Sommer, Sonne, Schütze Arsch
Übernommen von Unsere Zeit:
Der Widerstand begann im Kleinen. Von seiner Frau erfuhr Peter Gutzeit, ehemaliges Mitglied der Bezirksversammlung Eimsbüttel, von Werbebannern der Bundeswehr am Sprungturm des örtlichen Freibads Kaifu. Mit der Abbildung eines Kriegsschiffs wurde in großen Lettern für einen „Karrieresprung“ geworben. Neben dem altbekannten Slogan „Mach, was wirklich zählt“ hatten sich die Werbespezialisten des Militärs auch zu dem geistreichen Spruch „Marine kann Meer“ hinreißen lassen, um mitten in der Badesaison um neue Soldaten zu werben.
Für Gutzeit stand fest, „dass diese Werbung auf Kinder und Jugendliche abzielt und laut UN-Kinderkonvention unzulässig“ sei – und das ausgerechnet in Eimsbüttel, einem Bezirk, der sich im Jahr 1983 symbolisch zur „Atomwaffenfreien Zone“ erklärt habe. Also wurde Gutzeit aktiv und informierte die Nachbarschaft auf dem Internetportal „nebenan.de“. Die Resonanz war gut, doch nach der Beschwerde eines Nutzers sperrte das Portal den Beitrag mit dem Titel „Kein Kanonenfutter aus Eimsbüttel“. Es folgte ein Sturm der Entrüstung, der das Thema über die Grenzen des Stadtteils tragen sollte. Zahlreiche Hamburger Medien, aber auch überregionale Zeitungen und Sender verfolgten die Auseinandersetzung. Daran änderte auch nichts, dass die Betreiber die Sperrung schließlich zurücknahmen.
Auch die Hamburger Politik setzte sich in Bewegung. Denn beim Kaifu handelt es sich um ein Schwimmbad der städtischen Gesellschaft Bäderland Hamburg GmbH. „Der Bundeswehr fehlen Menschen, die gewillt sind, in den Krieg zu ziehen und zu sterben. Eine Mehrheit der Bundesdeutschen ist nach wie vor friedenstüchtig und spricht sich regelmäßig für Diplomatie statt Kriegseskalation aus. Um das zu verändern, unternehmen Bundeswehr und Verteidigungsministerium immer skurrilere Schritte“, schrieben die drei fraktionslosen Bürgerschaftsabgeordneten Martin Dolzer, Metin Kaya und Mehmet Yildiz in einer kleinen Anfrage an den Senat. Der antwortete schmallippig, etwa auf die Frage, ob es für richtig gehalten werde, dass „kleine Kinder und Jugendliche beim Schwimmenlernen und in der Freizeit dazu gezwungen werden, sich Bundeswehrwerbung“ anzuschauen. Der Schwimmunterricht werde in der Schwimmhalle durchgeführt, lautete die Antwort.
Ein wenig offener reagierte der Senat auf eine Anfrage von Stephan Jersch („Die Linke“). Auch wenn die spannenden Fragen, etwa nach den Einnahmen durch die Militärwerbung, unbeantwortet blieben – Geschäftsgeheimnis. Immerhin wurde mitgeteilt, dass grundsätzlich nur „Werbung im Zusammenhang mit Sport, Schwimmen, Bildung und übergeordneten gesellschaftlichen Zielen, Werten und Aufgaben angeboten“ werde. Dazu gehöre eben auch die Bewerbersuche der Marine.
Auch Michael Dietel, Pressesprecher der Bäderland GmbH, konnte die Aufregung nicht verstehen, wie es in zahlreichen Presseberichten hieß. UZ bekam von der Bäderland GmbH, obwohl öffentliches Unternehmen, leider keine Antworten auf ihre Fragen. Dabei hätte uns brennend interessiert, wie das Unternehmen zu dem Vorwurf steht, der (bei der Bundeswehr üblichen) Rekrutierung Minderjähriger Vorschub zu leisten. Zudem wollten wir wissen, weshalb eine Werbekampagne für alkoholische Getränke im Bad abgelehnt wurde, während es mit dem Werben für das Sterben offenbar keine Bedenken gab. Gerne hätten wir auch erfahren, wie die unter anderem im „Hamburger Abendblatt“ zitierte Aussage des Bäderland-Pressesprechers, dass die Werbung „wirklich sachlich und nicht im Ansatz tendenziös“ sei, in Anbetracht der Bannergestaltung gemeint war.
Gegenwehr auf der Straße gab es von der Eimsbütteler Friedensinitiative, die zu einer Kundgebung vor dem Schwimmbad lud. Rund 100 Menschen folgten dem Aufruf und demonstrierten gegen die „Kriegstüchtigkeit“ im Freibad. Im Anschluss entfernten Unbekannte das Werbeplakat der Bundeswehr im Schwimmbad. Einige Aktivisten protestierten an gleicher Stelle mit Plakaten gegen den bildlich dargestellten „Karrieresprung in den Tod“. In den „Eimsbütteler Nachrichten“ war der Verdacht des Bäderland-Sprechers zu lesen, dass „einige der Demonstranten“ nach der Aktion „unerkannt das Freibad betreten“ hätten. Auf die Frage, ob Demonstrantinnen und Demonstranten das Bad nicht mehr betreten dürften, wenn sie erkannt würden, reagierte die Bäderland Hamburg GmbH nicht.
Das Banner wurde wieder aufgehängt. Am 8. August endete der Werbevertrag mit der Bundeswehr. Peter Gutzeit blickt differenziert auf die Auseinandersetzung zurück. „Zwar konnten wir nicht die Masse der Menschen von unserem Anliegen überzeugen“, sagt er gegenüber UZ, aber es sei gelungen, vielen Friedensfreunden „den Rücken (zu) stärken, die in der heutigen Zeit einen schweren Stand gegenüber dem Mainstream haben“. Außerdem „konnten wir neue Mitglieder für die Friedensinitiative gewinnen und darüber hinaus ein Nachdenken bei vielen Menschen bewirken“, so Gutzeit.
Quelle: Unsere Zeit