Vor 80 Jahren: Ernst Thälmann im KZ Buchenwald ermordet
Übernommen von Zeitung der Arbeit:
Vor 80 Jahren, am 18. August 1944, starb Ernst Thälmann (1886–1944) im deutsch-faschistischen Konzentrationslager Buchenwald. Der Vorsitzende der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), am 3. März 1933 von den Nazis verschleppt, war nach elf Jahren Gefängnis und Zuchthaus schließlich auf vermutlich direkten Befehl Hitlers erschossen worden. – Wir bringen zum 80. Todestag eine Würdigung von Otto Bruckner.
In der Nacht zum 18. August 1944 wurde der Hafenarbeiter, Abgeordnete, langjährige KPD-Vorsitzende und Revolutionär Ernst Thälmann im Konzentrationslager Buchenwald ermordet. Thälmann und seine Kommunistische Pertei Deutschlands (KPD) waren der kraftvollste und mächtigste Widerpart zum aufsteigenden Faschismus in Deutschland. Die KPD der 1920er und 1930er Jahre war die stärkste kommunistische Arbeiterpartei Westeuropas, und gerade deshalb ist es von Bedeutung, die Erinnerung an diese Partei und an die einzigartige Persönlichkeit ihres Vorsitzenden im Erbe der revolutionären kommunistischen Bewegung lebendig zu halten.
„Ernst Thälmann widmete sein Leben dem Höchsten der Menschheit: dem Kampf für ihre Befreiung von Ausbeutung und Unterdrückung, für den Frieden zwischen den Völkern, für den Kommunismus. Er war das Vorbild eines mit der Arbeiterklasse eng verbundenen Arbeiterführers…“ – so beginnt das Vorwort zum noch in der DDR erschienenen Buch „Ernst Thälmann. Eine Biographie“ (Autorenkollektiv, Ernst Thälmann. Eine Biographie, Dietz Verlag, Berlin 1979). Diese Charakterisierung eines Lebens, das am 16. April 1886 in Hamburg begann und immer mit dem Proletariat verbunden blieb, beschreibt schon ganz gut die universellen Fähigkeiten, Wirkungsbereiche und Charaktereigenschaften Ernst Thälmanns.
Anstatt des gebräuchlichen Verfahrens eines Würdigungsartikels, einen möglichst kompletten Abriss über die Stationen eines Lebens zu schreiben, möchte ich mich in dieser Arbeit auf die Darstellung einiger weniger Knotenpunkte der Geschichte, die mit Leben und Wirken Ernst Thälmann eng verknüpft sind, beschränken. (Hier sei nochmals auf die gründliche Arbeit des Autorenkollektivs in oben zitiertem Buch verwiesen.
Der Arbeiter
Seine sozialen und politischen Wurzeln – die er Zeit seines Lebens nie vergessen hat – hatte Ernst Thälmann im Hamburger Proletariat. Er arbeitete als Hafenarbeiter, Seemann und Transportarbeiter. Er fand in Stil und Sprache stets den Zugang zu den Hirnen und Herzen der arbeitenden Menschen und prägte damit wesentlich den Aufstieg der KPD zur Massenpartei.
Er war aber auch stets da, wenn er gebraucht wurde. Beeindruckend, wie rastlos Thälmann jeden Arbeitskonflikt, jeden Streik aufmerksam verfolgte und bei nicht wenigen – besonders in seinem Hamburg – auch in der Zeit, wo er bereits in Berlin die Geschicke der gesamten KPD lenkte, persönlich als Organisator, Ratgeber und Helfer präsent war.
Seine – mit der Rolle als Streikführer 1923 in Hamburg beginnenden – wichtigen Kampferfahrungen, seinen Mut, seine Entschlossenheit, aber vor allem seine Liebe zu seiner Klasse – machten ihn zu einer herausragenden Persönlichkeit der kommunistischen Bewegung.
Der Organisator
Unter der Führung von Ernst Thälmann gelang es der KPD, ihren Masseneinfluss beachtlich zu steigern und mit ihrer offensiven Aktionseinheitspolitik auch der SPD zuzusetzen. Als Beispiel sei hier die Kampagne der KPD zur Enteignung der Fürsten angeführt, die 1926 in einem von ihr per Volksbegehren erzwungenen Volksentscheid von mehr als einem Drittel der Wählerinnen und Wähler unterstützt wurde.
Wesentlichen Anteil hatte Ernst Thälmann auch am Aufbau des Roter Frontkämpferbund (RFB), der als Gegengewicht gegen faschistische und revanchistische Vereinigungen gegründet wurde, und dessen Vorsitzender er auch war. So nahmen etwa im Mai 1926 in Berlin 50.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an einem RFB-Treffen teil, das von 300.000 Berlinern begeistert begrüßt wurde.
