27. Dezember 2024

Queer: Ein befreites Leben für alle

Übernommen von KPÖ:

Das Positionspapier »Queer: Ein befreites Leben für alle« wurde vom Bundesvorstand der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) am 17. August 2024 einstimmig beschlossen.

Die KPÖ verbindet den Kampf für queere Rechte mit realitätsbezogener Kritik an den herrschenden Verhältnissen: Die bestehende Marginalisierung eines Teils der queeren Community bedeutet die Verfestigung von Armut und das Fehlen von Kinderrechten. Sie erhöht das Risiko kapitalistischer Ausbeutung im Erwerbsleben. Für uns gilt: Wir alle sind Österreich. Wir alle bilden Gemeinschaft.

Wie jede Form des Kapitalismus ist auch der Neoliberalismus auf Reproduktionsarbeit angewiesen, die teils in der Kernfamilie, teils durch die globale Pflegekette, überwiegend von migrantischen Frauen und queeren Menschen verrichtet wird. Queere Lebensweisen stören diesen Ablauf und stellen die Systemfrage.
Unsere Aufgabe ist nicht nur, queere Menschen aktiv in ihren Kämpfen zu unterstützen, sondern uns gemeinsam gegen die neoliberale Vereinnahmung des radikalen Charakters von Queerness zu stellen. Wie auf diversen Pride-Veranstaltungen zu sehen ist, neutralisiert der neoliberale Kapitalismus radikale Bewegungen, indem er ihre Inhalte zur Ware macht und vermarktet. Dem stellen wir eine kommunistische Perspektive entgegen, die auf die Überwindung des Kapitalismus abzielt und allen Menschen ein Leben frei von Unterdrückung und Ausbeutung ermöglicht. Ein befreites Leben für Alle statt Regenbogenkapitalismus!

Unsere Forderungen reichen auch deshalb weiter als jene der etablierten Parteien, weil wir neben gesellschaftspolitischen Maßnahmen insbesondere auch soziale Rechte als Basis des Zusammenlebens verstehen: Was alle brauchen, muss allen gehören!

Dafür stehen unsere Forderungen nach einem leistbaren Leben, durch konkrete Maßnahmen wie Preiskontrollen oder eine Energie-Grundsicherung. Dazu zählt auch unsere bundesweite Praxis der Sozialberatungen, die sehr oft von queeren Menschen in Anspruch genommen werden.

Voller Schutz vor Diskriminierung

Österreich zählt zu den wenigen Ländern, in denen Rechte für queere Personen fast immer vor Gericht erkämpft werden mussten. Etablierte Parteien haben mit ihrer parlamentarischen Mehrheit vieles verhindert: Noch heute ist es legal, wenn ein lesbisches Paar aus einem Lokal verwiesen oder einer queeren Familie – offen ausgesprochen wegen sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität der Eltern – eine neue Wohnung verweigert wird. Nur in der Arbeitswelt gilt bereits ein einklagbarer Diskriminierungsschutz. Die Regierungsbeteiligungen von SPÖ und Grünen haben daran für uns queere Menschen nichts verbessert. Unterschiedliche Lebensformen dürfen keine Diskriminierungen nach sich ziehen. Das Steuer- und Sozialrecht ist gegenüber allen Formen des Zusammenlebens neutral zu gestalten.

Mehrwert für alle: Für eine fortschrittliche Eingetragene Partnerschaft (EP)

Der unwürdige, politische Eiertanz rund um die „Ehe für alle“ hat in Österreich dazu geführt, dass zwei Rechtsinstrumente parallel existieren: die Ehe und die Eingetragene Partnerschaft (EP). Bereits seit 2019 können auch verschiedengeschlechtliche Paare beide Rechtsinstrumente nutzen: Diese Chancen wollen wir nutzbar machen.
Wir fordern daher die Weiterentwicklung der Eingetragenen Partnerschaft (EP) als Mehrwert für alle: Wer nicht gleich die rechtlich sehr strenge Ehe eingehen möchte, kann mit der EP ein alternatives Rechtsinstitut nutzen – egal ob hetero, bi, schwul, lesbisch. Vereinfachte Vermögensregelungen, unkompliziertere Scheidungsbestimmungen und Öffnung hin zu nicht-traditionellen Beziehungsformen schaffen endlich mehr Sicherheit und Wahlfreiheit für alle, die es brauchen.

