24. Dezember 2024

Steigender Nachhilfe-Andrang: Pandemie-Lücken und Druck auf das Schulsystem

Übernommen von Zeitung der Arbeit:

Nachhilfeanbieter in Vorarlberg verzeichnen eine hohe Nachfrage, da pandemiebedingte Lernlücken, insbesondere in Mathematik und Fremdsprachen, deutlich spürbar sind. Trotz des Engagements vieler Lehrer erschwert der Druck im Schulsystem eine individuelle Förderung der Schüler, was durch den Lehrermangel zusätzlich verschärft wird.

Feldkirch. In knapp drei Wochen beginnen die Schulen wieder, aber viele Jugendliche bereiten sich bereits jetzt vor. Sie benötigen Nachhilfe, um den Stoff des vergangenen Schuljahres zu festigen. Laut Nachhilfe-Anbietern in Vorarlberg ist die Nachfrage derzeit so hoch wie nie zuvor. Oft sind die Spätfolgen des pandemiebedingten Home-Schoolings dafür verantwortlich.

So groß war der Andrang noch nie

Elisabeth Geier bietet mit ihrem Team in Feldkirch seit zwölf Jahren Nachhilfe an. Doch so groß wie dieses Jahr war der Andrang noch nie: „Es war das Homeschooling, durch das viele Lücken entstanden sind, die einfach noch heute schwer zu schließen sind. Viele Familien waren damit überfordert, ihren Kindern wirklich diesen Schulstoff zu Hause beizubringen. Und selbst Jahre später merkt man das halt einfach.“

Besonders in Fremdsprachen seien die pandemiebedingten Defizite deutlich spürbar, erklärt Geier. Das größte Sorgenkind bleibe jedoch die Mathematik. Nachhilfelehrer Sami Hardouze betont, dass es eine Herausforderung sei, Schülerinnen und Schüler, die bereits durch Misserfolge in der Schule frustriert seien, für ein Fach zu begeistern. Oft entstehe bei Misserfolg eine Abneigung gegenüber dem Fach. Daher sei es wichtig, den Schülern zu zeigen, dass es auch anders gehe und das Fach sogar Spaß machen könne.

Lernstoff mit lebensnahen Themen verbinden

Man versuche, den Unterricht mit Humor zu gestalten, da Lernen mit Freude leichter falle. Außerdem sei es hilfreich, den Lernstoff mit lebensnahen Themen zu verbinden. In der Nachhilfe-Einrichtung betont man, dass ein Verhältnis auf Augenhöhe wichtig sei: Der Unterricht werde als gemeinsames Projekt betrachtet. Allerdings hat Nachhilfe ihren Preis – eine Einzelstunde koste 55 Euro, eine Gruppenstunde 35 Euro. Laut den Nachhilfe-Lehrkräften reichten jedoch oft bereits zwei oder drei Einheiten aus, um den Stoff aufzuarbeiten.

Geier übt keine generelle Kritik an ihren Kolleginnen und Kollegen in den Schulen, sondern betont im Gegenteil, dass viele Lehrerinnen und Lehrer sich sehr engagierten. Allerdings seien die großen Klassen und der enorme Druck, den Lernstoff durchzunehmen, problematisch. Sami Hardouze teilt diese Ansicht und fügt hinzu, dass der hohe Druck in der Schule ein zentrales Problem im Bildungssystem sei.

Kinder müssen wie Maschinen funktionieren

Die Schulkinder müssten oft wie Maschinen funktionieren, was problematisch sei. Geier betont, dass es daher wichtig wäre, sich stärker an die individuellen Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler anzupassen. Dies sei jedoch auch eine Frage des Personals: Der Bedarf an Förderunterricht und kleineren Klassen stehe dem Lehrermangel gegenüber.

Der Kapitalismus erweist sich auch hier als unfähig, den Bedürfnissen von Schülerinnen und Schülern gerecht zu werden, da er Bildung oft auf Effizienz und kurzfristigen Erfolg reduziert. Das System zwingt Schüler, im Grunde lebenswichtige Themen in einem viel zu schnellen Tempo zu erlernen, nur um sie nach einer Prüfung wieder zu vergessen. Anstatt nachhaltiges Wissen zu fördern, wird der Lernprozess zur Ware, die den Anforderungen des Marktes und der Leistungsgesellschaft untergeordnet ist, ohne Rücksicht auf die langfristige Entwicklung der Schüler.

Quelle: ORF

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