Freunde, Helfer, Streikbrecher?
Übernommen von SDAJ:
Polizei – hergeleitet vom griechischen Politeia (Staatsverwaltung), auch bekannt als FreundInnen und HelferInnen, von manchen auch liebevoll „Bullen“, „Cops“, „Knüppelgarde“ genannt. Die Polizei begegnet uns mittlerweile fast überall: in der Innenstadt, auf Demonstrationen, Jobmessen und bei der Räumung von Camps. Doch so richtig einen Plan, wie sich das Auftreten der Polizei, ihre Position im Klassensystem und ein fortschrittlicher Umgang mit ihr oder gegen sie herleiten lässt, sucht man oft erfolglos. Manchmal bleibt es beim moralischen „ACAB“ oder bloßer Empörung stehen, viel häufiger begegnen uns aber auch Verteidigungen noch der brutalsten Angriffe durch die Polizei auf Demonstrationen unter dem Motto „in der Haut der Polizei würde ich auch nicht stecken wollen.“ Aber was folgt daraus? Das wollen wir uns mal genauer anschauen.
Wer schlägt wen?
Um erstmal ein bisschen Klarheit darüber zu schaffen, wer wie und warum PolizistIn ist, lohnt es sich, die Polizei einmal in ihrem Doppelcharakter anzuschauen, der sich mehr oder weniger direkt aus der Rolle des Staats ableiten lässt. Der Staat im Kapitalismus, das ist der ideelle Gesamtkapitalist, dessen Hauptaufgabe, so die Kurzform, darin besteht, das kapitalistische System als solches am Leben zu halten. Das beinhaltet einerseits, Spielregeln aufzustellen, mit denen ein „fairer Wettbewerb“ zwischen den einzelnen Kapitalisten organisiert wird, und zu verhindern, dass gegen diese Spielregeln verstoßen wird. Mit der Herausbildung von Großkonzernen konzentriert sich logischerweise immer mehr Kapital in immer weniger Konzernhände – hier sorgt der Staat dann auch dafür, dass ein einzelner Monopolist nicht die anderen in einem solchen Maße schlägt, dass die Grundstruktur des Kapitalismus nicht mehr aufrechtzuerhalten wäre. Gleichzeitig sind die Großkonzerne aufs engste mit dem Staat verflochten – über den vielbeschworenen Drehtüreffekt (Politiker wird nach seiner Politikerkarriere Aufsichtsrat bei BMW, VW-Aufsichtsrat wird Politiker), Thinktanks, über darüberhinausgehende Mechanismen, die sich ideologisch, ökonomisch und politisch durchsetzen, über Rettungspakete für Monopole, die man schlechterdings nicht bankrottgehen lassen kann, ohne die eigne ökonomische Landschaft in den Abgrund zu reißen. Im Angesicht der Enge der Verflechtung überrascht es dann auch niemanden, dass die herrschenden Parteien, Regierungen, Ministerien und so weiter in erster Linie die Interessen besagter Monopole durchboxen. Nun zur Polizei: Als Teil der Exekutive ist sie offensichtlich gerade dafür verantwortlich, die Durchsetzung dieser Politik vor Widerstand zu schützen, davon abgesehen aber auch einen gesellschaftlichen Rahmen zu schaffen, in dem diese Interessen überhaupt durchgesetzt werden können. Blöd gesagt: In einer Gesellschaft, in der zwischenmenschlich massenhaft totgeschlagen, betrogen, gestohlen, eingebrochen wird, möchte niemand gerne leben, und in einer solchen Gesellschaft lassen sich weder gut produzieren, noch lassen sich gut Waren gewinnbringend loswerden. Nun ist es so: Wir finden Totschlag schlecht, auch wir wollen nicht betrogen werden. Eine Form von Ordnungsinstanz braucht es in jeder Klassengesellschaft, um ein einigermaßen geordnetes Zusammenleben organisieren zu können. Aber: Die Polizei verhindert nicht nur Mord und Totschlag, sie ist es auch, die im Zweifelsfall mit dem Schlagstock vor uns steht, obwohl man weder etwas Unrechtes getan hat, noch Selbiges vorhatte.
Die Polizei stellt eben auch sicher, dass nicht gestohlen wird, damit die Waren auch gewinnbringend verkauft werden. Die Polizei schüchtert Widerstand ein, damit die Situation für die Herrschenden kontrollierbar bleibt. Die Polizei verteidigt die Politik der Herrschenden mit allen notwendigen Mitteln nach innen, wie sie die Bundeswehr nach außen durchsetzt.
Mensch oder Uniform?
