Sicherung der Rechte der Fischereibeschäftigten durch den Kampf gegen Nichteinhaltungsflaggen
Übernommen von der Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF):
Die Beseitigung der Missstände in Verbindung mit Flaggen von Staaten, die ihre internationalen Verpflichtungen nicht einhalten, steht heute im Mittelpunkt der Arbeit der ITF-Sektion Fischereiwirtschaft.
Nach der heutigen Annahme eines Entschließungsantrags durch ITF-Gewerkschaften aus der ganzen Welt auf dem ITF-Kongress in Marrakesch (Marokko) wird nun eine große Branchenkampagne gegen die von der Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF) so genannten Nichteinhaltungsflaggen („Flags of Non-Compliance“ – FONC) anlaufen.
In einer Branche, die weithin als eine der gefährlichsten und ausbeuterischsten der Welt gilt, setzen Fischereibeschäftigte in der ganzen Welt täglich ihr Leben aufs Spiel und sind mit Ausbeutung und weitreichenden, schweren Arbeitsrechtsverletzungen konfrontiert – alles nur, damit jeden Tag Meeresfrüchte auf die Teller der Menschen kommen und die Unternehmen, die an der Spitze der undurchsichtigen globalen Lieferketten der Branche stehen, enorme Profite erwirtschaften.
„In diesem Sektor ist die Ausbeutung von Beschäftigten weit verbreitet – geringe Bezahlung und gefährliche Arbeitsbedingungen sind an der Tagesordnung,“ erklärte der Regionalvorsitzende für Afrika der Sektion Barthelemy Kouassi (Côte d’Ivoire) in seiner Rede an die Konferenz.
„Für Unternehmen hat der Profit oberste Priorität, und das geht sehr oft mit schlechten Bedingungen für die Beschäftigten einher.“
„Überall auf der Welt haben Arbeitnehmer*innen in der Fischereiwirtschaft das Recht auf Vereinigungsfreiheit und auf Kollektivverträge, sie haben das Recht auf menschenwürdige Bezahlung und Beschäftigungsbedingungen. Fischereibeschäftigte haben das Recht auf einen fairen Anteil an den Gewinnen, die multinationale Unternehmen einfahren.“
Die FONC-Kampagne wird dem Beispiel der Billigflaggenkampagne folgen, die zur Verbesserung von Bezahlung und Normen in der Handelsflotte geführt hat. Eine der Kernforderungen der Sektion Fischereiwirtschaft lautet, dass Fischereibeschäftigte gleich behandelt werden wie Seeleute, sodass sie unter anderem mindestens entweder die höchste IAO-Mindestgrundheuer für Vollmatrosen oder die Mindestheuer des betreffenden Flaggenstaates erhalten.
„Die ITF-Sektion Fischereiwirtschaft ist entschlossen, ihre Vision von einer Welt zu verwirklichen, in der es Fischereibeschäftigte überall in der Hand haben, bessere Bezahlung und Beschäftigungsbedingungen durchzusetzen,“ erklärte der Vorsitzende der Sektion Fischereiwirtschaft Johnny Hansen.
„Wir wissen, dass korrekte Kollektivverträge, die das Übereinkommen 188 der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) über die Arbeit in der Fischereiwirtschaft berücksichtigen, entscheidend sind, um Fischereibeschäftigte in die Lage zu versetzen, bessere und einklagbare Beschäftigungsbedingungen durchzusetzen. Und wir werden es jetzt anpacken, Kollektivverträge auf Schiffen unter Nichteinhaltungsflaggen zu sichern und zu überwachen.“
Die Sektionskonferenz Fischereiwirtschaft verabschiedete ferner den Entschließungsantrag Nr. 42, der sich für ein menschenwürdiges, sicheres und gesundes Arbeitsumfeld im Fischereisektor einsetzt. Der Antrag unterstützt die FONC-Kampagne, die ITF-Arbeit zur Verantwortung in der Lieferkette und die Bedeutung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht (HRDD) im Sektor und fordert die Umsetzung des IAO-Übereinkommens 188 über die Arbeit in der Fischereiwirtschaft auf nationaler Ebene.
