22. November 2024

Ein ganz normaler Tag?

Übernommen von Unsere Zeit:

Kein normaler Donnerstag wie jeder andere für die Beschäftigten von Thyssen Krupp. An den drei Standorten Dortmund, Bochum und Duisburg versammeln sich die Arbeiterinnen und Arbeiter der Schicht zu einer Informationsveranstaltung ihres Betriebsrats. So richtig viel zu informieren gibt es nicht, denn unter dem neuen Thyssen-Krupp-Chef Miguel López ist auch die Art und Weise der Kommunikation in der Mitbestimmung abgekühlt. Kälter werden sollen auch die Hochöfen, denn darum geht es: Der im Juni 2023 eingesetzte Vorstandsvorsitzende scheint einen heiklen Auftrag zu haben. López will die Stahlproduktion von circa 12 Millionen Tonnen im Jahr auf knapp 5 Millionen Tonnen drücken. Das würde drastische Einschnitte für rund 27.000 Beschäftigte in Duisburg und an fünf weiteren Stahlstandorten bedeuten. Viele von ihnen arbeiten schon in zweiter Generation hier und haben mehrere Entlassungswellen in ihrer Familie erlebt. Auf die Versprechungen des Konzerns, dass es keine betriebsbedingten Kündigungen geben wird, vertraut hier keiner.

Gerüchte und Zahlen kursieren in der Belegschaft, offizielle Verlautbarungen und Pläne gibt es bisher keine. Auch deshalb musste die vom Betriebsrat einberufene Versammlung formell außerhalb der Tarifstrukturen geplant und durchgeführt werden – ohne Abbauplan herrscht Friedenspflicht. Dass dies kein Grund ist, sich aufhalten zu lassen, zeigten die Kolleginnen und Kollegen von ThyssenKrupp am vergangenen Donnerstag. An mehreren Standorten wurden die Anlagen heruntergefahren, um an den Informationsveranstaltungen teilnehmen zu können. Wie wenig das den Standortverantwortlichen passte, zeigt sich daran, dass sie mit den Verantwortlichen Personalgespräche führen wollen. Die Kolleginnen und Kollegen werden dort nicht alleine auftauchen müssen – das haben die Belegschaften bereits angekündigt.

Wie die Chancen stehen, Arbeitsplätze und Standorte zu retten? Das liegt auch daran, wie hoch die Beteiligung der Belegschaften an Aktionen ist. Auf den einen oder anderen mag es beruhigend wirken, dass Vertreter von SPD und Grüne als Redner Hilfe und Unterstützung versprochen haben, doch verlassen sollte sich darauf niemand. Bittere Erfahrungen durften die Streikenden der Unikliniken in NRW machen, denen vor den Landtagswahlen einige Versprechungen gemacht wurden. Eingelöst wurde davon natürlich nichts. Auch der SPD-Verweis auf die Bedeutung des Stahls für die Aufrüstung lässt Alarmglocken läuten. Das ist alles andere als ein Signal für eine sichere Zukunft.

„Stahl ist Zukunft“ ist die Losung der Beschäftigten, nicht erst seit heute. Wie es um diese Zukunft bestellt ist, lässt sich allerdings weder für die Beschäftigten noch den Rest der Bevölkerung einfach erschließen. Der ökonomische Zwang auch durch den Konkurrenzstahl auf dem „Weltmarkt“ ist real. Die Hoffnung auf Subventionen für den sogenannten „grünen Stahl“ ist trügerisch.

Für den Konzern zählt nicht das Produkt, welches produziert wird, sondern der Profit, der damit erzielt werden kann. Um den so hoch wie möglich zu halten ist jedes Mittel recht – von Entlassungen über Standortschließungen bis hin zur Deindustrialisierung ganzer Gebiete. Dass es keine Rolle spielt, was mit den Menschen und der Gesellschaft passiert, ist im Ruhrgebiet allgemein bekannt.

Weitere Standortschließungen wären der nächste Sargnagel für die Städte und Arbeiter in der Region. Weder Zufälligkeiten noch persönliche Charakterzüge der Verantwortlichen entscheiden über die Zukunft. Es sind die Gesetzmäßigkeiten der kapitalistischen Produktionsweise. Die Kapitalseite macht alles, damit die Profite hoch bleiben. Die Beschäftigen müssen sich zusammenschließen, um ihre Inte­ressen dagegen verteidigen zu können. So gesehen war es doch ein ganz normaler Donnerstag.

Am 29. August (nach Redaktionsschluss) findet die nächste Vorstandssitzung von ThyssenKrupp statt. Dort soll erneut überlegt werden, wie die Profite hochgehalten werden können. Die Kolleginnen und Kollegen müssen auch diese Gelegenheit nutzen, um dem Vorstand klar zu machen, dass sie damit nicht durchkommen werden.

Quelle: Unsere Zeit

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