Der Kommunist
Ernst Thälmann war aber nicht nur Praktiker, seiner politisch-ideologischen Beharrlichkeit (die natürlich untrennbar mit seinem praktischen Wirken verbunden ist) ist der Aufstieg der KPD zur Massenpartei des deutschen Proletariats wesentlich zu verdanken. In den Richtungskämpfen Mitte der 1920er Jahre bezog Thälmann (wie übrigens auch Johann Koplenig in Österreich) eine Position, die im allgemeinen von Lenins Theoriegebäude abgeleitet und als Zwei-Fronten-Kampf bezeichnet werden kann. Er wandte sich gegen ultralinke und realitätsferne Phraseologie ebenso wie gegen Opportunismus. Erst nach Überwindung dieser Auseinandersetzung konnte sich die KPD entfalten und zum stärksten Gegner des aufsteigenden Faschismus werden.
Der Internationalist
In der Kommunistischen Internationale (KI) bekleidete Ernst Thälmann wichtige Funktionen. Als junger Kommunist nahm er bereits am 3. Weltkongress 1921 teil und konnte dort noch Lenin persönlich kennen lernen. Ab dem 4. Weltkongress 1924 gehörte er dem Exekutivkomitee der KI an, und später dem Präsidium. Er bekleidete auch viele wichtige operative Funktionen in der sich als Weltpartei des Proletariats verstehenden KI und war an entscheidenden strategischen Entscheidungen beteiligt.
Klassenauseinandersetzungen und Arbeitskämpfe in anderen Ländern verfolgte er sehr aufmerksam und setzte auch oft praktische Schritte zu deren Unterstützung. So setzte er sich vehement dafür ein, dass die deutschen Hafenarbeiter die Verschiffung von Kohle nach England verweigerten, als sich die dortigen Bergarbeiter in einem lang andauernden Streik befanden.
Hitlers schärfster Gegner
Unermüdlich bemühte sich Thälmann um die Herstellung einer breiten Aktionseinheit gegen den Aufstieg der Faschisten. Die auf seinen Vorschlag hin ins Leben gerufene „Antifaschistische Aktion“ erreichte zwar viele Unorganisierte und sozialdemokratische Arbeiterinnen und Arbeiter, nicht aber die Führung der Sozialdemokratie. Der SPD-Spitze war (wie bei der Sozialdemokratie in der Geschichte so oft der Fall) ihr Paktieren mit den Bürgerlichen und ihr Antikommunismus wichtiger.
Auf einen provokatorischen Aufmarsch der Nazis im Jänner 1933 vor dem Karl Liebknecht-Haus (der Zentrale der KPD) in Berlin folgte eine beeindruckende Antwort: „…am 25. Jänner demonstrierten 130.000 Berliner Arbeiter ihre Verbundenheit mit der KPD und ihrem Zentralkomitee. Für 16.30 Uhr hatte die Partei zu einem Protestmarsch der Antifaschisten gegen die Naziprovokation auf dem Bülowplatz aufgerufen. Schon um 13.00 Uhr begannen sich bei 16–18 Grad Kälte die Arbeiterkolonnen in den Straßen Berlins zu sammeln. Als Fanfarensignale den Aufmarsch eröffneten, betraten Ernst Thälmann und andere Mitglieder der Parteiführung die Tribüne am Karl-Liebknecht-Haus, von brausenden ‚Rot Front!’-Rufen begrüßt. Über vier Stunden lang marschierte der große Zug der Antifaschisten am Hause des Zentralkomitees vorbei,…ein Ausdruck des Vertrauens zu Ernst Thälmann und der Kampfbereitschaft der Arbeiter“. (Zit. nach: Ernst Thälmann. Eine Biographie, Seite 639.) Zur selben Zeit ließ Goebbels die Lüge verbreiten, Thälmann befände sich in Moskau.
Fünf Tage später wurde Hitler vom Reichspräsidenten Hindenburg (der bei der Präsidentenwahl 1932 im zweiten Wahlgang von der SPD unterstützt wurde) zum Reichskanzler berufen. Die reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, aggressivsten Kreise des deutschen Monopolkapitals errichteten ihre offen terroristische Gewaltherrschaft.
Die KPD schlug am selben Tag der SPD und den Gewerkschaften vor, gemeinsam zum Generalstreik für den Sturz der Hitler-Regierung aufzurufen und versuchte auch die Massen mit Flugblättern für dieses Ziel zu mobilisieren, in denen die Hitler-Regierung als „die brutalste, unverhüllteste Kriegserklärung an die Werktätigen, an die deutsche Arbeiterklasse“ bezeichnet wird.
