Quo vadis Ukraine-Krieg? – Wohin dreht die Eskalationsspirale?
Übernommen von SDAJ:
Ukrainisches Militär auf russischem Boden, russisches auf ukrainischem. Keine größeren Bewegungen der Frontlinie seit einiger Zeit. Stehen Verhandlungen und ein Ende des Krieges nun endlich bevor?
Keine Verhandlungen
Durch die Eroberung russischer Gebiete schien die Ukraine Verhandlungsmasse zu gewinnen, die sie nach Einfrieren der Frontlinie zu Verhandlungen bewegen könnte. Tatsächlich hat sich im Nachhinein gezeigt, dass durch die Eroberung eher das Gegenteil erreicht wurde. Denn kurz vor dem Angriff auf das russische Gebiet Kursk hatte Kiew nach Vermittlungen aus Katar Verhandlungen mit Moskau aufgenommen. Über Verzicht auf gegenseitige Angriffe auf die Energie-Infrastruktur, mit der Perspektive, einen umfangreichen Waffenstillstand auszuarbeiten. Durch den Angriff auf Kursk wurden die Bemühungen zunichtegemacht – während der diplomatischen Bemühungen wurde hinter dem Rücken der Angriff vorbereitet. Auch andere Friedensschlussinitiativen, etwa aus China, Indien oder Brasilien, wurden den vermittelnden Staaten vor den Kopf gestoßen.
Ähnliche Muster gab es seit Beginn des Krieges immer wieder. Am bekanntesten sind sicherlich die Istanbul-Verhandlungen Ende März 2022. Dort hatte sich Kiew fast schon mit Moskau darauf geeinigt, dass russische Truppen aus der Ukraine abziehen, wenn im Gegenzug die Neutralität der Ukraine gewährleistet würde. Mittlerweile ist es kein Geheimnis mehr, dass diese Verhandlungen auf Druck des Westens nicht erfolgreich waren. NATO-Staaten sicherten der Ukraine Waffen zu, und sie sollte weiterkämpfen. Auch im Herbst 2022, und September 2023 gab es Verhandlungsbereitschaft aus Moskau über ein Einfrieren der Front und einen Waffenstillstand. Dazu kam es nie. Auch die neuerlichen Gesprächsangebote aus Russland wurden abgelehnt – die NATO und mit ihr die Ukraine setzen auf die immer weitere Eskalation.
Die Offensive in Kursk ist längst ins Stocken geraten, relevante Entlastungen für den Frontabschnitt im Donbass konnten nicht erzielt werden – ganz im Gegenteil: Während das ukrainische Militär selbst Truppen für die eigene Offensive abziehen musste und so die Truppen im Donbass schwächte, konzentrierte das russische Militär Truppenverbände aus anderen Landesteilen zur Verteidigung in Kursk, allerdings nicht aus dem Donbass. Die Konsequenz: Die ukrainische Verteidigung, die im Donbass schon vor der Offensive wackelte, droht jetzt noch schneller einzuknicken.
Kann Russland Verhandlungen erzwingen?
Auch wenn Moskau immer wieder Verhandlungsangebote andeutet, muss man bezweifeln, dass sich Russland aus der Initiative auf dem Schlachtfeld selbst zu gleichberechtigten Verhandlungen bereit erklärt. Das wäre für die Durchsetzung russischer Interessen eine Gefahr, denn erstens kann sich Russland erfahrungsgemäß nicht auf sicherheitspolitische Zusagen aus dem Westen oder gar der Ukraine verlassen. Zweitens geht es bei dem Konflikt nicht nur ausschließlich um russische Sicherheitsinteressen. Zwar hat sich die NATO, die sich mit dem Ziel gegründet hat, die Sowjetunion zu vernichten, nach 1990 (entgegen eigener Zusagen) Stück für Stück immer weiter bis direkt an die russische Grenze ausgeweitet (inklusive Militärbasen), dennoch hat Russland auch eigene Wirtschaftsinteressen in Osteuropa – einer Region, die historisch sehr stark von einer Kooperation mit Russland geprägt war. Sowohl Sicherheits- als auch Wirtschaftsinteressen und offen klaffende Widersprüche zwischen den Ansprüchen aus Russland und der NATO wird es auch noch in der Zeit nach dem Ukraine-Krieg geben, worauf sich Russland jetzt schon vorbereiten wird. Aber es bleibt dabei: Die Eskalation in diesem Konflikt hat ihren Ursprung in der Aggression der NATO-Staaten. Es ist der verzweifelte Versuch der NATO-Staaten, den eigenen ökonomischen Abstieg im Weltmaßstab zu verhindern, und dafür wird wohl wissend ein Weltkrieg riskiert und vorbereitet.