Nun fallen aber auch PolizistInnen nicht einfach vom Himmel: Sie leben in dieser Gesellschaft, sie müssen arbeiten, um Geld für die Miete zu haben, sie haben Bewusstsein und Gedanken. Zwar sind die Kollegenkreise oft rechte Echokammern – wir denken an rassistische Weltbilder in der Polizei, verbunden mit brutalen Übergriffen auf MigrantInnen – man legt sich seine Rechtfertigungen aber auch zurecht, um selbst mit der Aufgabe, die einem vom Staat zugedacht wurde, klarzukommen. Aber: Auch PolizistInnen haben Interessen – sie wollen Freizeit, sie wollen nicht so lange arbeiten müssen, sie wollen besseren Lohn – und eigentlich das genaue Gegenteil von dem, was mit den Versammlungs- und Polizeigesetzen der letzten Jahre durchgesetzt wurde. PolizistIn XY mag auf einer subjektiven Ebene ehrlich davon überzeugt sein, dass es sinnvoll ist, mit Tasern in der Innenstadt rumzurennen, auf einer objektiven Ebene will aber auch er Arbeitszeitverkürzung, die mit der Aufrüstung der Polizei im Innern für ihn jedoch nicht drin ist. Das Geld fehlt. Die sich als „Law-and-Order“- gebende Politik in diesem Land begründet die neuen weitreichenden Befugnisse für die Polizei (etwa Gefährderbeobachtung, Präventivhaft und so weiter) mit der vorgeblichen Sorge um eine vermeintlich steigende Kriminalität, doch in der Praxis bedeuten die neuen Regelungen für die meisten PolizistInnen in der vor allem mehr Arbeit und gefährlichere Berufspraxis. Der jeweilige Vorgesetzte nutzt die weitergehenden Befugnisse der PolizistInnen, um Einsätze gezielt zu eskalieren, wir denken bspw. an die LLL-Demonstration dieses Jahr in Berlin, wahnsinnige Regelungen wie das Verbot palästinasolidarischer Slogans auf Veranstaltungen (das in einigen Bundesländern bereits durch die Verfassungsgerichte für unverhältnismäßig erklärt wurde) durchzusetzen und widerständige Elemente einzuschüchtern. Die Polizei setzt diese Politik mit um, teilweise auch sehr enthusiastisch. Zuverlässige Zahlen für die Polizeigewalt in diesem Land zu finden, gestaltet sich dabei als ausgesprochen schwierig, da wenige Fälle überhaupt zur Anzeige gebracht werden (die Kennzeichnungspflicht für PolizistInnen ist bspw. in NRW seit einigen Jahren außer Kraft). Was angezeigt wird, wird wiederum in den allerseltensten Fällen auch verurteilt (über 90 % der Verfahren werden wieder eingestellt), denn unabhängige Kontrollgremien gibt es nicht und die ZeugInnen der Verteidigung, meist PolizistInnen, sagen nicht gegen andere PolizistInnen aus.
„Nun fallen aber auch PolizistInnen nicht einfach vom Himmel: Sie leben in dieser Gesellschaft, sie müssen arbeiten, um Geld für die Miete zu haben, sie haben Bewusstsein und Gedanken.“
Die Sache mit dem Bewusstsein
„Na gut.“ Könnte man da sagen, „warum organisieren wir die dann nicht? Warum schlagen die im Zweifelsfall eher auf streikende KollegInnen ein, statt mit ihnen zu streiken?“. Weil die Polizei in einem besonderen Maße indoktriniert ist und wird und dass auf der Grundlage des gezielt in ihr verbreiteten Weltbildes „Wir gegen Kriminelle“ jede Auseinandersetzung, jeder Vorfall mit und rund um ZivilistInnen die Integration in diesen Staat bestärkt wird.
Das ist nämlich auch eine Frage davon, wie diese Gesellschaft verfasst ist: Seit geraumer Zeit stehen die Zeichen auf Aufrüstung und Kriegsgeschrei. Schon länger ist die ideologische Generaloffensive der Herrschenden („Wir brauchen Sicherheit! Wir brauchen Ordnung!“) hegemonial. Und wo das gesellschaftlich-durchschnittlich zutrifft, da trifft es in besonderem Maße auf die Exekutive dieses Staates zu. Ideologisch abgeschottet und für gute Argumente selten erreichbar, so steht die Polizei anno 2024 dar. Gleichzeitig entfernen sie sich mit jedem Übergriff auf Demonstrationen und Veranstaltungen noch ein Stückchen mehr von ihren eigenen Interessen, weil auch von der fortschrittlichen Bewegung. Erreichen oder gar organisieren werden wir PolizistInnen auf absehbare Zeit wohl nicht – das ist auch nicht schlimm, die fortschrittliche Bewegung in diesem Land hat naheliegendere Anknüpfungspunkte. Aber ganz so undurchdringbar ist die Phalanx der Ordnungsmacht dieses Staates eben auch nicht, als dass die Menschen auf alle Zeiten verloren wären.
Max, Solingen
Quelle: SDAJ