlässt sie ihre Entscheidungen, beispielsweise über das Aussetzen der sehr umstrittenen »Arbeitslosenreform«, per Ministerdekret.

Macron hat sich auch nicht zu der in der Verfassung offen gelassenen Frage geäußert, wer dem Präsidenten den neuen Premierminister vorschlagen soll. Traditionsgemäß kam dies seit Beginn der Fünften Republik 1958 dem Chef der aus der Wahl als Sieger hervorgegangenen Partei zu. Beim Nouveau Front populaire befürchtet man, dass Macron geneigt sein könnte, die Parteien dieses Bündnisses auszumanövrieren und einen von ihm persönlich ausgewählten Premierminister einzusetzen, dem er dann mit einer »Großen Koalition« den nötigen Rückhalt zum erfolgreichen Regieren verschaffen will.

Vorläufig setzt der Nouveau Front populaire seine interne Suche nach einem Kandidaten für den Posten des Regierungschefs fort. Am Donnerstag wurde erneut über eine Liste mit Namen abgestimmt, von denen aber keiner eine überzeugende Mehrheit fand. Darunter war auch trotz seiner Versicherung, sich »zurückzuhalten«, der LFI-Gründer Jean-Luc Mélenchon, der aber von den Vertretern der anderen Parteien abgelehnt wurde. Für diesen Posten brauche man jemanden, der »zusammenführt und eint«, verlautete aus dem Gremium, während Mélenchon jemand sei, »an dem sich Differenzen entzünden«.

Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek

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