Vor 80 Jahren – Morde in der Agonie des Nazismus
Seit November 1944 reagierte das faschistische Regime in den okkupierten Gebiete, aber auch im Deutschen Reich selber mit einer zunehmenden Brutalisierung. Sichtbarer Ausdruck war eine Anweisung von Karl Hermann Frank, SS-Obergruppenführer und Reichsprotektor in Böhmen und Mähren, zum Terror gegen den politischen Widerstand. In einem Befehl an die örtlichen Behörden ordnete er öffentliche Hinrichtungen von Partisanen zur Abschreckung an. Für die nazistische Gewaltherrschaft waren die nationalen Freiheitskämpfer nur „Banditen“ und daher hieß es in der Anordnung wörtlich:
„Als Abschreckungsmittel für die Banditen im Grenzgebiet sind ab sofort eine größere Anzahl im Grenzgebiet erfasster Banditen sowie Unterstützer von solchen oder Arbeitsvertragsbrüchige, bei denen anzunehmen ist, dass sie sich den Banditen anschließen wollen, kurzerhand einer Sonderbehandlung zuzuführen und in Orten oder in der Umgebung von Orten, in denen Banditenüberfälle vorkommen, öffentlich aufzuhängen. Die Exekutierten bleiben 48 Stunden am Galgen zur Schau gestellt und sind jeweils von einem entsprechenden Aufgebot von tschechischer Gendarmerie zu bewachen, um auf alle Fälle ein Abschneiden zu verhindern.
Die Genehmigung zur Sonderbehandlung ist kurzerhand telefonisch bei mir persönlich einzuholen. Die Dienststellen im Grenzgebiet sind ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass in den nächsten Tagen eine größere Anzahl derart Exekutierter politisch erwünscht ist und aus diesem Grunde eine Abgabe an die Gerichte zu unterbleiben hat.“
Öffentliche Hinrichtungen gab es in dieser Zeit auch in den Niederlanden, als z.B. im Gebiet Leeuwarden eine Widerstandsgruppe in Menaldumadeel eine kleine Sabotageaktion organisierte. Am 19. November 1944 erschossen Angehörige der Sicherheitspolizei und des „SD“ auf dem Rijksstraatweg drei Männer. Es galt als Vergeltung für den Sabotageakt, der zwei Tage zuvor stattgefunden hat: das Verstreuen von Nägeln auf der Straße. Damit sollten deutsche Fahrradpatrouillen auf der Suche nach Untergetauchten (jüdische Verfolgte) behindert werden. Mit aller Brutalität gingen die deutschen Besatzer gegen solchen Widerstand vor. Drei Männer aus der Haftanstalt Leeuwarden, die nichts mit der Aktion zu tun hatten, wurden Opfer der Rache. Es waren Dirk de Vries und Jan Zorn, die wegen ihrer Teilnahme an einem Bahnstreik verhaftet worden waren, und Hans Goudsmit, ein jüdischer Versteckter, der entdeckt worden war. Ein SS-Untersturmführer leitet die öffentliche Erschießung. Auf seinen Befehl hin mussten die Leichen 24 Stunden lang liegenbleiben. Zur Abschreckung.
Auch gegen deutsche Antifaschisten verstärkte sich der Terror. Das bekannteste Beispiel aus dem November 1944 ist die öffentliche Hinrichtung von dreizehn Personen in Köln. Tage zuvor waren bereits zehn ausländische Zwangsarbeiter, die von ihren Arbeitsstellen geflohen waren, hingerichtet worden. Am 10. November 1944 wurden Mitglieder der so genannten „Edelweiß-Piraten“ in der Hüttenstraße in Köln-Ehrenfeld öffentlich hingerichtet. Ihnen wurde „Wehrkraftzersetzung“ und versuchter Sprengstoffdiebstahl zur Last gelegt. Statt jedoch ein Gerichtsverfahren abzuwarten, erfolgte die Hinrichtung allein auf Befehl der Gestapo – ohne Gerichtsurteil. Zu den Erhängten gehören auch fünf Jugendliche Bartholomäus Schink, Franz Rheinberger, Gustav Bermel, Adolf Schütz und Günther Schwarz. Mehr als 400 Schaulustige beobachteten die Hinrichtung.
Die Familie von Bartholomäus Schink beantragte 1952 dessen Anerkennung als politisch Verfolgter des Naziregimes. Statt jedoch die Widerstandstätigkeit zu würdigen, lehnten die Behörden eine Anerkennung ab, was in einem mehrjährigen Rechtsstreit 1958 mit der gerichtlichen Zurückweisung des Antrags bestätigt wurde. Die bundesdeutschen Behörden folgten der Gestapo-Argumentation. 1972 errichteten Antifaschisten erstmals eine Gedenktafel für die am 10. November 1944 Gehenkten, die vom Jugendring Köln finanziert wurde. Um sie entwickelte sich in den nächsten Jahren eine politische Auseinandersetzung. Tatsächlich ließ die Stadt Köln diese Tafel nach wenigen Jahren wieder entfernen. Erst Mitte der 1980er Jahren wurden die Kölner „Edelweiß-Piraten“ als Widerstandskämpfer anerkannt.