22. Dezember 2024

Der Wahlkampf ist eröffnet

Übernommen von Yeni Hayat / Neues Leben:

„Winterwahlkampf“ vermittelt vielleicht auf den ersten Blick eine beschauliche und entschleunigte Zeit, doch lassen wir uns vom Wort „Winter“ nicht täuschen, „Kampf“ ist es, was uns erwartet. Die vorgezogenen Bundestagswahlen am 23. Februar 2025 sorgen vor allem bei den Parteien, die händeringend um jede Stimme kämpfen müssen, für erhitzte Gemüter.

Alev Bahadır

„Wir kämpfen für Deutschland“ – unter diesem Bild fährt die SPD ihre Kampagne zur Bundestagswahl. Abgebildet sind unterschiedliche Parteipolitiker vor einer Deutschlandfahne und abgewandelten Versionen des Slogans, so etwa „Wir kämpfen für deine Gesundheit“ unter einem Bild von Gesundheitsminister Karl Lauterbach oder „Wir kämpfen für deine Freiheit“, abgebildet ist Innenministerin Nancy Faeser. Die schwarz-rot-gelb Rhetorik passt besonders zu einem Plakat: „Wir kämpfen für deine Sicherheit“. Zu sehen ist Boris Pistorius in Armeetarnkleidung. Die Kampagne sorgte nicht nur für Empörung bei den Jusos, sondern läutet eine neue Etappe des Wahlkampfes ein.

„Stärke“ gegen Umfragentief

Die Parteien, die bis vor kurzem noch in der Ampelregierung waren, bangen allesamt um ihren Stellenwert im Parlament. Die FDP hangelt von einem Skandal zum nächsten. Erst vor kurzem ist die Eskalationspyramide, mit der sie den Zusammenbruch der Regierung herbeiführen wollte, veröffentlicht worden. Generalsekretär Bijan Djir-Sarai und Bundesgeschäftsführer Carsten Reymann erklärten ihren Rücktritt, nachdem sie zuvor behauptet hatten, dass so ein Papier nicht existiere. Die Schlagworte im Wahlkampf, wenn diese neben dem ganzen Wirbel und die Personalfragen innerhalb der „Liberalen“ überhaupt mal Thema sind, sind die gleichen, wie in den Jahren zuvor: „Mehr Freiheit und Eigenverantwortung in der Gesellschaft sowie eine Wirtschaft, die durch Entlastung und Innovation zurück auf Erfolgskurs kommt“, so heißt es auf der Homepage.

Die Grünen setzen ausgerechnet auf Robert Habeck. Neben der Hervorhebung seiner Person, versucht sich der Koalitionspartner wieder einen fortschrittlichen Anstrich zu geben. Frauenrechte, die Gewinnung von (jungen) Mitgliedern, soziale Sicherheit und selbstverständlich die Klimakrise, all das seien ihre Themen. Inwiefern die Parteien sich dieser Probleme tatsächlich angenommen haben, haben wir bereits in der letzten Ausgabe von Neues Leben (361) erörtert.

Die SPD versucht einen Kurs dazwischen zu fahren. Während sie einerseits soziale Themen, die sie in ihrer Zeit als regierende Partei nicht umgesetzt hat – wie die Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro – auf ihre Fahne schreibt oder aussichtlose Unterfangen, wie das Tariftreuegesetz hervorhebt, versucht sie auch eine andere Zielgruppe zu bedienen: Mit Deutschlandfahne und einem Selbstbewusstsein, von dem sich keiner erklären kann, wo es herkommt, versuchen Olaf Scholz und co. diejenigen anzusprechen, die sich eher von der Union, der AfD oder dem BSW angesprochen fühlen. Unerwartet reiste der Bundeskanzler nun auch in die Ukraine und versprach dort erneute Waffenlieferungen im Wert von 650 Mio. Euro. Neben der Tatsache, dass die SPD mit „Stärke“ versucht, Stimmen zu gewinnen, sendet sie auch ein Signal an die CDU und an die Konzerne, dass sie die Interessen der deutschen Unternehmen weiterhin vertreten wird, womöglich auch in einer Großen Koalition.

All diese Maßnahmen scheinen allerdings wenig zu bringen. In Umfragen befinden sich die Ampelparteien trotz leichtem Anstieg der Zustimmungswerte von Scholz auf Rekordtiefs. Während die FDP mit 4-5 % um ihren Einzug ins Parlament bangen muss, halten sich die Grünen mit Müh und Not auf 13 %. Die SPD, die bei der Bundestagswahl 2021 noch mit 25,7 % stärkste Kraft wurde, liegt nun bei 15 %. Die Wähler haben kein Interesse auf ein „Weiter-So“, das die Ampelparteien mit den ewig gleichen Gesichtern fordern. Der Sozialabbau, die Preissteigerungen bei gleich bleibenden Löhnen und die Kriege schüren Zukunftsängste, die aggressive, rechte und populistische Parteien ausnutzen. Und auch die Banken und Konzerne suchen eine konfrontativere Politik, die ihre Interessen in Zeiten von wirtschaftlicher Stagnation voranbringen.

Opposition „für Deutschland“

Bereits seit längerem wird der Nationalismus vorangetrieben. Sei es durch die immer hetzerische Politik gegen Geflüchtete oder durch den Mythos von „Standortsicherung“. Wenn die Konzerne Verluste in ihrer Gewinnmarge machen, spüren wir es als erste. VW und die vielen Automobilzulieferer, die momentan zu tausenden Menschen entlassen und Werke schließen wollen, sind nur ein Beispiel dafür. So zu tun, als würde es reichen, wenn wir nur genug Abstriche in unseren Arbeitskämpfen und unserer sozialen Lage machen und die „Fremden“ draußen lassen, ignoriert die Tatsache, dass die Unternehmen, um in Kapitalismus zu überleben, immer mehr Profit auf unserem Rücken erwirtschaften müssen und sich der Profit nunmal vermehrt, wenn man günstiger produziert. Deshalb werden auch als erstes die Löhne gekürzt und Menschen entlassen, wenn es mal nicht passt. Die Füße still zu halten oder gegen “die Unteren” zu treten, hat noch nie die Situation der Werktätigen verbessert, sondern nur Kämpfe für die eigenen Rechte. Doch die Erzählungen der Parteien, allen voran von Union und AfD, von einem „starken“ Deutschland, “von dem wir alle profitieren”, werden ausgepackt, wenn es in das Programm passt. Deshalb werden wir in diesem Wahlkampf sicherlich noch viele Deutschlandfahnen sehen und viel von „Sicherheit“ und „Wohlstand“ hören. Weder geht es hier aber um unsere (soziale) Sicherheit, noch um unseren Wohlstand.

Quelle: Yeni Hayat / Neues Leben

Bundestagswahl 2025Yeni Hayat