Wohnen statt Kanonen

Das Thema leistbares Wohnen ist für queere Menschen essentiell. Wir fordern mehr öffentliche Mittel für Maßnahmen gegen häusliche Gewalt. Die KPÖ tritt ein für selbstbestimmtes Wohnen aller, die Unterstützung benötigen. Während die aktuelle Bundesregierung nicht einmal das Programm StoP-Partnergewalt ausreichend finanziert, damit es flächendeckend angeboten werden kann, setzen wir auf öffentlichen Wohnbau und Unterstützung der queeren Community. Militärische Aufrüstung verhindert ausreichend leistbare Wohnungen: Statt als neutrales Land sinnlos 225 Radpanzer zu kaufen, könnten 15.000 Gemeindewohnungen mit entsprechenden Räumen, auch für die queere Community, errichtet werden. Ebenso braucht es Angebote zum Gewaltschutz, analog zu Frauenhäusern, auch für queere Menschen.

Echte Gesundheitsversorgung statt Wahlzuckerl-PR-Politik

Erweiterter Zugang zu psychosozialen Angeboten und zur Gesundheitsprävention ist für alle Menschen zu begrüßen. Etablierte Parteien tun zu wenig für unser marodes Gesundheitssystem. Wir fordern bundesweit Kliniken für geschlechtsaffimierende Medizin. Einzelmaßnahmen, wie eine Kassen-Rückerstattung der PREP, brauchen zusätzlich eine ganzheitliche psychosoziale Einbettung. Wir wollen leistbare Gesundheit und unbürokratische Zugänge zu allen notwendigen Kassenleistungen. Dafür gibt es genug Geld, aber aktuell ist es in den falschen Händen.

Neben Geld braucht es auch gute Bedingungen im Gesundheitssystem, die Ressourcen für eine stärkere Queer-Sensibilisierung des Personals ermöglichen:, Pfleger:innen, Ärzt:innen, Psychotherapeut:innen und Psychiater:innen. Längst überfällig ist es, sogenannte Konversionstherapien ausnahmslos zu verbieten.Homosexuelle oder Menschen mit anderer Geschlechtsidentität müssen nicht umgepolt werden. Die Wissenschaft hat uns längst gezeigt, dass dahinter weder etwas Krankes noch etwas Unnatürliches steckt.

Mehr Frauenrechte statt manifester Kinderarmut

Beim Zugang zur künstlichen Befruchtung fordern wir, im Rahmen der Fortpflanzungsmedizin, mehr Rechte auch für alleinstehende Frauen. Daher wollen wir einen flächendeckenden und kostenlosen Zugang zu reproduktiver Medizin für alle. Dies gilt beispielsweise bei der Nutzungsmöglichkeit von Samenbanken. Die ausreichende materielle Unterstützung von Alleinerzieher:innen durch die öffentliche Hand, ist uns ein besonderes Anliegen. Hier geht es uns zusätzlich darum, endlich effektiv gegen Kinderarmut vorzugehen. Ebenso setzen wir uns für den Ausbau von Programmen und Maßnahmen gegen Partner:innengewalt ein, von der nicht zuletzt queere Menschen auf vielfältige Art und Weise betroffen sind.

Verfassungsbestimmung statt Ablenkung durch Kulturkampf

Aufgrund der Geschichte Österreichs ist eine Schutzkategorie „Sexuelle Orientierung“ und „Geschlechtsidentität“ in der Verfassung besonders wichtig. In Ergänzung zu bestehenden Kategorien wie Geschlecht oder Behinderung fordern wir zusätzlich eine echte Antidiskriminierungsbestimmung in Verfassungsrang. Dazu bietet sich der Artikel 7 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) an.

Schluss mit finanziellen Hürden bei der Namensänderung im Personenstand

Wer seinen Personenstand und Namen ändern will, trifft auf bürokratische und finanzielle Hürden. Den Personenstand und den Namen mit der eigenen Identität in Übereinstimmung zu bringen, darf aber nicht vom Geldbörserl abhängig sein. Daher setzen wir uns hier für einen unbürokratischen und kostenlosen Zugang zur Änderung des Personenstandes und Namens ein.

Ein diskriminierungsfreies Bildungssystem und öffentliche Verwaltung

Noch immer begegnen queeren Menschen im Bildungssystem und der öffentlichen Verwaltung Unwissen und Vorurteile. Daher setzen wir uns dafür ein, dass das Personal in der öffentlichen Verwaltung und in Bildungseinrichtungen Ressourcen erhält, sich mit der Situation von queeren Personen anhand von Weiterbildungsangeboten auseinandersetzen zu können.

Bundesvorstand der KPÖ, 17. August 2024

Quelle: KPÖ

KPÖ