9. November 2024

Verhaftungen von Antifas: Staatliche Verfolgungswut geht unvermindert weiter

Übernommen von Rote Hilfe:

Mit immer neuen Verhaftungen gehen die Repressionsorgane gegen Antifaschist*innen vor, die in Thüringen und Sachsen gegen Nazis aktiv waren: Bereits am 22. Oktober 2024 war Thomas in Untersuchungshaft genommen worden, und am heutigen 8. November nahmen Einsatzkräfte Johann fest. Die Verhaftungen reihen sich ein in einen staatlichen Frontalangriff gegen die antifaschistische Bewegung.

Beide Aktivisten werden im Antifa-Ost-Komplex beschuldigt, sich an körperlichen Auseinandersetzungen mit Nazis beteiligt zu haben. Während es im Kern um den Vorwurf mehrerer Körperverletzungen geht, nutzen die Behörden die militanten Aktionen zum Vorwand für eine Großoffensive gegen antifaschistische Strukturen. So haben die Ermittler*innen eine „kriminelle Vereinigung“ nach § 129 StGB konstruiert, um nicht nur die Beschuldigten, sondern auch ihr gesamtes Umfeld durchleuchten und kriminalisieren zu können. Seit Jahren sind linke Zusammenhänge in Thüringen und Sachsen deshalb einer Vielzahl von flächendeckenden Repressions- und Überwachungsmaßnahmen ausgesetzt, die selbst vor den Familien der Beschuldigten nicht Halt machen. Auch die heutige Verhaftung von Johann kam laut Medienberichten durch die Langzeitobservation einer als „Kontaktperson“ eingestuften Aktivistin zustande.

Durch das Konstrukt der „kriminellen Vereinigung“ lassen sich die drohenden Strafen massiv erhöhen: Im ersten Prozess im Antifa-Ost-Komplex verhängte das Oberlandesgericht Dresden am 31. Mai 2023 Haftstrafen von bis zu fünf Jahren und drei Monaten gegen Lina und drei Mitangeklagte. Der massive Verfolgungsdruck zwang mehrere Beschuldigte dazu, unterzutauchen, um der staatlichen Verfolgung zu entgehen — darunter auch die beiden jetzt verhafteten Aktivisten.

Zusätzlich zu den Vorwürfen im Antifa-Ost-Komplex beschuldigen die Behörden Johann, an den antifaschistischen Protesten im Februar 2023 in Budapest teilgenommen zu haben. Am Rand des NS-glorifizierenden Großereignisses „Tag der Ehre“ waren mehrere Nazis bei körperlichen Auseinandersetzungen verletzt worden.

Seither hat Ungarn eine internationale Hetzjagd gegen die im Budapest-Komplex verfolgten Antifaschist*innen ausgerufen, der die deutschen Repressionsorgane bereitwillig Folge leisten: Während andere Staaten wie Italien sich weigern, die eigenen Staatsbürger*innen an das rechte Orbán-Regime auszuliefern, wo sie menschenunwürdige Haftbedingungen und ein Prozess ohne rechtsstaatliche Minimalstandards erwarten, hat die Bundesrepublik diesbezüglich offenbar wenig Hemmungen. Am 28. Juni 2024 wurde mit Maja eine im Budapest-Komplex beschuldigte Person unter klar rechtswidrigen Umständen ausgeliefert, obwohl die Situation für nicht-binäre Menschen im offen queerfeindlichen Ungarn lebensbedrohlich ist.

Im Mai 2024 wurde zudem die Nürnbergerin Hanna verhaftet, der ebenfalls die Beteiligung an den antifaschistischen Protesten in Ungarn vorgeworfen wird. Weitere Beschuldigte sind seit Februar 2023 untergetaucht, um der Auslieferung zu entgehen, während in Budapest bereits mehrere Antifaschist*innen vor Gericht standen. In den Prozessen drohen den Angeklagten über 20 Jahre Haft.

„Die beiden jüngsten Verhaftungen machen die vollkommene Hemmungslosigkeit der staatlichen Hatz auf Antifaschist*innen deutlich: Während die rechte Bedrohung mit Händen greifbar ist und Nazi-Angriffe auf marginalisierte Gruppen in vielen Städten zum erschreckenden Alltag gehören, verfolgen die Repressionsorgane Aktivist*innen, die sich eben solchen faschistischen Strukturen klar entgegenstellen“, erklärt Anja Sommerfeld vom Bundesvorstand der Roten Hilfe e. V. „Dass Staat und Medien im Fall von Johann nicht einmal davor zurückschrecken, den vollen Namen, Fotos und Angaben zu seinem privaten Umfeld zu veröffentlichen, zeigt einmal mehr, dass Antifaschist*innen in diesem Land für vogelfrei erklärt werden.“ Abschließend sagt Sommerfeld: „Wir stehen an der Seite der von Repression betroffenen und vor allem der verhafteten Antifaschist*innen. Wir fordern ihre umgehende Freilassung!“

Quelle: Rote Hilfe

Rote Hilfe