5. November 2024

Zum 140. Geburtstag Lion Feuchtwangers

Übernommen von Zeitung der Arbeit:

Vor 140 Jahren, am 7. Juni 1884, wurde der Schriftsteller Lion Feuchtwanger (1884–1958) in München geboren. Nach seinem Durchbruch mit dem historischen Roman “Jud Süß” (1925) konnte er sich als einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Autoren etablieren, der auch in Übersetzungen viel gelesen wurde. Zu den wichtigsten Veröffentlichungen Feuchtwanger zählen u.a. die Wartesaal-Trilogie (“Erfolg”, 1930, “Die Geschwister Oppenheim”, 1933, “Exil”, 1935), die Josephus-Trilogie (1932–1945) oder die Spätwerke “Goya oder der arge Weg der Erkenntnis” (1951) sowie “Die Jüdin von Toledo” (1955).

Aus einer großbürgerlichen, religiösen jüdischen Familie stammend, war Feuchtwanger nicht gerade ein Verfechter des Marxismus und Kommunismus. Als Verfolgter des NS-Regimes – seine Werke fielen den Bücherverbrennungen zum Opfer -, der 1933 ins französische und 1941 ins kalifornische Exil gehen musste, führte ihn jedoch der Antifaschismus in die Sowjetunion. Von Dezember 1936 bis Februar 1937 hielt sich Feuchtwanger auf Einladung der Regierung in der UdSSR auf, er erhielt einen Einblick in den sozialistischen Aufbau und führte ein zweistündiges Interview mit Josef Stalin. Als Ergebnis seiner neuen Erfahrungen verfasste er nach seiner Rückkehr das Buch “Moskau 1937 – Ein Reisebericht für meine Freunde”, in dem eine überaus positive Einschätzung abgibt, die er trotz öffentlicher antikommunistischer Kampagnen und “antistalinistischer” Revisionen bis zu seinem Tod am 21. Dezember 1958 in Los Angeles niemals zurücknahm.

Wir bringen zu Lion Feuchtwangers rundem Geburtstag einen kurzen Auszug aus seinem berühmten Report aus der Sowjetunion.

Lion Feuchtwanger: Moskau 1937 (Auszug)

Man atmet auf, wenn man aus dieser bedrückenden Atmosphäre einer gefälschten Demokratie und eines heuchlerischen Humanismus in die belebende Atmosphäre der Sowjetunion kommt. Hier versteckt man sich nicht hinter mystischen, nichtssagenden Slogans, sondern es herrscht eine nüchterne Ethik, wirklich „more geometrico constructa“, und diese Ethik allein bestimmt den Plan, nach dem die Union aufgebaut wird. Man baut dort also nach einer neuen Methode und mit einem völlig neuen Material. Aber die Zeit des Experimentierens liegt weit hinter ihnen. Noch gibt es überall Trümmer und schmutzige Gerüste, aber schon erhebt sich das Gerüst des mächtigen Bauwerks rein und klar umrissen. Es ist ein Turm zu Babel, aber einer, der nicht die Menschen dem Himmel, sondern den Himmel den Menschen näher bringen will. Und das Werk ist gelungen. Sie haben es nicht zugelassen, dass sich ihre Sprachen verwirren; sie verstehen sich alle untereinander.

Es tut gut, nach all den Kompromissen des Westens eine solche Errungenschaft zu sehen, zu der man von ganzem Herzen Ja, ja, ja sagen kann; und weil es mir undankbar erschien, dieses „Ja“ in mir zu behalten, habe ich dieses Buch geschrieben.

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Quelle: Zeitung der Arbeit

KulturZeitung der Arbeit