8. November 2024

800 im Stadion

Übernommen von Unsere Zeit:

Im Stadion von Arminia Hannover brennt die Luft. Auf der Tribüne unter dem früheren Dach des Dortmunder Traditionsstadions „Rote Erde“ sind die 800 Sitzplätze gut gefüllt. Doch heute schallen nicht Fangesänge von den Rängen, sondern Sprechchöre: „Wir sind es wert!“, Entlastung – Jetzt!“ und immer wieder: „Wie viel Tage haben wir Klinikleitung und Politik gegeben? Hundert! Wie viel sind noch übrig? Null!“

Am 8. Mai hatten die Beschäftigten dem Präsidium der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) sowie der Landesregierung als Eigentümerin ihre Forderung nach einem Tarifvertrag Entlastung (TV-E) übermittelt und 100 Tage Zeit für Verhandlungen eingeräumt. Die Dienstherren (die „Arbeitgeber“) haben diese nicht genutzt.

Lina fordert eine gute Ausbildung – in ihrem und im Inte­resse der Patienten. (Foto: DKP Niedersachsen)
Lina fordert eine gute Ausbildung – in ihrem und im Inte­resse der Patienten. (Foto: DKP Niedersachsen)

Der Wirt der Vereinsgaststätte, selbst ehemaliger MHH-Patient, begrüßt die Beschäftigten und Unterstützende aus der Stadtgesellschaft und anderen Kliniken sowie die geladenen Gäste aus der Landespolitik. Eine Physiotherapeutin, die ihn seinerzeit behandelt hatte, brachte die Arbeitsbedingungen auf den Punkt: „Wir müssen jeden Tag entscheiden, wen wir heute behandeln können und wen wir liegenlassen müssen.“

Das Kernstück der Forderungen sind schichtgenaue Besetzungsregeln und Belastungsausgleich durch Freischichten bei Nichteinhaltung. Teamdelegierte hatten dazu konkrete Regelungspunkte zusammengetragen – nicht nur aus der Pflege, sondern aus 133 Bereichen wie „Steril“, Transport, Therapie, Labor, Pflegeschule, Auszubildende, OP-Pflege, Kreißsaal und so weiter. „Die Beschäftigten der MHH haben ihren Tarifvertrag selbst geschrieben“ so der Moderator Burkhard Sohn.

„Flut an Patientinnen – Ebbe an Personal“, so bringt eine Kollegin der Radiologie die Überlastung auf den Punkt. Die Auszubildende Lina betont, dass es im Pflegeberuf darum geht, Menschen in einer besonders vulnerablen Phase ihres Lebens begleiten. Sie fordert: „Wir sind es wert, gut ausgebildet zu werden – das sind die Verantwortlichen nicht nur uns schuldig, sondern allen Patientinnen, die wir in unserem Arbeitsleben noch behandeln werden.“

Falko Mohrs (SPD), niedersächsischer Minister für Wissenschaft und Kultur, erklärt sein Verständnis für die Forderung nach Entlastung – aber: „Wir können keinen Tarifvertrag abschließen.“ Stattdessen solle man über eine „Dienstvereinbarung“ mit dem Personalrat reden. Das würde Verhandlungen ohne Streikrecht bedeuten. Das Bundesarbeitsgericht hat dies als „kollektive Bettelei“ bezeichnet.

Reinhold Hilbers (CDU) tutet in das gleiche Horn. Die Antwort von den Rängen: „Buuuh“ – Lina hatte in ihrem Beitrag schon formuliert: „Wenn Sie sich nicht bewegen, sehen wir uns gezwungen, uns zu bewegen – auf die Straße!“

Quelle: Unsere Zeit

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