Der zweite stellvertretende Vorsitzende der Sektion Fischereiwirtschaft Angel Juan Navarro vom Sindicato de Obreros Marítimos Unidos (SOMU) brachte den Entschließungsantrag Nr. 42 ein und plädierte für seine Annahme durch die Konferenz.
„Der globale Süden wird durch die Fischereiflotten reicher Länder verwüstet,“ erklärte er.
„Die Verknappung der Fischbestände, die vor allem auf den Klimawandel, illegale, nicht angemeldete und nicht regulierte Fangtätigkeit (IUU-Fischerei) und die massive Zunahme der an asiatische und europäische Schiffe vergebenen Fanglizenzen zurückzuführen ist, hat zweifellos Arbeitsplatzverluste, wachsende Armut und Migration nach Europa und Amerika zur Folge.“
Mit ihrem weltweiten Wirkungsfeld, das große Fischereiflotten auf hoher See rund um den Globus und Schwerpunktbereiche umfasst, wie den Gewerkschaftsaufbau in Südostasien, die Organisierung von unter Zwangsarbeitsbedingungen beschäftigten Arbeitsmigrant*innen im Fischereisektor in Asien, Lateinamerika, Afrika, Großbritannien, Europa und den USA, den Kampf gegen IUU-Fischerei und die Unterbindung illegaler Fangtätigkeit vor der westafrikanischen Küste, ist die Sektion dafür aufgestellt, Maßnahmen zu organisieren und zu koordinieren, die die Arbeitsbedingungen von Fischereibeschäftigten überall in der Welt verbessern werden.
„Ob es um die gewerkschaftliche Organisierung von Beschäftigten, den Einsatz für regulatorische Änderungen in internationalen Foren oder die Beseitigung von Nichteinhaltungsflaggen geht – wir sind bereit, gemeinsam Maßnahmen zu organisieren und umzusetzen, um eine bessere Zukunft für Fischereibeschäftigte zu erreichen,“ so Hansen.
Die Konferenz wählte Kenji Takahashi von der Alljapanische Seeleutegewerkschaft (JSU) erneut zum ersten stellvertretenden Vorsitzenden.
Anmerkung
Als Nichteinhaltungsflagge (FONC) definiert die ITF eine Flagge, bei der eines dieser Kriterien erfüllt ist:
a) Der Flaggenstaat verhindert weder IUU-Fischerei noch Arbeitsrechtsverletzungen und setzt keine angemessenen Maßnahmen für die Sicherheit und das Wohlergehen von Fischereibeschäftigten um. In diesem Fall wird die Flagge als Nichteinhaltungsflagge betrachtet, unabhängig davon, wo das wirtschaftliche Eigentum an dem betreffenden Schiff angesiedelt ist.
b) Der Flaggenstaat lehnt den Schutz grundlegender Arbeits- und Menschenrechte von Fischereibeschäftigten ab oder unternimmt nichts dafür.
c) Der Flaggenstaat unternimmt nichts gegen IUU-Fischerei und setzt dadurch Beschäftigte, insbesondere Arbeitsmigrant*innen, im Fischereisektor Zwangsarbeit, Menschenhandel und Sklaverei aus.
d) Es wird festgestellt, dass das wirtschaftliche Eigentum an einem Schiff sich in einem anderen Land befindet als die Flagge, unter der das Schiff fährt.
e) Der Flaggenstaat setzt keine angemessenen Maßnahmen um bzw. durch, um die Sicherheit und das Wohlergehen der Fischereibeschäftigten an Bord zu gewährleisten.
f) Die Heuern an Bord eines Fangfahrzeugs liegen entweder unter der IAO-Mindestgrundheuer für Vollmatrosen oder unter der Mindestheuer des betreffenden Flaggenstaates.