Parlamentssitzung in Kuba: Regierung kündigt flexiblen Wechselkurs an
Übernommen von Cuba heute:
Auf Kuba ist am Freitag die Jahresendsitzung der Nationalversammlung geendet. Präsident Miguel Díaz-Canel sprach von „enormen Anstrengungen“, die das Land in diesem Jahr unternommen habe, die dennoch zu „ungenügenden Ergebnissen“ geführt hätten. Kuba werde sich auch in Zukunft dem „Gesetz des Stärkeren“ verweigern und seinen Kampf gegen die US-Wirtschaftsblockade fortsetzen.
Ein Prozent Wachstum geplant
Zu Beginn der dreitägigen Sitzung gab Wirtschaftsminister Joaquín Alonso Vázquez einen Überblick über das zu Ende gehende Jahr. Die Warenexporte blieben 7,5 Prozent unter dem Plan, während die Dienstleistungsexporte (allen voran medizinische Leistungen) leicht über den angesetzten Werten lagen. Die Importe fielen 17,6 Prozent geringer als vorgesehen aus.
Große Probleme bereitete dieses Jahr das Baugewerbe, auch aufgrund der anhaltenden Energiekrise. „Im Jahr 2024 lag die Stahlproduktion bei Null, die Zementproduktion erreichte nur 43,2 Prozent der Erwartungen und die Holzproduktion lag bei 17,6 Prozent“, so der Minister.
Anders als üblich, gab es dieses Jahr keine Angaben zur Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts. Wirtschaftsminister Alonso Vázquez ließ jedoch im Vorfeld der Sitzung durchblicken, dass 2024 erneut ein Rezessionsjahr wird.
Gute Neuigkeiten gab es indes aus dem Finanzministerium: Im Haushalt für dieses Jahr war eigentlich ein Rekorddefizit von 18 Prozent des Bruttoinlandsprodukts beschlossen worden. Dieses fiel nun, auch aufgrund von Maßnahmen wie dem Verkauf von Treibstoff in Devisen und der Erhebung einer 10-prozentigen Umsatzsteuer um ganze 39 Prozent geringer aus, als erwartet worden war (90 statt 147 Milliarden Pesos). Dadurch gelang es dieses Jahr die Inflation zu stabilisieren, die mit 30 Prozent jedoch weiterhin auf hohem Niveau liegt.
Für kommendes Jahr plant Kuba ein Wachstum von einem Prozent, die Inflation soll auf Werte zwischen 25 und 30 Prozent leicht zurückgehen und das Haushaltsdefizit mit geplanten 88 Milliarden Pesos ebenfalls weiter schrumpfen. Dies sei allerdings nur möglich, wenn die Wirtschaftspolitik „kohärent ist und sich weiter am makroökonomischen Stabilisierungsprogramm orientiert“, welches 2024 auf den Weg gebracht wurde.
Neues Wechselkursregime ab 2025
In diesem Rahmen plant die Regierung kommendes Jahr größere Neuerungen. Premierminister Marrero kündigte die Einführung eines flexiblen Wechselkursregimes „auf Basis von Angebot und Nachfrage“ an. Damit soll der informelle Devisenmarkt ausgetrocknet und eine legale Möglichkeit zum Devisenerwerb für Unternehmen geschaffen werden. Dies sei ein „komplexer Prozess, an dem der Staat, der nichtstaatliche Sektor und die Bevölkerung beteiligt sind und bei dem es mehrere Wechselkurse gibt“, erklärte er.
Weitere Staatsunternehmen, darunter Betriebe des Pharmasektors, im Tourismus, im Nickelbergbau und Recycling, sollen eigene Devisenkreisläufe für ihre Finanzierung einrichten. Der Schritt soll die Exporte fördern und die Deviseneinnahmen vergrößern. Hierzu soll auch die Teildollarisierung der Wirtschaft weiter fortgesetzt werden.
Die ursprünglich für dieses Jahr geplante Unternehmensreform zur Restrukturierung des Staatssektors wurde erneut verschoben und soll erst 2025 beschlossen werden. „Die wirtschaftliche Situation des Landes lässt es nicht ratsam erscheinen, das Gesetz über die sozialistischen Staatsunternehmen zum jetzigen Zeitpunkt zu verabschieden, denn wenn es in Kraft treten würde, wäre seine Einhaltung nicht gewährleistet“, erklärte Marrero.
Ausländische Investitionen sollen kommendes Jahr im Rahmen einer neuen Gesetzesinitiative erleichtert und entbürokratisiert werden, im Jahr 2026 soll dann das Gesetz über ausländische Direktinvestitionen grundlegend überarbeitet werden.
Energiesituation im Fokus
Großen Raum nahm auf der Sitzung die Energiesituation ein, die im kommenden Jahr einer der Schwerpunkte der Regierungsarbeit wird. Wie Marrero erklärte, sei die Stromproduktion in Kuba seit 2019 um 3731 Gigawattstunden eingebrochen. Höhere Tarife für Vielverbraucher hätten nicht den gewünschten Effekt erzielt, der Verbrauch sei dieses Jahr weiter gestiegen. Ende November wurde daher der Ausbau erneuerbarer Energien im Rahmen eines neuen Gesetzes festgelegt. Deren Anteil soll von derzeit rund vier Prozent bis 2030 auf 37 Prozent erhöht werden. Bis Ende kommenden Jahres sollen 1100 Megawatt an Solarleistung ans Netz gehen, davon 500 Megawatt im ersten Halbjahr.
