»Bis zum Generalstreik, wenn es sein muss«
Übernommen von Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek:
Die Protestkundgebung, welche die Gewerkschaften OGBL und LCGB am Dienstag am frühen Abend in Dommeldingen veranstalteten, war ein voller Erfolg. Der große Saal im Parc Hotel Alvis, in dem 760 Stühle aufgestellt waren, war bis auf den letzten Platz gefüllt, als die Generalsekretärin des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB), Tea Jarc, die Saalmanifestation eröffnete.
Sie bekräftigte, dass der EGB den Versuch des Luxemburger Arbeitsministers, gegen EU-Recht zu verstoßen, indem er die Direktive über die Kollektivverträge nicht achten will, verurteilt und solidarisch mit dem OGBL und dem LCGB ist. In diesem Sinne unterstützte der Europäische Gewerkschaftsbund auch den gemeinsamen Brief von OGBL und LCGB an die EU-Kommission, mit dem diese aufgefordert wurde, sicherzustellen, dass die Luxemburger Regierung die Direktive über die Kollektivverträge respektiert.
Gegenwärtig gibt es bekanntlich in knapp mehr als der Hälfte aller Betriebe in Luxemburg Kollektivverträge, während die EU-Direkte vorschreibt, diesen Anteil auf 80 Prozent anzuheben.
Die Präsidentin des OGBL, Nora Back, bezeichnete die Protestaktion gleich zu Beginn ihrer Ansprache als Warnung an die Regierung. Die Gewerkschaftsfront von OGBL und LCGB sei bereit, die gewerkschaftlichen Rechte, die von Generationen von Gewerkschaftern erkämpft und abgesichert wurden, mit aller Konsequenz und allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln zu verteidigen.
Die Regierung habe die Absicht, die gewerkschaftlichen Rechte bei der Aushandlung und der Unterzeichnung von Kollektivverträgen zu untergraben, statt eine Reform des Gesetzes vorzunehmen und die Gewerkschaftsrechte zu stärken. Denn Kollektivverträge seien das beste Mittel, Lohndumping und prekäre Arbeitsbedingungen zu verhindern.
Es gehe aber auch um den Versuch der Regierung und ihrer Zuflüsterer aus den Reihen des Patronats, die Sonntagsarbeit im Einzelhandel auf den ganzen Tag auszudehnen, die Arbeitszeiten zu Lasten der Lohnabhängigen weiter zu deregulieren, die kranken Lohnabhängigen zu jagen, die 200.000 Grenzgänger zu benachteiligten, eine Wohnungsbaupolitik einzig und allein im Interesse der großen Bauunternehmer zu betreiben und das öffentliche Rentensystem langfristig zu unterminieren.
Die Präsidentin des OGBL warf der Regierung vor, viel von Respekt und Sozialdialog zu sprechen, die aber nicht zu praktizieren, sondern zu versuchen, die Gewerkschaften aus offiziellen Gremien hinauszudrängen.
Am Ende ihrer Ansprache ließ die OGBL-Präsidentin keine Zweifel über die Entschlossenheit der Gewerkschaften aufkommen, die gewerkschaftlichen Rechte und die sozialen Errungenschaften zu verteidigen: »Wir sind bereit weit zu gehen, wenn es sein muss, bis zum Generalstreik«, so Nora Back unter dem tosenden Applaus der fast 800 Gewerkschaftsmilitanten.
»Regierung und Patronat stecken unter einer Decke«
Diesem Bekenntnis schloss sich LCGB-Präsident Patrick Dury in der nachfolgenden Ansprache an. Er setzte sich heftig mit dem antigewerkschaftlichen »Kreuzzug« von CSV-Arbeitsminister Georges Mischo auseinander und warf dem Minister vor, sich auf dem Holzweg zu befinden und »auf eine zynische und perverse Art und Weise« sich die Theorien des Patronats zu eigen gemacht zu haben, die zurück ins 18. Jahrhundert führen würden. »Regierung und Patronat stecken unter einer Decke«, stellte er fest.
Der Gewerkschaftspräsident setzte sich aber auch mit den »demokratischen« Verhältnissen hierzulande auseinander und verwies darauf, dass 35 Abgeordnete (der Regierungsparteien) nicht einmal 60 Prozent eines Drittels der Landeseinwohner vertreten. Auch die 10.000 Mitglieder, welche die größte Regierungspartei aufführt, seien doch eher bescheiden im Vergleich zu den 125.000 Mitgliedern von OGBL und LCGB.
Er fasste noch einmal die Forderungen der Gewerkschaften im Kollektivvertragsbereich zusammen: Das Verhandlungsrecht und das Unterschriftsrecht muss bei den national repräsentativen Gewerkschaften bleiben, Kollektivverträge dürfen nicht in ihrem Inhalt beschnitten werden, eine echte Reform des Kollektivvertragsrechts sei notwendig, um die Rolle der Gewerkschaften zu stärken, erstens durch eine Verhandlungspflicht des Patronats bei sektoriellen Kollektivverträgen, zweitens durch die Bindung von staatlichen Subventionen und budgetären Hilfen für Betriebe an die Existenz eines Kollektivvertrags und drittens durch eine Vereinfachung der Streikprozedur, so dass auch Warnstreiks möglich werden.
Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek