„Jugend, Frieden, Sozialismus!“
Übernommen von Unsere Zeit:
Viele hatten den ersten der UZ-Friedenstage schon am Donnerstagabend hinter sich, als Björn Blach, der Verantwortliche des Sekretariats der DKP, verschwitzt und verschmitzt den Aufbauhelfern verkündete: „So, Feierabend für heute. Wir haben viel geschafft, und die eigentlich für heute schon vorgesehene Kühlanlagen kommen morgen auch noch – solange müssen wir warmes Bier trinken. Prost!“ Die Kühlanlage kam denn auch, sonst wäre es angesichts der Hitze, die drei Tage über dem Franz-Mehring-Platz hing, wohl unerträglich geworden. Aber die Stände waren aufgebaut, und auch die roten Fahnen hingen draußen und drinnen in den Sälen, die jetzt noch leer und erwartungsvoll dalagen.
Die vor solchen Ereignissen immer in der Luft hängende Frage, wie viele wohl kämen, wich schon am späten Freitagnachmittag der freudigen Verblüffung, wie schnell sich Vorplatz, Innenhof und die Säle für die Diskussionsrunden füllten. Als pünktlich um 18 Uhr die ersten Runden begannen, musste niemand vor leeren Stühlen reden, und schon als zwei Stunden später Jörg Kronauer sein neues Buch über die „Welt ohne Hegemon“ und „das Ende der westlichen Vorherrschaft“ vorstellte, mussten sich die ersten auf den Boden setzen, weil kein Stuhl mehr frei war – und das, obwohl gleichzeitig draußen auf der Hauptbühne Tino Eisbrenner die Leute von den Bänken riss bei dem, was viele, die dabei waren, mit strahlenden Gesicht als „geile Sause“ bezeichneten. Das Fest war eröffnet.
Mit diesem Schwung ging es denn nach einer kurzen Sommernacht am Samstag weiter mit dem österreichischen Dialektrock von Betty Rossa und einer Diskussionsrunde im mit 130 Stühlen größten und traditionsreichen Münzenbergsaal zum Beitrag der Künstlerinnen und Künstler gegen den Krieg, in denen Eisbrenner konstatierte, „die Kläffer gegen uns sind weniger, aber aggressiver geworden; es gibt eine zunehmende Nachdenklichkeit über das, was hier passiert“, und die Vernetzung der Künstler beschwor, die sich im Umfeld von DKP, PdL und BSW befänden. Das war dann für eine Weile die letzte nicht völlig überfüllte Veranstaltung in diesem Saal, so wie auch das Gedränge im Kultursalon bei Lesungen, Diskussionen und Filmen den Neid jedes Kinobetreibers erzeugt hätte. Die Debatte über die „Zeitenwende“ zog fast 200 Menschen in den stickigen Saal, die Orientierung suchten und fanden über die Zeit, in er wir leben. Sie sogen die Klarheit der Argumentation gegen die US-Erstschlagwaffen, die diese SPD-geführte Bundesregierung ins Land holen will, in sich auf. Sie folgten nachdenklich den Darlegungen von Patrik Köbele über das unbedingte Muss, die Arbeiterklasse und die Gewerkschaften aus dem Kriegskurs der Herrschenden herauszulösen, und machten durch ihren Beifall deutlich, dass sie den Ruf von Reiner Braun ins Land tragen werden, alles zu tun, um die Demonstration am 3. Oktober in Berlin zu einem Signal für den Frieden werden zu lassen.
Und draußen auf den Treppen lachten und scherzten Jugendliche mit und ohne Kufiya, tummelten sich hunderte vor der Bühne bei Achim Bigus, Tobias Thiele und Calum Baird, fielen sich dutzende mit strahlender Wiedersehensfreude in die Arme, die sich im kubanisch beherrschten Innenhof verabredet hatten, um endlich mal wieder zu quatschen und Pläne zu schmieden für neue Aktionen – wenn sie denn einen Platz fanden. Der einzige ruhige Ort in diesem Getümmel war der Raum des Schachturniers der SDAJ, in denen lediglich die Schachuhren klickten.
