Rondenbarg-Verfahren: Gezielte Kriminalisierung von Protesten
Übernommen von Rote Hilfe:
Seit über 20 Verhandlungstagen zeigt sich das Gericht wiederholt unwillig, die Einwände der Verteidigung ernsthaft zu prüfen und die Umstände aufzuklären. Schon die Anklage basiert auf der umstrittenen These der „gemeinschaftlichen Mittäterschaft“, wobei den Angeklagten ihre bloße Anwesenheit bei einer Demonstration im Hamburger Straßenzug Rondenbarg am 7. Juli 2017 vorgeworfen wird. Im Verlauf des Protestzuges kam es zu Sachbeschädigungen und Auseinandersetzungen mit der Polizei. Eine direkte Beteiligung daran oder an anderen möglichen Straftaten wird den Angeklagten nicht vorgeworfen. An die Stelle eines individuellen Schuldnachweises tritt somit ein pauschaler Vorwurf, der sich unterschiedslos gegen alle Teilnehmer*innen richtet.
Auf dem Weg zu den G20-Protesten zog am 7. Juli 2017 eine Demonstration vom G20-Camp in Richtung Innenstadt. Am Rondenbarg stoppte die Polizei den Zug und ging mit brutaler Gewalt gegen die Demonstrant*innen vor, was zu mindestens elf Schwerverletzten führte. Viele der Verletzten stehen nun selbst vor Gericht. Die verantwortlichen Polizeibeamt*innen blieben bis heute straflos.
Das Verfahren zeigte auch, dass sich während des G20-Gipfels in Hamburg an verschiedenen Stellen V-Personen des Verfassungsschutzes unter die Demonstrant*innen mischten. Ob sie auch zur Eskalation am Rondenbarg beigetragen haben, wollte der als Zeuge geladene Beamte des Verfassungsschutzes mangels Aussagegenehmigung nicht sagen. Trotz dieser Enthüllungen wurden zahlreiche Beweisanträge der Verteidigung abgelehnt, was das Verfahren zusätzlich delegitimiert.
Während der Prozess noch läuft, hat das Landgericht Hamburg bereits die Eröffnung weiterer Verfahren gegen insgesamt 86 Personen angekündigt. Diese Prozesse sollen in den kommenden Monaten beginnen. Das zeigt, dass der Verfolgungseifer der Justiz noch lange nicht zu Ende ist und ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen werden soll, der das Demonstrationsrecht in Deutschland nachhaltig schwächen könnte.
Solidarität und Widerstand gegen staatliche Repression
Angesichts dieser Entwicklungen ruft die Rote Hilfe e. V. zur Solidarität mit den Angeklagten auf. Am 24. August 2024 finden in Hamburg und Karlsruhe Demonstrationen unter dem Motto „Versammlungsfreiheit verteidigen! Freispruch für die Angeklagten im G20-Rondenbarg-Prozess!“ statt. Diese Proteste sind ein starkes Zeichen gegen die zunehmende Kriminalisierung von Protesten und für die Verteidigung der Grundrechte.
Anja Sommerfeld vom Bundesvorstand der Roten Hilfe fordert die sofortige Einstellung des Verfahrens und den Freispruch aller Angeklagten. „Der Rondenbarg-Prozess zeigt in erschreckender Weise, wie der Staat versucht, legitimen Protest zu unterdrücken und das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit auszuhöhlen. Das Rondenbarg-Verfahren zielt darauf ab, ein Exempel zu statuieren und soll offenbar als Präzedenzfall dienen, um künftige Proteste zu kriminalisieren. Die Anwendung des Landfriedensbruchparagraphen §125 StGB in diesem Kontext ist höchst problematisch, da hierdurch das Demonstrationsrecht und die Versammlungsfreiheit massiv eingeschränkt werden könnten. Die drohende Verurteilung der Angeklagten würde nicht nur diese Menschen treffen, sondern könnte weitreichende Folgen für die gesamte Protestkultur in Deutschland haben.“
Aktualisierung: Die Plädoyers und die Urteilsverkündung verschieben sich. Das Urteil wird derzeit für Anfang September erwartet.
Quelle: Rote Hilfe