21. November 2024

Wahlen in Ostdeutschland markieren Wendepunkt

Übernommen von Yeni Hayat / Neues Leben:

Die Wahlen am 1. September in Sachsen und Thüringen sowie am 22. September in Brandenburg sind die Generalprobe für die Bundestagswahl im kommenden Jahr. In Sachsen und Thüringen dürfte die Alternative für Deutschland (AfD) stärkste Kraft werden. In diesem Fall wird mit Spannung erwartet, wie sich die CDU verhalten wird. Eine weitere Partei, die in der Region in den Vordergrund rücken wird, ist laut Umfragen das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW).

Mit welcher Partei wird die CDU in Thüringen koalieren?

In Thüringen, wo es eine Koalition aus Linkspartei, SPD und Grünen gibt, liegt der Stimmenanteil der AfD laut Umfragen bei über 30 Prozent. Der Stimmenanteil der CDU liegt bei 23 Prozent. Es wird daher erwartet, dass eine dieser beiden Parteien in der neuen Legislaturperiode die Regierung stellen wird. Eine Schlüsselposition nimmt das BSW ein, dessen Stimmenanteil zwischen 17 und 20 Prozent liegt. Die CDU hat in der Vergangenheit mehrfach indirekte Koalitionen mit der AfD gebildet. Eine direkte und offene Koalition ist sie jedoch nicht eingegangen. Daher scheint eine Koalition aus CDU und BSW die stärkste Option im Parlament zu sein, bei der 88 Abgeordnete gewählt werden, sollten sich die Umfragen bewahrheiten. Sollten die Stimmen der beiden Parteien nicht ausreichen, ist auch eine Koalition mit der SPD oder LINKE möglich. Während die Union zuvor Koalitionen mit dem BSW ausschloss, erklärte CDU-Generalsekretär Linnemann kürzlich, dass eine Zusammenarbeit auf Landesebene möglich wäre.

Die Umfragewerte der LINKE, die bei der Wahl 2019 noch 31 Prozent erhielt, sind auf etwa 14-15 Prozent gesunken. Während die SPD knapp über der Fünf-Prozent-Hürde liegt, werden Grüne und FDP mit ziemlicher Sicherheit darunter bleiben. In jedem Fall ist in Thüringen mit einem richtungsweisenden Ergebnis zu rechnen. Sollte die CDU eine Partnerschaft mit der AfD eingehen, könnten der rechten Partei auch in anderen Bundesländern Koalitionen angeboten werden. Vor dem Zweiten Weltkrieg war die faschistische NSDAP in diesem Bundesland erstmals Koalitionspartner. In den Umfragen fällt vor allem auf, dass jeder Zweite im Bundesland, entweder BSW oder AfD wählen möchte, die beide den Krieg in der Ukraine ablehnen.

Ein ähnliches Bild in Sachsen

In Sachsen erwarten die Meinungsforscher ein ähnliches Ergebnis wie in Thüringen. CDU und AfD liegen laut Umfragen bei rund 30 Prozent der Stimmen. Welche Partei die Nase vorn hat, wird sich erst am Wahlabend zeigen. An dritter Stelle wird BSW mit 13-15 Prozent der Stimmen erwartet. Die LINKE, die vor fünf Jahren noch über 10 Prozent der Stimmen erhielt, könnte unter der 5-Prozent-Hürde bleiben. SPD und Grüne werden mit 6 bzw. 5 Prozent der Stimmen den Einzug vermutlich schaffen. In diesem Fall ist mit einer Koalition unter Führung der CDU im 120 Sitze zählenden Parlament zu rechnen. Denn die CDU wird in den meisten Umfragen als stärkste Partei gesehen. Auch in diesem Bundesland wird mit einer Koalition der CDU mit dem BSW gerechnet.

Beide Parteien haben signalisiert, dass sie gegen die AfD zusammenarbeiten können. Auf welcher Grundlage und wie sie einen Kompromiss finden werden, ist jedoch unklar. Die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht hat mit ihrer Ankündigung, persönlich an Koalitionsgesprächen teilzunehmen, die Messlatte hoch gelegt. Aber auch von der CDU sind keine ernsthaften Zugeständnisse zu erwarten.

