Frieden kam nicht vor
Übernommen von Unsere Zeit:
Seit März 2017 ist Frank-Walter Steinmeier (SPD) Bundespräsident. Zuvor war er ein Außenminister, dessen Glanzleistung darin bestand, maßgeblich den Putsch von Faschisten und Nationalisten im Februar 2014 in Kiew mitgestaltet zu haben. Er ließ sich im Unterschied zu seinem Amtsvorgänger Guido Westerwelle (FDP) gemeinsam mit dem damaligen Bandenchef ablichten. Er erklärte ihnen: „Wir sind gekommen, um euch zu helfen.“ Danach warfen die Banditen den Vertrag weg, der mit dem frei gewählten Präsidenten Viktor Janukowitsch ausgehandelt worden war. Der Weg war frei für den Krieg gegen russischsprachige Ukrainer und gegen Russland, für den die USA den Umsturz finanziert und orchestriert hatten. Es lässt sich sagen: Steinmeier hat diesen Krieg, der symbolisch am 2. Mai 2014 mit dem Mord an vermutlich weit über hundert Menschen im und am Gewerkschaftshaus von Odessa begann, mit angezettelt.
Wer angesichts solcher Verantwortung für historische Untaten ins höchste Staatsamt dieses Landes gelangt, wird sich als Personifizierung der neusten Prägung des deutschen Imperialismus bewähren. Bei Steinmeier geschieht das nicht mehr durch öffentliches Auftrumpfen wie bei Wilhelm II. oder durch die brüllenden Reden Adolf Hitlers, sondern in bester BRD-Tradition durch sanfte Ansprache und das Verbergen des dicken Knüppels, den dieser Staat schwingt. Vorbildlich war darin ein weiterer Amtsvorgänger, Theodor Heuss, der 1958 die Soldaten der gerade zum Krieg gegen die Sowjetunion und die DDR aufgestellten Bundeswehr ermunterte: „Nun siegt mal schön.“ Heiterkeit und Zuversicht sind in diesem Amt Pflicht.
Heiterkeit war in der diesjährigen Weihnachtsansprache Frank-Walter Steinmeiers unangebracht. Das Attentat von Magdeburg am 20. Dezember hatte ihn veranlasst, seine Rede neu aufsetzen und die Sendung neu aufnehmen zu lassen. Blieb also Zuversicht. Der Staatschef mahnte daher nicht nur die Hinterbliebenen der Toten und die Verletzten, sondern alle, die „aufgewühlt, verunsichert (sind), vielleicht auch Angst haben“, sich nicht von diesen Gefühlen beherrschen und lähmen zu lassen.
Und fuhr fort: „Hass und Gewalt dürfen nicht das letzte Wort haben.“ Eine merkwürdig schwammige Formulierung. So allgemein steht sie für ein Land, das im Bürgerkrieg ist oder sich darauf zubewegt. Der starke Tobak musste etwas reduziert werden, also folgte die Lieblingsphrase der deutschen Zuversichtsparteien: „Lassen wir uns nicht auseinandertreiben. Stehen wir zusammen! Zusammenhalt, wenn es darauf ankommt, das ist es doch, was unser Land ausmacht.“ Am Montag hatte das die AfD-Kovorsitzende Alice Weidel bei der Kundgebung ihrer Partei in Magdeburg ganz ähnlich gesagt, als sie eine Sammlung zugunsten von Attentatsopfern unter ihren Zuhörern, die mehrfach lautstark „Abschieben! Abschieben!“ skandierten, als „Funke des Zusammenhalts“ bezeichnete.
Laut Steinmeier kommt das Lichtlein des Zusammenhalts unter anderem durch das, „was wir geschenkt bekommen“, das „uns innere Kraft geben“ kann, „jedem Einzelnen und uns allen gemeinsam“: „Und das kann uns für manches auch wieder ein bisschen dankbarer machen.“ Wer „Zusammenhalt“ im realen Kapitalismus stiften will, darf nicht von Eigentumsverhältnissen, von irrer Reichtumsexplosion und wachsender Armut reden, sondern hat von „innerer Kraft“ zu tönen.
Das Wort „Armut“, also die reale Spaltung der Gesellschaft, kam in dieser Weihnachtsansprache nicht vor, das Wort „Frieden“ auch nicht. Kriege? Machen „Sorgen“. Das war angesichts der „Verdienste“ Steinmeiers um Kriege mit deutscher Beteiligung angemessen. Wie es anders geht, demonstrierte vor und zu den Feiertagen Papst Franziskus. Er sprach am Freitag von „kriminellen Handlungen“ Israels in Gaza. Am Samstag wiederholte er nach der neuerlichen Bombardierung von Kindern dort: „Das ist Grausamkeit. Das ist kein Krieg.“
Es versteht sich, dass ein Steinmeier den so angesprochenen Hass und die von ihm ausgehende Gewalt nicht erwähnte. Zusammenhalt heißt heute vor allem: Gemeinsam kriegstüchtig werden – auch und erst recht zu Weihnachten.
Quelle: Unsere Zeit