20. November 2024

Mehr als neoliberal

Übernommen von Unsere Zeit:

Sie gilt als Powerfrau, das „Handelsblatt“ nannte sie „unerschöpfliche Pragmatikerin“. Seit 2020 ist Veronika Grimm Mitglied im „Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“. Kurz: Sie gilt als Wirtschaftsweise, von denen sich Deutschland fünf leistet. In der vergangenen Woche veröffentlichten die zwei Männer und inzwischen drei Frauen ihr Jahresgutachten. Da­rin beweinen sie die schlechte Lage der Wirtschaft und machen allerlei neoliberale Vorschläge. Dem Wohnungsmangel soll mit Bürokratieabbau begegnet werden. Hat nur bisher auch nicht geholfen.

Deshalb hat Powerfrau Grimm sich eigene Gedanken gemacht, die als Minderheitenmeinung im Bericht stehen. Sie tritt für eine Erhöhung des Renteneintrittsalters ein und für die Stärkung der privaten Altersvorsorge. Also die Maßnahmen, die zusammen mit dem Niedriglohnsektor zur Zunahme weiblicher Altersarmut geführt haben.

Geld brauche es für Zukunftsinvestitionen – etwa die Dekarbonisierung. Grimm ist nämlich auch für die Nutzung von Wasserstoff (Farbe egal). Im Frühjahr wurde ihr bestätigt, dass ihr Aufsichtsratsmandat bei Siemens Energy (laut Lobbycontrol mit mindestens 120.000 Euro vergütet) keinen Interessenkonflikt darstellt.

Sie möchte die staatlichen Ressourcen „stärker auf zukunftsgerichtete Aufgaben (…) konzentrieren“. Deshalb brauche es Regelungen zu Mindestausgaben für die Bereiche Bildung, Infrastruktur und Verteidigung. Mit den anderen Nicht-sehr-Weisen ist sie sich einig, dass es sinnvoll sei, „das Zwei-Prozent-Ziel in der NATO als gesetzliche Mindestquote“ zu verankern. Die Mittel müssen aus dem Haushalt kommen und könnten durch effizientere Verwendung der Ausgaben sowie eine Reform der Schuldenbremse erwirtschaftet werden.

Auch hier wächst Grimm über den Neoliberalismus hinaus: „Nur wenn der Anstieg der Sozialausgaben gedämpft wird, kann erreicht werden, dass Mindestquoten (etwa für Bildungs- oder Verteidigungsausgaben) auch langfristig eingehalten werden können.“

Quelle: Unsere Zeit

UZ - Unsere Zeit