19. Dezember 2024

Räumung verhindert

Übernommen von Unsere Zeit:

Viele Bewohner rund um die Herbert-Grillo-Gesamtschule in Duisburg-Marxloh traf fast der Schlag, als sie in den vergangenen Wochen ihre Post öffneten. Die Stadt Duisburg kündigte ihnen in einem Informationsschreiben eine zeitnahe Räumung an, da ihr Vermieter – die Ivere Property Management GmbH, ein bundesweit agierender Miethai – die Wasserrechnung der Stadtwerke nicht beglichen hatte. Das Wasser werde abgestellt und ohne Wasser seien die Wohnungen in dem Stadtviertel unbewohnbar. Rund 900 Menschen aus Marxloh sollten deshalb ihre Wohnungen räumen – so schreibe es das nordrhein-westfälische „Wohnraumstärkungsgesetz“ (WohnStG) vor.

Die Stadtverwaltung riet betroffenen Anwohnern auf Nachfrage, sich neue Wohnungen zu suchen oder bei Verwandten unterzukommen. Konkrete Unterstützung und Aussicht auf eine Lösung? Fehlanzeige. „In einem Stadtteil, wo Armut, Ausgrenzung und Verdrängung Alltag ist, lässt die Stadt die Menschen völlig im Stich“, meint eine Anwohnerin. Sie hat zusammen mit Betroffenen ad hoc die „Initiative Marxloher Nachbarn“ ins Leben gerufen.

Marxloh, ein weit im Duisburger Norden gelegener Stadtteil mit rund 20.000 Einwohnern, gilt bürgerlichen Politikern und Medien als „Problemviertel“, das gerne als Beispiel genutzt wird, um gegen vermeintlich integrationsunwillige Migranten zu hetzen und eine rassistische Stadtpolitik zu fordern. Dabei ist die das eigentliche Problem: verkommene Wohnhäuser, kaputtgesparte Sozialarbeit und öffentliche Infrastruktur.

„Die Leute hier in Marxloh sind ständig in einer sozialen Notlage“, erklärt eine Nachbarin der Initiative. „Nicht nur, dass sie täglich mit prekären Arbeitsverhältnissen zu kämpfen haben, in der Gastronomie, im Reinigungsbereich oder als Paketzusteller. Jetzt werden ihnen auch noch die Wohnungen gestohlen, unverschuldet.“

Die Initiative Marxloher Nachbarn zeigt allerdings: Eine Stadtpolitik von unten ist möglich und kann erfolgreich sein. An einer Spontandemonstration am Donnerstag letzter Woche nahmen gut 400 Marxloher teil. Der Druck auf die Stadt wirkte. Die Räumungen sind vorerst verhindert, das Wasser wird nicht abgestellt. „Die Häuser, unsere Häuser bräuchten nur ein bisschen Liebe“, bringt es eine Frau auf den Punkt: „Das würden wir auch selbst machen, wenn man uns lässt, denn wir kümmern uns um unsere Nachbarschaft.“

Quelle: Unsere Zeit

UZ - Unsere Zeit