28. Dezember 2024

„Ein souveränes Land geworden“

Übernommen von Unsere Zeit:

Die jährliche große Pressekonferenz des russischen Präsidenten ist ein Mega-Ereignis. Sie ist keine Pressekonferenz im eigentlichen Sinne, sondern eine große Diskussion und Aussprache der Bevölkerung Russlands mit seiner Führung. Jeder Bürger, auch internationale Pressevertreter, konnten ihre Fragen für das Event am 19. Dezember einreichen, und, wenn sie Zugang zum Konferenzraum gefunden hatten, auch direkt stellen. Etwa 2,4 Millionen dieser Fragen hatte es gegeben. Sie waren mithilfe von KI-gestützter Software thematisch gebündelt und für die Veranstaltung handhabbar gemacht worden. Schon die große Zahl der Fragen signalisiert die hohe Bedeutung, welche diesem Ereignis von Seiten der russischen Bevölkerung und der internationalen Medien beigemessen wird. Wobei die westliche Medienmaschine selbstredend bemüht war, das Weltübel Putin so schlecht wie möglich aussehen zu lassen.

Der wiederum erschien entspannt, selbstsicher und gut gelaunt. Wladimir Putin absolvierte die von Pressesprecher Peskow geleitete und von der Moderatorin Alexandra Suvorova und vom Frontberichterstatter Dmitry Kulko moderierte Viereinhalb-Stunden-Veranstaltung wie üblich weitgehend „freihändig“, und war mit zahllosen Statistiken bestens präpariert. Das ist bei der Größe und Vielfalt des Landes und der angerissenen außen- und innenpolitischen, ökonomischen und sozialen Themen eine weithin bewunderte Leistung. Der russische Präsident stellt hier so etwas wie die benevolente letzte Instanz der Gesellschaft dar, an die man sich mit seinem Anliegen wenden kann, wenn nichts mehr hilft.

Man hat den Eindruck, je sicherer sich die russische Führung fühlt, umso mehr ist sie bereit, auch kritischen Fragen und Themen öffentlich Raum zu geben und Probleme und Misserfolge offen zuzugeben. Das Thema der Pressekonferenz, „Die Ergebnisse des Jahres“, deutet schon an, dass es sich hierbei nicht nur um positive Ergebnisse handeln kann. Wer die internationalen Ereignisse in den letzten Wochen und Monaten verfolgt hat, kann sich dieser Deutung kaum verschließen.

Natürlich ist es unmöglich, die Vielfalt der angesprochenen Themen, die von der Explosion der Eier-Preise über die vielfältigsten Probleme des täglichen Lebens bis zu komplizierten geopolitischen Fragen reichten, in diesen wenigen Zeilen adäquat darzustellen. Wichtig war dem russischen Präsidenten vor allem die Wirtschaft des Landes: „Die Ökonomie ist alles.“ Nach Kaufkraftparität (PPP) gerechnet, liege Russland nunmehr hinter China, den USA und Indien an vierter Stelle und erreiche trotz der Sanktionen ein Wachstum von rund vier Prozent. Was deutlich höher liegt als das des sanktionsversessenen „Werte-Westens“, insbesondere als das der Bundesrepublik. Zwar gebe es Probleme mit der Inflation von über 9 Prozent, doch für die Mehrheit der Bevölkerung habe sich die ökonomische Lage eher gebessert.

Russland wird bald sein drittes Jahr der militärischen Spezialoperation (SMO) hinter sich gelassen haben. Neben verschiedenen Problemen der kämpfenden Truppe und den deutlichen Fortschritten an der Frontlinie brachte Putin auch die Spezifika der neuen Oreshnik-Rakete zur Sprache. Den von westlichen Medien verbreiteten Narrativ, Oreshnik sei kein „Game-Changer“, man könne die Rakete leicht in der Startphase abschießen, konterte er mit dem Angebot eines „Duells des 21. Jahrhunderts“. Dabei solle Oreshnik auf ein Ziel in Kiew programmiert werden und die USA respektive die NATO solle versuchen, mit allem, was sie so an Luftabwehrkräften mobilisieren könne, die Rakete abzuschießen. Dann werde man ja sehen, was passiere. Putin gab im Nachhinein jenen Recht, welche den Start der SMO am 24. Februar 2022 als verspätet bewerten: „Die Entscheidung, die zu Beginn von 2022 getroffen wurde, hätte eher getroffen werden müssen.“ Klar wurde allerdings auch, dass man sich durch ukrainisch verkleidete westliche Provokationen wie den Terrorangriff auf zivile Ziele in Kasan nicht von seinem Kurs abbringen lassen will. Zwar sei man zu Gesprächen mit Donald Trump bereit, so lange aber die zentralen Ziele der SMO dort nicht erreichbar seien, werde die Entscheidung auf dem Schlachtfeld gesucht.

Der NBC-Vertreter Keir Simmons wiederholte das übliche westliche Narrativ, wonach der russische Präsident geschwächt in ein Treffen mit Donald Trump gehe und fragte, was er ihm denn anbieten wolle. Das gab Putin die Gelegenheit, die Stärken der russischen Gesellschaft und seiner Streitkräfte sowie die russische Rolle im Syrien-Konflikt noch einmal hervorzuheben: „Sie und die Leute, die ihr Gehalt zahlen, möchten uns schwach sehen.“ Aber, und da zitierte Putin Mark Twain: „Die Berichte über meinen Tod sind doch stark übertrieben.“ Russland sei „ein wirklich souveränes Land geworden“.

In 2025 „feiern Russen und Chinesen gemeinsam den 80. Jahrestag des Sieges im Zweiten Weltkrieg und den 80. Jahrestag der Gründung der Vereinten Nationen“, daran erinnerte der Xinhua-Korrespondent Huang He. Putin hob das enorm gewachsene russisch-chinesische Handelsvolumen hervor, das aktuell bei rund 240 Milliarden US-Dollar liege, 600 Joint-Venture-Projekte sowie den Kultur- und Jugendaustausch. Er erinnerte aber auch an die entsetzlichen Verluste im Zweiten Weltkrieg, an die 27 Millionen Todesopfer, die die Sowjetunion, und die über 30 Millionen Todesopfer, die das Chinesische Volk 1945 zu beklagen hatten. Mittlerweile ist es üblich geworden, dass sich die Vertreter der westlichen Opfer- mit den Vertretern der Täterstaaten zu Gedenkveranstaltungen treffen, die Hauptopferstaaten aber ausgegrenzt werden. Auch das ist ein Produkt des zweiten Kalten Krieges, der in Osteuropa und Südwestasien längst ein heißer geworden ist.

Quelle: Unsere Zeit

RusslandUZ - Unsere Zeit