21. November 2024

Wie sagen wir’s Selenski?

Übernommen von Unsere Zeit:

Zum achten Mal seit Februar 2022 fuhr Außenministerin Annalena „Russland ruinieren“ Baer­bock am Montag dieser Woche nach Kiew. Die „Süddeutsche Zeitung“ titelte ihren Reisebericht mit: „Besuch in höchster Not“. Die Lage für Präsident Wladimir Selenski sei „selten so schwierig wie jetzt gewesen“. Das gilt vor allem militärisch. So hatte der Oberkommandierende der Kiewer Truppen, Alexander Sirskij, am vergangenen Samstag auf Telegram die russische Offensive im Donbass als eine der schwerstwiegenden seit Beginn der Kampfhandlungen bezeichnet. Die Armee halte dem stand, aber die Lage an der Front bleibe schwierig. Die Situation erfordere ein ständiges Auffüllen der Verbände. Die „Aktion Heldenklau“ bringt offenbar nicht genug Kanonenfutter.

Bereits am 29. Oktober hatte ein Kiewer General erklärt, die Front sei „zusammengebrochen“, der Grund seien „Koordinationsmängel“. Das bedeutet: Ganze Einheiten verlassen die Front und lösen sich auf. Am vergangenen Freitag berichtete die „New York Times“ entsprechend über „Russlands schnellen Vormarsch in der Ostukraine“. Im Oktober hätten die russischen Streitkräfte die größten Gebietsgewinne seit dem Sommer 2022 erzielt, insgesamt mehr als 400 Quadratkilometer. Sie hätten die Kontrolle über strategische Städte übernommen, beginnend mit Wugledar Anfang Oktober. In der vergangenen Woche habe in Selidowe ein Kampf getobt, der nun verloren zu sein scheine. Das sei eine „bemerkenswerte Veränderung im Vergleich zur Situation vor einem Jahr“, als die Fronten weitgehend statisch geblieben waren.

Den Reaktionen Selenskis und seiner westlichen Sponsoren ist nicht zu entnehmen, dass sie diese Lage zur Kenntnis nehmen. Der Kiewer Regimechef, der jüngst mal wieder von eigenen Atomwaffen schwadronierte, bestätigte am 30. Oktober in Reykjavik, dass er im geheimen Teil seines sogenannten Siegesplans „Tomahawk“-Marschflugkörper aus den USA verlangt. Das hatte die „New York Times“ enthüllt.

Selenski beschwerte sich über den Vertrauensbruch: „Das heißt also, dass es zwischen Partnern keine vertraulichen Informationen gibt.“ Eine gewisse Kompensation für die Enttäuschung erhielt er aber durch Berichte über angeblich tausende Soldaten aus der DVR Korea auf russischer Seite im Gebiet Kursk. Am Montag Abend bezifferte er in seiner täglichen Videobotschaft deren Zahl auf 11.000 und erklärte: „Wir sehen eine Zunahme der Nordkoreaner, aber wir sehen keine Zunahme der Reaktion unserer Partner. Leider.“ Die von ihm am 6. August eröffnete Offensive in Kursk sei dennoch ein Erfolg. Selbst DPA schrieb dazu: „Beobachtern zufolge erleidet die ukrainische Armee in dem Operationsgebiet auf russischem Territorium immer stärkere Verluste an Menschen und Material.“ Am Dienstag dieser Woche teilte das russische Verteidigungsministerium zudem mit, ein vorrangiges Ziel der Kiewer Truppen beim Vorstoß sei die Besetzung des Atomkraftwerkes Kursk gewesen. Nach dem Scheitern dort hätten sie erneut versucht, das AKW Saporoschje zu erobern – auch das sei verhindert worden.

Der Westen unterbindet zwar Wahnsinn dieser Art nicht, bereitet aber offenbar ohne Selenski das Ende des Krieges vor. Ein starkes Indiz dafür lieferte Ex-NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Montag in der „Financial Times“. Er sagte dem Blatt: „Wir müssen die Bedingungen schaffen, die es der Ukraine ermöglichen, sich mit den Russen zusammenzusetzen und etwas zu erreichen, das akzeptabel ist.“ Der Norweger zog einen Vergleich, der in der Selenski-Clique für Unruhe sorgen dürfte: „Finnland hat 1939 einen tapferen Krieg gegen die So­wjet­union geführt. Es hat der Roten Armee viel höhere Kosten auferlegt als erwartet. Der Krieg endete damit, dass es zehn Prozent des Territoriums aufgeben musste. Aber es bekam eine sichere Grenze.“ Im Klartext: Keine NATO-Mitgliedschaft für Kiew. Bleibt die Frage, wie die westlichen Strategen das Selenski schmackhaft machen wollen. Gemessen an den Ergebnissen der Baer­bock-Reise vorerst mit Treueschwüren und weiteren Millionensummen.

Quelle: Unsere Zeit

UZ - Unsere Zeit