Darüber hinaus wurde ein Programm zur Stabilisierung des Stromnetzes beschlossen, das dieses Jahr dreimal kollabiert ist (Cubaheute berichtete). Dessen Leitung wird der 92-jährige Revolutionsveteran und langjährige Innenminister Ramiro Valdés übernehmen.
Weitere Themen
- Mit dem Gesetz über die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs und die nationale Organisation der kollektiven Anwaltskanzleien und dem Notargesetz hat die Nationalversammlung die beideen letzten Gesetze im Rahmen der laufenden Justizreform beschlossen und diese damit zum Abschluss gebracht. Im Rahmen der Novellierung wurde die Rolle der Rechtsanwälte aufgewertet. Notariate unterstehen künftig nicht mehr den lokalen Regierungen, sondern direkt dem Justizministerium, womit deren Funktion verbessert und professionalisiert werden soll. Durch die Zunahme von Immobilienkäufen und Verkäufen kommt dem Notarwesen in Kuba heute eine größere Rolle zu als früher.
- Noch nicht beschlossen, aber diskutiert wurde eine neue Initiative zur ganzheitlichen Betreuung und Förderung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Der Entwurf sieht die Einrichtung von Jugendzentren, die Erweiterung des Bildungsangebots durch praxisnahe Angebote, die Stärkung von Kinderrechten und Schutzmechanismen gegen Missbrauch sowie spezielle Programme für Kinder in vulnerablen Situationen und deren psychologische und medizinische Betreuung vor.
- Der Zeitplan zur Umsetzung der 2019 in Kraft getretenen Verfassung wurde aktualisiert. Präsident Díaz-Canel räumte Verzögerungen ein, die weniger durch bei der Erarbeitung der Gesetze selbst, sondern vor allem durch den unerwarteten Aufwand bei der Erstellung der komplementären Umsetzungsrichtlinien entstanden seien. Er kündigte an, dass der Prozess kommendes Jahr weiter professionalisiert und beschleunigt werde. Kommendes Jahr sollen (unter anderem) verabschiedet werden: Das neue Unternehmensgesetz, ein neues Steuergesetz, ein neues Arbeitsrecht und ein neues Gesetz über Grundbesitz.
- Weiteres Thema auf der Sitzung war der „Kampf gegen Korruption und Gesetzesverstöße“ im Wirtschaftsbereich. In diesem Rahmen wurden 371.489 Verstöße gegen die im Sommer beschlossenen Preisobergrenzen für Grundnahrungsmittel festgestellt, die mit Bußgeldern in Höhe von insgesamt 980 Millionen Pesos (ca. acht Millionen Euro gemäß dem offiziellen Wechselkurs für Privatpersonen) geahndet wurden. 3522 Geschäfte wurden wegen größerer Verstöße geschlossen.
- Marrero stellte auf der Sitzung die Ergebnisse einer Umfrage zur Beschäftigung vor. Demnach gehen rund 20 Prozent der Beschäftigten in Kuba einer informellen Tätigkeit nach, wobei der Agrarsektor am stärksten betroffen ist.
- Der schlechte Zustand der Straßen schaffte es diesmal auf die Tagesordnung des Parlaments. Wie Verkehrsminister Eduardo Rodríguez Dávila bekannt gab, konnten dieses Jahr nur 21 Prozent der geplanten Straßenbauarbeiten durchgeführt werden. Drei Viertel der Straßen sind in regulärem oder schlechten Zustand.
- Die Zahl der Mobilfunknutzer in Kuba ist dieses Jahr auf 7,94 Millionen gestiegen, von denen 94 Prozent Mobildaten nutzen. Der durchschnittliche monatliche Datenverbrauch liegt bei 9,9 Gigabyte pro Nutzer. Der Ausbau von Internet-Hausanschlüssen kommt weiter nur schleppend voran. Dieses Jahr kamen 2040 neue Nutzer von „Nauta hogar“ hinzu. Deren Gesamtzahl liegt damit bei 283.398, was 7,3 Prozent der Haushalte entspricht.
- Auch die gesetzlich geförderte Nutzung bargeldloser Bezahlmethoden bleibt hinter den Zielen zurück. Im Privatsektor haben 515.949 Akteure (79,8 Prozent der infrage kommenden) ein Konto eröffnet, allerdings werden nur rund 35 Prozent der Konten aktiv genutzt. Das Limit für Geldabhebungen im Einzelhandel („Caja extra“) wurde auf 6000 Pesos (ca. 50 Euro nach offiziellem Wechselkurs) angehoben. Noch immer gibt es viele Geschäfte, die keine bargeldlose Bezahlmethode anbieten, doch die Nutzerzahl der Bezahlapp Transfermóvil stieg dieses Jahr auf über fünf Millionen.
- Mit Blick auf das Jahr 2025 erklärte Premierminister Marrero, dass mit „einer verschärften Blockade, mehr Sanktionen und mehr Angriffen aus den sozialen Medien zur Unterminierung der nationalen Einheit“ gerechnet werde.
- Im Anschluss an die Sitzung fand um 16 Uhr am Malecón in Havanna ein „Marsch für Kuba“ statt, der sich gegen die US-Blockade richtet.
Quelle: Cuba heute