2. Januar 2025

Jede Menge Kabale

Übernommen von Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek:

Der für seine demokratische Gesinnung bekannte Dichter Friedrich Schiller, dessen »Ode an die Freude« zusammen mit der Musik Beethovens seit Jahren als Hymne der Europäischen Union regelrecht mißbraucht wird, würde sich wahrscheinlich im Grabe umdrehen angesichts des unaufhaltsamen Abstiegs der EU. Das im Jahr 2012 ohne jeglichen ersichtlichen Grund mit dem Friedensnobelpreis bedachte Staatenbündnis entwickelt sich immer mehr zu einer Allianz der Völkerfeindschaft, der gnadenlosen Konkurrenz, der feindseligen Sanktionen, der ungehemmten Aufrüstung sowie der Unterstützung und Vorbereitung von Kriegen.

Kaum etwas anderes läßt sich aus den Berichten über die jüngste Versammlung des EU-Parlaments herauslesen, die in dieser Woche in Straßburg die Zusammensetzung der künftigen EU-Kommission bestätigt hat – mit der denkbar knappen Mehrheit von gerade einmal neun Abgeordneten, und das auch nur mit Hilfe von Tricks und Täuschungen. Gerade einmal 370 von 720 Parlamentariern stimmten für die neue »Regierung« der EU, die erforderliche einfache Mehrheit lag bei 361 Stimmen. Da jedoch 32 Volksvertreter aus diversen Gründen erst gar nicht zur Abstimmung erschienen waren und zudem auch noch 36 für »Enthaltung« votierten, konnten die konservativen Macher im EU-Parlament schließlich begeistert ihren Erfolg feiern.

Ursula von der Leyen, die sicherheitshalber nicht einmal auf den Kandidatenlisten bei der EU-Wahl aufgeführt war, wurde mit der EU-üblichen Kungelei schon zuvor als Kommissionschefin in eine zweite Amtszeit gewählt. Zusammen mit Manfred Weber aus Bayern, Chef der konservativen EVP-Fraktion, der auch die CSV angehört, hatte sie in den letzten Wochen die verschiedenen Fraktionen von der bürgerlichen Mitte bis zu den Grünen und den Rechtsradikalen so lange beschwatzt und mit unterschiedlichsten Versprechungen umgarnt, bis letztlich diese äußerst knappe Mehrheit zustande kam. Lediglich die Fraktion der »liberalen« Parteien war flexibel genug, geschlossen für den Vorschlag zu votieren, die anderen Fraktionen der sogenannten Mitte mußten etliche Abweichler in Kauf nehmen.

Doch nun ist das Werk vollbracht, und die neue Kommission mit einem Ersten Vizepräsidenten von Giorgia Melonis faschistischen Brüdern Italiens kann den bisherigen Kurs nicht nur fortsetzen, sondern sogar verschärfen. Möglich wird das auch durch die erstmalige Besetzung eines Kommissars für »Verteidigung«, der sich hauptamtlich mit Aufrüstung und Kriegsvorbereitung der EU beschäftigen darf. In ihrer ersten Ansprache legte die Kommissionschefin auch die Hauptlinien fest, in denen viel von Wirtschaft, Wettbewerb und »Sicherheit« die Rede ist, jedoch nichts darüber, was die Menschen in den EU-Ländern in erster Linie bewegt.

Zunehmende Armut, zügellos steigende Preise, massiver Abbau von Arbeitsplätzen, Kürzungen bei fast allen wichtigen sozialen Aufgaben, ein marodes Bildungswesen und ein krankes Gesundheitswesen, eine immer stärker ins Ungewisse tendierende Zukunft für die Jugend und wachsende Altersarmut – all das kommt in den Plänen und den Reden der EU-Granden nicht vor. Ebenso wenig die zunehmenden Reibereien zwischen den EU-Staaten, dafür Konfrontation gegenüber Rußland und China und verschärfte Konkurrenz mit den USA.

Mit Blick auf ein weiteres Hauptwerk des alten Schiller sollte man wohl konstatieren: Keinerlei Liebe, jedoch jede Menge Kabale.

Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek

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