2. Januar 2025

Europäische Krisen-Union

Übernommen von Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek:

Die Bilder aus Tblissi erinnern in fataler Weise an den »Euromaidan« vor über zehn Jahren. Seit November 2013 bis zum Februar 2014 hatten sich auf dem zentralen Platz in der ukrainischen Hauptstadt Massen von begeisterten Anhängern der Europäischen Union versammelt, mit Fahnen der EU und der USA. Anlaß war, daß die damalige Regierung der Ukraine erklärt hatte, ein Assoziierungsabkommen mit der EU nicht zu unterzeichnen – nachdem Kiew zuvor vor die Wahl gestellt worden war, sich entweder für eine Zusammenarbeit mit Rußland oder mit der EU zu entscheiden.

Dieses Ultimatum nutzte die damalige Administration der USA, die an einer Verschärfung der Konfrontation mit Rußland und vor allem an der Ausweitung der NATO an eine weitere Grenze Rußlands interessiert war. Die damalige Vizeaußenministerin Nuland, die persönlich Verpflegungsbeutel auf dem Maidan austeilte, ließ nach eigenem Bekunden mindestens 5 Milliarden US-Dollar an die Regierungsgegner in Kiew fließen, wohl wissend, daß ein Beitritt zur EU wesentlich komplizierter ist als eine Aufnahme des Landes in die NATO. Nicht nur durch ihren Kommentar »Fuck the EU« wurde das mehr als deutlich.

Das Ergebnis ist bekannt. Nach dem NATO-Angriff auf Jugoslawien 1999 tobt seit 2014 erneut ein Krieg auf dem europäischen Kontinent, der zweite seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Begonnen als »Anti-Terror-Operation« des mit Hilfe von EU-Politikern ins Amt gehievten Regimes in Kiew gegen unbotmäßige, vorwiegend russischstämmige Bürger des eigenen Landes, ist dieser Krieg zu einem Stellvertreterkrieg zwischen der NATO und Rußland geworden.

Und nun also Georgien, dessen mit großer Mehrheit gewählte Regierung die Beitrittsverhandlungen mit der EU zunächst einmal ausgesetzt hat. Wieder Fahnen der EU, und diesen Tagen auch der Ukraine, im Zentrum der georgischen Hauptstadt. Westliche Medien lassen reihenweise Protestierende zu Wort kommen, die ihre Sehnsucht zu einer Integration des Landes in die EU vor Kameras und Mikrofonen äußern dürfen.

Aber in was für eine Europäische Union wollen diese Leute eigentlich aufgenommen werden? Gibt es in den dortigen Medien keinerlei Berichte über den wirklichen Zustand dieses Staatenbündnisses? Weiß man unter den EU-Fanatikern nichts darüber, von welchen Krisen die EU erschüttert wird? Nimmt man nicht zur Kenntnis, daß die beiden führenden EU-Länder in einer tiefen Regierungskrise stecken? Kennt man von Paris nur den Eiffelturm und von Berlin den Kurfürstendamm?

Diese Art von Ignoranz ist ebenso in Brüssel zu spüren. Die überbordenden Ausgaben für den Krieg in der Ukraine und die Kosten der einseitigen Sanktionen gegen Rußland und China, die Massenflucht von Menschen aus Afrika und dem Nahen Osten als Folgen der auch von der EU mitverursachten Krisen, die erbärmliche Situation im Gesundheits- und Bildungswesen, die zunehmenden Kürzungen im sozialen Bereich, die immer noch galoppierende Inflation – all das und vieles mehr wird unter den Teppich gekehrt.

Vor dem Gebäude des EU-Parlaments hat man einen Rahmen aufstellen lassen, damit Besucher sich darin fotografieren lassen können. Auf der Umrahmung steht mit großen Lettern »DEMOCRACY IN ACTION«. Die Begeisterung dafür hält sich in Grenzen. Zumal nicht zu übersehen ist, daß wenige Meter entfernt Stacheldrahtverhaue aufgestellt sind, für den Fall, daß die Bürger einen Ausweg aus den Krisen und also wirklich Demokratie einfordern sollten.

Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek

EuropaGeorgienZLV