Die Führungen der SPD und der Gewerkschaften hielten am Antikommunismus fest, und gaben sich der Illusion hin, dass unter Hitler demnächst noch freie Wahlen stattfinden würden, wo man ihn ja abwählen könne.
Alsbald wurde der Reichstag aufgelöst und der faschistische Terror gegen die gesamte Arbeiterbewegung setzte ein. Die KPD, die zu diesem Zeitpunkt eine Massenpartei mit 360.000 Mitgliedern und Millionen Sympathisierenden war, musste unter bereits eingeschränkter Legalität arbeiten. In dieser Situation des bereits einsetzenden Nazi-Terrors und der Verhaftung tausender Funktionärinnen und Funktionäre sowie Mitglieder bereitete sich die KPD auf die Teilnahme an den für 5. März angesetzten Reichstagswahlen vor. 4,8 Millionen Wähler stimmten an diesem Tag für die KPD. Sie errang damit 12,3 Prozent und 81 Mandate, die von den Faschisten umgehend annulliert wurden. Auch Ernst Thälmann wurde wiederum zum Abgeordneten gewählt. Er befand sich zu diesem Zeitpunkt aber bereits in Gefangenschaft. Am 3. März hatten ihn – der bereits seit einiger Zeit untergetaucht war und von einem Spitzel verraten wurde – Polizisten verhaftet.
Durch die herbe Niederlage, die das faschistische Regime im Reichstagsbrand-Prozess gegen Georgi Dimitroff und andere vor der Weltöffentlichkeit erlitt, vorgewarnt, hielten die Nazis Ernst Thälmann zwar gefangen, zögerten eine Anklage und damit eine Verhandlung aber stets hinaus, so dass es zu einer solchen auch nie kam. Thälmann blieb von 1933 bis zu seiner Ermordung 1944 ein Gefangener der Faschisten. Internationale Solidaritätskampagnen für seine Freilassung umspannten nahezu den ganzen Erdball. Auf Befehl Hitlers wurde er am 17. August 1944 in das KZ Buchenwald gebracht und dort noch in derselben Nacht ermordet.
Thälmanns Vermächtnis
„Den faschistischen Gangstern werden wir die Ermordung des Führers der Kommunistischen Partei Deutschlands nicht vergessen!“ schrieben deutsche Kommunisten in einem Gedenkartikel in der „Prawda“ am 17. September 1944.
Georgi Dimitroff schrieb 1934: „…Es genügt nicht, revolutionäres Temperament zu haben; du musst auch die Waffe der revolutionären Theorie beherrschen. Aber es genügt nicht, rein theoretische Kenntnisse zu haben: Du musst in ununterbrochenem Kampf mit dem Klassenfeind, indem du die ständigen Schwierigkeiten und Gefahren überwindest, in dir revolutionäre Abhärtung und Ausdauer, bolschewistischen Willen, Festigkeit und Hartnäckigkeit zu erziehen verstehen. Es genügt nicht, zu wissen, was man für den Sieg des Kommunismus tun muss: Du musst auch den Mut haben, zu tun, was notwendig ist, musst stets bereit sein, um den Preis jeglicher Opfer das zu tun, was den Interessen der Arbeiterklasse dient. Du musst verstehen, dein Leben ganz den Interessen des Proletariats unterzuordnen.
Der wahre proletarische Revolutionär ist eine lebendige Verkörperung der revolutionären Theorie, die sich in untrennbarem Zusammenhang mit der revolutionären Praxis des kämpfenden Proletariats formiert.
Das Musterbeispiel eines solchen proletarischen Revolutionärs ist gerade der Führer der deutschen Arbeiterinnen und Arbeiter, Ernst Thälmann. Er ist Blut vom Blute und Fleisch vom Fleische der deutschen Arbeiterklasse und des gesamten Proletariats.“ (Georgi Dimitroff: Retten wir Genossen Thälmann!, Ausgewählte Schriften, Band 2, Seite 486.)
Wer heute am Aufbau und an der Stärkung kommunistischer Arbeiterpolitik mitwirken will, sollte sich sehr intensiv mit Ernst Thälmann auseinandersetzen. Er gehört zum großen Erbe unserer Bewegung. Von ihm zu lernen, bedeutet Prinzipienfestigkeit mit Flexibilität der Kampfformen zu verbinden, Klarheit der Analyse mit Massenverbundenheit; es bedeutet, den Kampf mit den arbeitenden Menschen zu führen und zu organisieren, in der Klasse verankert zu sein. Das schließt sektiererische und dogmatische Abkapselung ebenso aus, wie einen opportunistischen Kampf auf den Knien.
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Quelle: Zeitung der Arbeit