Keine Zustimmung für Selenskijs Forderungen
Selenskij versucht in der aktuell verzwickten Situation Zustimmung für einen „Siegesplan“ zu erhalten. Der beinhaltet in erster Linie, dass der Westen, allen voran die USA, mehr Waffen liefert und Beschränkungen für weitreichende Raketen aufhebt. Aktuell scheint es dafür allerdings sowohl von Politikern aus den USA als auch aus Deutschland wenig Zustimmung zu geben. Wahrscheinlich wollen sie vor anstehenden Wahlen nicht noch mehr Zuspruch aus der Bevölkerung verlieren. Denn die Kritik an der Ukraine-Politik der Herrschenden wird in Teilen lauter.
Ironischerweise wird aber jegliche Form des Krisenmanagements der Herrschenden für Unmut sorgen. Sie scheren sich nur für die Belange der Superreichen – die Armen schauen in die Röhre. In Anbetracht des anstehenden Winters und der großflächig zerstörten Energieinfrastruktur in der Ukraine, sodass voraussichtlich nur vier Stunden pro Tag geheizt werden kann, wird sich die Fluchtbewegung aus der Ukraine nach Deutschland verschärfen. Die Asylpolitik der Herrschenden wird weder zu einer Entspannung in Deutschland noch in der Ukraine führen. Schon jetzt ist völlig unklar, wie sich die ukrainische Gesellschaft nach dem Krieg wieder von dem durch Krieg, Flucht, und Gebietsverlust erfolgten Verlust von zehn Millionen Menschen erholen soll.
Dennoch fordern natürlich auch deutsche Politiker, solche Beschränkungen aufzuheben, und wollen etwa „endlich den Taurus liefern“ (Strack-Zimmermann). Sinnvoll genutzt werden können solche Waffen allerdings nur, wenn deutsche Militärs mithelfen. Egal, wie man es dreht und wendet: „Beteiligt ist beteiligt“, das haben schon die deutschen Offiziere festgestellt, die auf einem Mitschnitt, der Anfang März veröffentlicht wurde, diskutiert haben, wie man die unumgängliche Beteiligung der Bundeswehr an einem Taurus-Einsatz verschleiern könnte. Dass Russland aus dem Krieg gestärkt hervorgeht, würden die NATO-Staaten aber nur sehr widerwillig hinnehmen. Eine weitere Eskalation scheint da schon vorprogrammiert.
Russland reagiert auf Bedrohungslage
Da bei der Militärunterstützung der Ukraine eine rote Linie nach der anderen gefallen ist, sah sich Russland veranlasst, die eigenen Richtlinien zum Einsatz von Atomwaffen zu ändern. Fortan soll eine Aggression gegen Russland von einem Nichtatomwaffenstaat, die allerdings in Kooperation mit einem Atomwaffenstaat durchgeführt wurde, als ein gemeinsamer Angriff gewertet werden. Das impliziert Eskalationspotential: Russland führt Krieg mit der nicht-atomar-aufgerüsteten Ukraine, die allerdings durch atomar aufgerüstete NATO-Staaten mit nahezu allen Mitteln unterstützt wird. Und sofern die staatliche Souveränität Russlands in Gefahr gerät, ist für Moskau der Einsatz von Atomwaffen gerechtfertigt.
Eskalationspotential wird geleugnet
Denjenigen, die weiterhin auf die Eskalation mit Russland setzen, gibt unter anderem Anton Hofreiter (Grüne) seine Stimme. Selbst zuletzt hat er noch gesagt, dass die aus Russland angekündigten Konsequenzen leere Drohungen wären. Eine grobe Fehleinschätzung! Nach jahrelanger Aggression von der NATO reagierte Russland am 24.02.2022 mit einem Einmarsch in die Ukraine – den auch zuerst die wenigsten für realistisch gehalten hatten.
Was bleibt?
Sowohl für die Bevölkerung der Ukraine als auch für die Deutschlands bleibt die einzige Option, die Herrschenden zu zwingen, den Krieg zu beenden. Aber langfristig bleibt die Losung seit über hundert Jahren gleich: Frieden kann es langfristig nur geben, wenn wir dem Krieg die Grundlage entziehen, den Imperialismus zerschlagen und den Sozialismus aufbauen!
Joscha (Köln)
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Quelle: SDAJ