2. Januar 2025

»Am siebenten Tage sollst du ruhen«

Übernommen von Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek:

Wenn man sich die entsetzten Reaktionen der Salariatsvertreter auf die am vergangenen Mittwoch vom Regierungsrat abgenickten Pläne von Mittelstandsminister Lex Delles zur weitgehenden Freigabe der Ladenöffnungszeiten ansieht und anhört, dann ahnt man zumindest, warum Karl Marx den immerwährenden Kampf um die Arbeitszeiten im »Kapital« einen »langwierigen, mehr oder minder versteckten Bürgerkrieg zwischen der Kapitalistenklasse und der Arbeiterklasse« nennt.

Dabei hat gerade in christlich geprägten Ländern wie dem »Marienland« das Gebot der Sonntagsruhe eine lange Tradition. Schon in vorchristlicher Zeit erließ der römische Kaiser Konstantin der Große am 3. März 321 u. Z. ein Edikt für das Imperium Romanum: »Alle Richter und Einwohner der Städte, auch die Arbeiter aller Künste, sollen am ehrwürdigen Tag der Sonne ruhen.« So stellte der Kaiser einerseits die Anhänger des Apollon zufrieden, und andererseits verstanden auch die christlichen Gemeinden jener Zeit das Edikt als Anerkennung ihres Glaubens und der Schöpfungsgeschichte ihrer Bibel, wonach auf eine Zeit der Arbeit eine Zeit der Erholung folgen müsse: »Sechs Tage sollst du deine Arbeit tun; aber am siebenten Tage sollst du ruhen.«

Doch umkämpft war der freie Sonntag schon immer. 1888, zwei Jahrzehnte nach Erscheinen des ersten »Kapital«-Bandes, als der arbeitsfreie Samstag in Europa noch in weiter Ferne lag, konstatierte der revolutionäre Sozialdemokrat August Bebel für das deutsche Kaiserreich: »Die zunehmende Verschärfung des Konkurrenzkampfes der Unternehmerklasse unter sich, und namentlich seitdem die deutsche Industrie in erheblichem und stets wachsendem Umfange für den Export produziert, läßt einer großen Zahl von Unternehmern die Ausdehnung der Arbeitszeit auf die Nächte und die Sonn- und Festtage als das geeignetste Mittel erscheinen, den Konkurrenzkampf um so leichter zu bestehen.«

Schon daran, daß sich Bebels Feststellung über die Angriffe auf den arbeitsfreien Sonntag auch auf das heutige Luxemburg beziehen könnte, sieht man, daß die Gewerkschaften bei den Arbeitszeiten schon seit vielen Jahrzehnten in der Defensive sind. Obwohl die Fünf-Tage-Woche, also der arbeitsfreie Samstag, nach langen Kämpfen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auch hierzulande zur Regel wurde, mußten laut dem aktuellen Sozialpanorama der Chambre des salariés im Jahr 2021 13 Prozent der Lohnabhängigen ständig auch am Wochenende arbeiten. Und zwar nicht nur in lebensnotwendigen Bereichen wie Krankenhäusern, beim CGDIS oder auch der Polizei sowie in gesellschaftlich wichtigen Kultur- und anderen Freizeiteinrichtungen. Sonntagsarbeit ist mittlerweile auch in vielen Industriebetrieben wieder Normalität, weil, so behauptet es das Patronat, der Weltmarkt dies erfordere.

Da längere Öffnungszeiten allerdings nicht die Massenkaufkraft erhöhen können, profitieren davon vor allem die großen Konzerne, und nicht die kleinen Läden. Wenn Mittelstandsminister Delles also dem Verdrängungswettbewerb in den Geschäftsstraßen des Landes entgegenwirken und gleichzeitig den Fachkräftemangel im Handel reduzieren will, dann sollte er sich besser für einen für den gesamten Sektor gültigen Handelskollektivvertrag einsetzen, in dem natürlich auch die Öffnungszeiten für alle Akteure verbindlich geregelt sind.

Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek

ZLV