Die ITF-„Politik von Marrakesch“ setzt Maßstäbe für die Verbesserung der Bedingungen der Beschäftigten im maritimen Sektor
Übernommen von der Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF):
Mit einer neuen Norm für die Rechte und Arbeitsbedingungen der internationalen Seeleute macht die Billigflaggenkampagne der ITF einen großen Schritt nach vorne.
Die „Politik von Marrakesch“, die heute auf der gemeinsamen Konferenz der Seeleutesektion und der Sektion Häfen der Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF) verabschiedet wurde, bildet von nun an den Rahmen für die Kampagnenarbeit der Organisation zu Billigflaggen.
Die Politik ist das Ergebnis der fünfjährigen Arbeit von Vertreter*innen der ITF-Gewerkschaften im maritimen Sektor zur Prüfung, Planung und Entwicklung einer neuen Strategie, die den Veränderungen der Realität von Seeleuten seit dem Jahr 2010, als die bisherige Politik von Mexico City auf dem 42. Kongress der ITF in Mexiko auf den Weg gebracht wurde, Rechnung trägt.
Die Politik von Marrakesch legt die Mindestbedingungen fest, die die ITF und die ihr angeschlossenen Gewerkschaften auf Billigflaggenschiffen akzeptieren werden, und berücksichtigt das neue Verständnis der wichtigen Bedeutung globaler Lieferketten, das sich aus der Covid-19-Pandemie heraus entwickelt hat, sowie die zentrale Rolle des Schifffahrtssektors und von Seeleuten bei der Bekämpfung des Klimawandels im Rahmen eines gerechten Übergangs.
Die Politik von Marrakesch wird von nun an die Grundlage für die ITF-Kollektivverträge bilden, in denen die Heuern und Beschäftigungsbedingungen der Besatzungen von Billigflaggenschiffen, gleich, welche Nationalität sie haben, festgelegt sind.
Der Vorsitzende der ITF-Seeleutesektion David Heindel, der Co-Vorsitzender des Fair-Practices-Ausschusses (FPC) der ITF ist, erklärte: „Im Schifffahrtssektor wird viel Wert auf Nachhaltigkeit gelegt, und wir begrüßen das sehr. Aber die Schifffahrt kann niemals wirklich nachhaltig sein, wenn die Arbeitsrechte der Seeleute nicht respektiert werden, ohne die der Seeverkehr und der Welthandel nicht funktionieren.
„Wie schon seit vielen Jahren wird die ITF weiter für eine bessere Zukunft für Seeleute auf Billigflaggenschiffen kämpfen, und wir werden nicht ruhen, bis wir das erreicht haben. Deshalb bin ich stolz, dass die neue Politik von Marrakesch uns den Rahmen für diese entscheidende Arbeit vorgibt.“
Die Politik hebt vor allem auch die Bedeutung der Zusammenarbeit und Solidarität zwischen Hafenbeschäftigten und Seeleuten hervor, um sicherzustellen, dass Seeleute nicht gezwungen werden, die Arbeit von Hafenbeschäftigten auszuführen, und die Hafenbeschäftigte davor geschützt werden, dass die Kompetenzen für ihre Arbeit ausgehöhlt werden. Der Vorsitzende der ITF-Seeleutesektion und Co-Vorsitzende des ITF-Fair-Practices-Ausschusses (FPC) Paddy Crumlin unterstrich die Bedeutung dieser Tatsache.
„Für Seeleute hat die Aufnahme der Hafenarbeiterklausel in die Kollektivverträge nicht nur mit dem Schutz ihrer Arbeitsplätze zu tun, sondern mit Sicherheit – sowohl für Hafenbeschäftigte als auch für Seeleute,“ erklärte er.
„Die Unternehmen sparen an der falschen Stelle, indem sie Seeleute für Lascharbeiten einsetzen und dadurch in ernste Gefahr bringen. Wir haben schon früher dagegen gekämpft, und wir werden weiter allen Reedern den Kampf ansagen, die das Leben von Seeleuten aufs Spiel setzen.“
Die Billigflaggenkampagne der ITF wird vom Fair-Practices-Ausschuss (FPC) geleitet – ein gemeinsamer Ausschuss, in dem Hafen- und Seeleutegewerkschaften vertreten sind. Die Unterstützung von der ITF angeschlossenen Hafengewerkschaften ist seit langem wichtig für die ITF-Billigflaggenkampagne, da die Hafenbeschäftigten mit ihren Solidaritätsaktionen dazu beitragen, Schifffahrtsunternehmen an den Verhandlungstisch zu bringen, um über bessere Bedingungen für Seeleute zu reden. Die Solidarität der Seeleutegewerkschaften ist gleichermaßen bedeutend, um im Rahmen der Kampagne gegen Billighäfen sicherzustellen, dass die Rechte der Hafenbeschäftigten respektiert werden.
Es sind keine abstrakten Herausforderungen, denen Seeleute und Hafenbeschäftigte gegenüberstehen: Seeleute leiden unter ständiger Übermüdung durch lange Arbeitszeiten, Lohndiebstahl, Zurücklassung in fremden Häfen und Kriminalisierung für Ereignisse, über die sie keine Kontrolle haben, und müssen Lascharbeiten ausführen, die traditionell Arbeit der Hafenbeschäftigten sind.
Hafenbeschäftigte sehen sich einem konzertierten Angriff auf ihre Kompetenzen ausgesetzt, insbesondere in Bezug auf das Laschen, und sind mit Automatisierung und Digitalisierung sowie der Bedrohung ihrer Arbeitsplätze und ihrer Sicherheit konfrontiert.
„Die Angriffe auf unsere Rechte werden nicht verschwinden – aber wir auch nicht,“ so Crumlin. „Wir sind Hafenbeschäftigte. Wir sind Seeleute. Wir halten die Welt in Bewegung, und es ist an der Zeit, dass die Unternehmen begreifen, dass sie uns nicht ausbeuten können, ohne dass das Konsequenzen hat.
„Ob es um den Kampf gegen Zurücklassung oder um die Verteidigung der Arbeitsplätze von Hafenbeschäftigten geht, wir stehen zusammen.“
Heindel erklärte: „Schifffahrts- und Hafenunternehmen, die es darauf anlegen, die Rechte von Seeleuten und Hafenbeschäftigte zu untergraben, um ihre eigenen Profite in die Höhe zu treiben, sind gewarnt: Wir werden das nicht dulden und alles Erforderliche tun, um unsere Rechte und die gerechten Heuern und Bedingungen, die wir verdienen, sicherzustellen.“
Die Politik von Marrakesch vertieft auch die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsorganisationen der ITF, besonders in Ländern des Schiffseigentums und denen, die Arbeitskräfte bereitstellen, wodurch eine geschlossenere Front im Kampf für bessere Bedingungen entsteht.
Am Ende der Konferenz sprach die ITF sechs Gewerkschaftern, die für ihre außerordentlichen Verdienste die ITF-Goldauszeichnung erhielten, ihren tiefen Dank und ihre Solidarität aus: Michailo Kirjejew, Ukrainische Gewerkschaft der Beschäftigten in der Schifffahrtswirtschaft (MTWTU), Ukraine; Johan Oyen, Norsk Sjømannsforbund, Norwegen; Remo di Fiore, Federazione Italiana Trasporti (FIT-CISL), Italien; Christy Cain, Maritime Union of Australia (MUA), Australien; sowie posthum – Severino Almeida Filho, Sindicato Nacional Dos Oficiais Da Marinha Mercante (SINDMAR), Brasilien; und Willie Adams, International Longshore and Warehouse Union (ILWU, USA).