Gewalthilfegesetz lässt geflüchtete Frauen im Stich
Übernommen von Pressemitteilungen | PRO ASYL:
Anlässlich der morgigen Befassung des Bundesrates mit dem geplanten Gewalthilfegesetz kritisieren PRO ASYL, DaMigra und ZIF: Der aktuelle Gesetzentwurf ignoriert die bestehenden Hürden geflüchteter und über den Familiennachzug eingewanderter Frauen beim Zugang zu Schutzräumen. Hier muss nachgebessert werden, damit wirklich alle gewaltbetroffenen Frauen Zugang zu Schutz und Hilfe bekommen.
In Deutschland müssen viele geflüchtete und migrierte Frauen, die von Gewalt betroffen sind, besondere Hürden überwinden, um wirksamen Schutz zu erhalten. In dem aktuellen Entwurf des „Gesetzes für ein verlässliches Hilfesystem bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt“, der grundsätzlich wichtige Verbesserungen des Schutzsystems für Frauen vorsieht, werden diese spezifischen Hindernisse nicht angegangen. Indem das Gesetz die besonders prekäre Situation geflüchteter und migrierter Frauen und Kinder und bestehende diskriminierende Zugangshürden ignoriert, wird die Chance verpasst, ihre erhöhte Gefährdung zu beenden.
„Die Ungleichbehandlung von gewaltbetroffenen Frauen muss dringend korrigiert werden! Gerade geflüchtete Frauen und Kinder in Asylverfahren leben oft in besonders prekären Situationen und brauchen dringend einen besseren Zugang zu Schutz vor Gewalt. Das ergibt sich auch aus der Istanbul Konvention, die den Staat verpflichtet, ausnahmslos alle Frauen vor Gewalt zu schützen. Wer in einem Gewalthilfegesetz versäumt, die Hürden für geflüchtete Frauen zu Schutz anzugehen, akzeptiert den Zustand ihrer erhöhten Gefährdung“, sagt Andrea Kothen, Referentin von PRO ASYL.
Gemeinsames Statement gegen unzureichendes Gewalthilfegesetzes
PRO ASYL, DaMigra und die Zentralen Informationsstelle Autonome Frauenhäuser (ZIF) begrüße in einem gemeinsamen Statement das Gewalthilfegesetz grundsätzlich als einen wichtigen Meilenstein in der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, fordern aber Nachbesserung: Das Gesetz muss allen Frauen den Zugang zu einem gewaltfreien und sicheren Leben erleichtern.
Dr. Delal Atmaca vom Dachverband der Migrantinnenorganisationen (DaMigra) berichtet: „Es gibt mittlerweile unzählige Berichte von Betroffenen und Frauenhausmitarbeiterinnen, die deutlich machen, dass bestehende Regelungen geflüchtete Frauen systematisch vom Schutz ausschließen. Dass die Gesetzgeber diese Berichte ignorieren, ist kein Zufall, sondern Ausdruck einer Politik, die das universelle Menschenrecht auf ein sicheres und gewaltfreies Leben unterschiedlich bewertet – abhängig von der Herkunft der Frauen beziehungsweise deren Aufenthaltsstatus. Diese Ungleichbehandlung zeigt, wie Menschenrechte hierarchisiert und dadurch die Schutzrechte der Marginalisierten aufs Spiel gesetzt werden.“
Britta Schlichting von ZIF berichtet aus ihrer Arbeitserfahrung in einem Frauenhaus: „Jede Hürde, die durch Gesetze oder Behörden verursacht wird, kann das Leben einer Frau und ihrer Kinder kosten. Die fehlenden Regelungen im Gewalthilfegesetz bedeuten, dass zum Beispiel eine Frau aufgrund einer Wohnsitzauflage nicht in ein Frauenhaus außerhalb ihrer zugewiesenen Kommune fliehen kann.“
Fehlende Verbesserungen bei „Ehebestandszeit“ und bei Wohnsitzauflagen
Sowohl die Vorschriften zur Ehebestandszeit als auch Aufenthalts- und Wohnortsauflagen behindern die selbständige Schutzsuche von geflüchteten und migrierten Frauen und ihre schnelle und unbürokratische Aufnahme in einem Frauenhaus.
Nach der „Ehebestandszeit“ in § 31 Aufenthaltsgesetz können Frauen einen vom Partner unabhängiger Aufenthaltstitel regelmäßig erst nach drei Jahren Ehe in Deutschland erhalten. Die Ausnahmeregelung für Opfer häuslicher Gewalt ist mit hohen Hürden verbunden und in der Praxis kaum durchsetzbar. Gewaltausübende Partner können dies nutzen und der Ehefrau mit Abschiebung durch die Behörden drohen, um weiterhin Macht und Kontrolle über sie auszuüben. Sie und ihre Kinder verharren aufgrund einer drohenden Abschiebung oft zu lang in der gefährlichen Situation.
Auch die Beschränkungen beim Aufenthalts- und Wohnort verhindern häufig, dass eine geflüchtete Frau in einem Frauenhaus einer anderen Kommune oder eines anderen Bundeslandes Schutz findet. Dabei werden zwei Tatsachen missachtet: 1. Eine größere Entfernung zum Wohnort des Täters und ein Wechsel des Bundeslandes ist oft notwendig, damit die Frau sicher sein kann. 2. Durch die chronische Überlastung der Frauenhäuser in Deutschland gibt es oft keine andere Möglichkeit, als in einer anderen Stadt Zuflucht zu suchen. Vorhandene Härtefallvorschriften garantieren nicht, dass die Ausländerbehörden in der Praxis tatsächlich die Wohnsitzauflage aufheben.
Weiterführende Informationen
Eine kurze Stellungnahme von PRO ASYL zum Gesetzentwurf finden Sie hier.
Die Forderungen von DaMigra für ein umfassendes Gewalthilfegesetz finden Sie hier.
Die ausführliche Stellungnahme der Autonomen Frauenhäuser zum Gewalthilfegesetz finden Sie hier.
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Quelle: Pressemitteilungen | PRO ASYL