Dreier-Koalition in Brandenburg

Am 22. September finden in Brandenburg Landtagswahlen statt. Laut Umfragen kämpfen die SPD und die AfD um den ersten Platz. Die AfD wird voraussichtlich mit 23-24 Prozent als stärkste Partei aus der Wahl hervorgehen. Die SPD liegt bei 20-23 Prozent, die CDU bei 19 Prozent und BSW bei 17 Prozent. Die Grünen und die Linkspartei kratzen an der 5-Prozent-Hürde. Sollten diese beiden Parteien den Sprung über die 5-Prozent-Hürde schaffen, gilt eine Dreiparteien-Regierung unter Führung der SPD im 88 Sitze zählenden Parlament als sehr wahrscheinlich, sofern die AfD nicht Regierungspartner wird. Auch eine Koalition mit dem BSW erscheint in diesem Bundesland denkbar.

Das allgemeine Stimmungsbild

Die allgemeine Stimmung im Vorfeld der Wahlen ist, dass die AfD in keinem Bundesland Koalitionspartner werden soll. Bestärkt wird dies dadurch, dass Anfang des Jahres Millionen Menschen gegen die AfD auf die Straße gegangen sind und deutlich gemacht haben, dass Rassismus und Rechtsradikalismus nicht toleriert werden. Aus diesem Grund agiert auch die CDU, die am ehesten mit der AfD koalieren könnte, eher zurückhaltend. Eher wird eine Partnerschaft mit Sahra Wagenknecht favorisiert, die früher aufgrund ihrer “prorussischen” Haltung abgelehnt wurde.

Das spielt auch dem deutschen Kapital gegenwärtig in die Karten. Der Aufstieg der AfD und eine Koalition mit ihr würden sich negativ auf die Wirtschaft auswirken. Im Vorfeld der Wahl haben 40 Familienunternehmen, darunter Miele und Dr. Oetker, mit der Kampagne „Made in Germany – Made by Vielfalt“ auf die Gefahr der AfD hingewiesen und die Bevölkerung aufgefordert, diese Partei nicht zu wählen. Umfragen zeigen, dass die Aufklärung und die Kampagnen zur Schwächung der AfD wenig Wirkung zeigen. Die Ängste und Sorgen derer, die AfD wählen, konnten nicht ausgeräumt werden. Auch das BSW, das mit einer „linksnationalen“ Linie in den Wahlkampf zog, um der AfD Stimmen abzujagen, ist nicht erfolgreich. Denn ein erheblicher Teil der Stimmen, die sie erhält, kommt von der LINKEN. Für den Fall, dass das BSW eine Koalition mit CDU und SPD eingeht, um die AfD zu verhindern, zeigt sich, dass diese Partei das Potenzial hat, in Zukunft genauso zu wegzuschmelzen, wie die Linkspartei. Die Massen, die heute BSW als Alternative zur AfD sehen, könnten sich auch der AfD zuwenden, wenn ihre Erwartungen nicht erfüllt werden, und es könnte sogar sein, dass die AfD bei den nächsten Wahlen genug Zustimmung bekommt, um allein eine Regierung zu bilden.

Die LINKE, die in der Vergangenheit den Charakter einer „Protestpartei“ hatte, verlor an Stärke, als sie sich von diesem Charakter entfernte. Auch BSW ist heute vor allem eine „Protestorganisation“. Die AfD kann nur wirksam bekämpft werden, wenn die wirtschaftlichen und sozialen Anliegen und Sorgen großer Teile der arbeitenden Bevölkerung, die diese Partei wählen, aufgegriffen werden. Solange dies nicht geschieht, werden Koalitionen verschiedener Parteien das Problem nicht lösen. Viel wichtiger als die Frage, welche Parteien sich zusammenschließen, ist daher die Frage, mit welcher Politik die Werktätigen, die die AfD gewählt haben, zurückgewonnen werden können.

Quelle: Yeni Hayat / Neues Leben

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