Urteil erneut verschoben
Übernommen von Unsere Zeit:
Aus einer zweiten Dienstwaffe wurde nicht geschossen – und ob die Maschinenpistole auf Einzel- oder Dauerfeuer stand, kann nicht mehr rekonstruiert werden. Das sind die Erkenntnisse des 20. Verhandlungstags in dem Prozess gegen fünf Polizeibeamte, die an dem tödlichen Einsatz gegen Mouhamed Lamine Dramé am 8. August 2022 in Dortmund beteiligt waren.
Zwei Gutachten hatte Felix B. in seiner Aktentasche. B. arbeitet als Kriminaltechniker beim nordrhein-westfälischen Landeskriminalamt. In dieser Funktion hatte er zwei Schusswaffen untersucht, die nach dem tödlichen Polizeieinsatz sichergestellt worden waren. Darüber gab der Sachverständige am 20. Prozesstag Auskunft.
Die erste dieser beiden Waffen ist die MP5 von Heckler & Koch. Mit ihr soll der Hauptangeklagte Fabian S. sechs Schüsse auf Mouhamed Dramé abgegeben haben, von denen fünf trafen. Zwei Fragen habe er in seinem Gutachten klären sollen, sagt B.: Ob die am Tatort gefundene Munition aus dieser Waffe abgefeuert wurde, und ob die Maschinenpistole dabei auf Einzel- oder Dauerfeuer stand.
Jeder Streifenwagen der nordrhein-westfälischen Landespolizei hat zwei dieser MP5 an Bord. Sie darf nur im Einzelfeuer-Modus verwendet werden, kann aber auf Dauerfeuer umgestellt werden. Nach der Tat hatte es Spekulationen gegeben, ob die hohe Zahl der Schüsse auf Mouhamed Dramé auf einen verbotenen Dauerfeuer-Betrieb zurückzuführen ist.
In welchem Modus Fabian S. die Maschinenpistole eingesetzt hatte, ließe sich nicht rekonstruieren, sagt Felix B. Er habe die Waffe im gesicherten Modus übernommen, dann erkenne man die Einstellung nicht mehr. Auch über eine Untersuchung des Schussbildes, erklärt er auf Nachfrage der Rechtsanwältin Lisa Grüter, die die Nebenklage vertritt, sei das nicht möglich, weil das von Schütze zu Schütze abweiche und sich das auch für den Tattag nicht reproduzieren lasse. Immerhin erklärt B., wie man den Modus wechselt: Einen Knopf rechts gedrückt halten, umschalten. „Dann bleibt das so.“
Nicht alle der sichergestellten Kugeln könne er zweifelsfrei der sichergestellten MP5 zuordnen, sagte B., was nicht ungewöhnlich sei. Hinweise darauf, dass diese nicht zuordbaren Kugeln aus einer anderen Waffe stammten, habe er nicht gefunden. Die untersuchte MP5 habe störungsfrei funktioniert.
Die zweite untersuchte Waffe, eine Walther P99, käme jedenfalls nicht in Frage für die verschossene Munition, sagt Felix B. Wessen Waffe das war, kommt nicht zur Sprache. Es dürfte die Dienstwaffe des Einsatzleiters Thorsten H. gewesen sein. Er muss sich wegen Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung im Amt verantworten. Fabian S. ist wegen Totschlags angeklagt, drei weitere Polizisten wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt.
Der Prozess am Landgericht Dortmund läuft seit Ende Dezember 2023. Die Urteilsverkündung war zunächst für April angekündigt worden, dann auf Mitte September verschoben worden. Nesrin Öcal, Pressesprecherin des Landgerichts, hat jetzt acht neue Sitzungstermine bekannt gegeben. Mit einer Urteilsverkündung wird nicht mehr vor Mitte Dezember gerechnet. Der Vorsitzende Richter Thomas Kelm möchte weitere Sachverständige laden und Ausbilder der Polizei im Zeugenstand befragen. Kelms Prozessführung wird immer wieder von Prozessbeobachtern kritisiert: Eine Prozessstrategie sei nicht erkennbar, die Nebenklage behandele er von oben herab. Interesse an einem transparenten Verfahren hat Kelm offenkundig nicht.
Der Prozess wird am 2. September fortgeführt.
Unsere bisherige Berichterstattung über den Prozess haben wir hier zusammengestellt.
Quelle: Unsere Zeit