Und dann kam dieser unglaubliche Samstagabend. Das Reinkommen ins Gebäude war schwierig kurz vor 18 Uhr, weil alle herausströmten aus den Diskussionsrunden und von den langen Büchertischen, die alles belegt hatten, was drinnen noch an Platz war im traditionsreichen ND-Gebäude. Sie wollten dabei sein bei der Friedensmanifestation für Palästina, für ein Ende des Krieges gegen Russland und der auf China zielenden Aufrüstung. Gina Pietsch schlug mit ihrer unter die Haut gehenden Degenhardt-Hommage an Wolgograd, das für immer Stalingrad bleibe, den Bogen vom letzten Krieg gegen Russland zum heutigen. Andrea Hornung, Vorsitzende der SDAJ, zeichnete den Bogen von der „Ohne uns!“-Bewegung der FDJ und KPD in den 1950ern bis zur heutigen Kampagne der SDAJ gegen die drohende neue Wehrpflicht nach – immer wieder angefeuert durch die Sprechchöre der vielen SDAJler, in die dann auch die Älteren einstimmten: „SDAJ und DKP tun den Monopolen weh!“ Als sich anschließend vor der Hauptbühne über 30 internationale Gäste aus Bruderparteien, Botschaften sozialistischer Länder und Befreiungsbewegungen versammelt hatten, Patrik Köbele eine mitreißende Rede für Frieden mit Russland und China hielt und die „Internationale“ mit einer Kraft erscholl, die das ND-Gebäude lange nicht mehr gesehen hatte, hätte dieser Tag als voller Erfolg enden können.
Das tat er aber nicht. Die 20-Uhr-Diskussionsrunden waren wieder voll, als sei das Bedürfnis nach Klarheit, Gedankenaustausch und Orientierung unersättlich. Im Saal beim „Abend gegen den Krieg“ mit Gina Pietsch und Bardo Henning, beim Austausch über kommunistische Kommunalpolitik oder beim Palästina-Solikonzert mit der Premiere der „Internationale“ als Rap fand jede und jeder das, was Herz und Hirn brauchten. Das war aber immer noch nicht das Ende der Party. Im „Seminarraum“ der SDAJ wurden die Stühle beiseite geräumt, der Saal war voll mit stehenden Jugendlichen, und Andrea Hornung hielt ihre zweite große Rede dieses Tages, in dem sie den „Appell an die Jugend“ von Esther Bejarano und Peter Gingold für die heutige Zeit übersetzte. Die lauten Rufe „Jugend, Frieden, Sozialismus! Jugend, Frieden, Sozialismus!“ bei dieser bescheiden als „Verbandstreffen“ angekündigten Manifestation waren wie eine Zusammenfassung des Geistes dieses UZ-Friedensfestes.
Draußen auf der Bühne gab es derweil schottische Lieder für Völkerverständigung und Frieden und überall erste Resümees dieses Festes. Begeistert waren alle von sich, ihrer Partei und ihrem Jugendverband. Zustimmung gab es für die Ankündigung des Parteivorsitzenden, sich 2026 wieder ein richtig großes UZ-Pressefest zu erkämpfen. Klar, wenn Gebäude fühlen und sprechen könnten, hätte das ND-Gebäude nach diesen Tage schnurrend gesagt, so wohl hätte es sich seit 1989 nicht mehr gefühlt. Aber ebenso klar war und ist: Diese Partei kann und will künftig wieder größere Räume und Plätze füllen. Als Melina Deymann für die UZ-Redaktion „diesen zweiten großartigen Tag“ offiziell mit der Empfehlung beendete, sich jetzt „noch ein Bier zu holen“, war immer noch nicht Schluss, und es blieb bei dem einem oder anderen auch nicht bei einem Bier oder einem Mojito. Das kleine Wunder nach dieser heißen Augustnacht war, dass am nächsten Morgen wieder alle da waren zur Feier des 75. Geburtstages der DDR – aber das ist einen eigenen Artikel wert.
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Quelle: Unsere Zeit