7. Januar 2025

AfD als realistische Option für Regierungsbeteiligung?

Übernommen von Yeni Hayat / Neues Leben:

Elon Musk, mit einem Vermögen von 421 Milliarden US-Dollar der zur Zeit reichste Mensch der Welt, hat offen seine Unterstützung für die Alternative für Deutschland (AfD) bekundet – eine Partei, die für ihren Rassismus, Standortnationalismus und ihre Verbindungen zu offen bekennenden Faschisten bekannt ist. Diese offene Parteinahme für die AfD löste in Deutschland eine Debatte aus, die sehr tiefgründig geführt werden sollte und nicht nur oberflächlich, wie deutsche Medien es treiben.

Denn der eigentliche „Skandal“ liegt nicht darin, dass Einflussnahme auf deutsche Wahlen aus dem Ausland genommen wird, denn das ist und war nie ein Problem. Selber hat man Biden unterstützt und keinen Hehl daraus gemacht, offen gegen Trump zu wittern. Die angebliche Neutralität des kapitalistischen Staates, der vermeintlich über den Klassen schwebe, gilt als unberührbares Fundament einer postfaschistischen, liberalen Demokratie, an dessen Mauern Musk nun mit einem Vorschlaghammer donnert. Und das macht denjenigen Angst, die auf einmal erkennen wollen, dass einzelne Kapitalisten anscheinend über unendliche Machtressourcen verfügen. Aber ist das erst seit Musks offene Parteinahme der Fall?

Vertreten die Parteien nicht im Kern verschiedene Strömungen des fraktionierten Kapitals und dienen nur dazu, den Kapitalismus auf die eine oder andere Weise zu verwalten, mal konservativ und wirtschaftskonform, mal offen autoritär und mal mit einer „linken“ Agenda, aber immer im Rahmen der kapitalistischen Erhaltung und Profitmaximierung?

Musks Unterstützung dient der AfD an erster Stelle, um Unterstützung aus manchen Teilen des deutschen Kapitals zu gewinnen. Ein Teil der materiellen Interessen, die hinter Musks Unterstützung stehen, ist auch für einige Fraktionen des deutschen Kapitals relevant. Forderungen nach uneingeschränkter Freiheit für das Kapital zur Ausbeutung von Arbeitskräften, der Senkung von Unternehmenssteuern, Löhnen oder Lohnnebenkosten, Subventionierung von Produktion und der Kriegswirtschaft oder der Normalisierung der Beziehungen zu Russland, um für Deutschland günstige Energie zu sichern, stehen nicht nur auf Musks Agenda, sondern sind Forderungen einiger Teile deutscher Monopole und Konzerne.

Musk wurde zum wichtigsten Diskussionsthema in Deutschland, um Weihnachten und Silvester zu überbrücken. Und er nutzte die ihm angebotene Plattform dazu, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier als „antidemokratischen Tyrannen“ zu bezeichnen. Es wird zunehmend deutlich, dass diese Beleidigungen das Ziel haben, die Polarisierung der Gesellschaft zu vertiefen und die AfD zu stärken. Doch hier geht es nicht nur um Musk. Teile der US-amerikanischen Bourgeoisie, die in rechtsextreme Ideologien, Nationalismus und Feindseligkeit gegenüber Migranten und Flüchtlinge investieren, möchten ähnliche Strömungen auch in Europa an die Macht bringen. Die Stärkung dieser Denkweise in Deutschland, der größten Wirtschaftsmacht Europas, würde den Interessen eines von Trump geführten Amerikas entsprechen. Ziel ist es, potenzielle Konflikte zwischen den USA und Deutschland auf politischer Ebene im Vorfeld zu entschärfen.

In diesem Kontext scheint Musks Vorgehen als Berater Trumps auf den Wunsch nach einer Koalitionsregierung hinzudeuten, die die sozialdemokratische SPD und die Grünen ausschließt. Die von Trump und Musk repräsentierte US-Bourgeoisie sendet mit diesem Schritt auch ein Signal an die konservativen Christdemokraten, die sich bisher auf Bundes- und Landesebene gegen eine Koalition mit der AfD ausgesprochen haben. Besonders bemerkenswert ist, dass der Pro-AfD-Artikel von Musk in der Welt am Sonntag veröffentlicht wurde, einer Zeitung, die zum Axel-Springer-Verlag gehört, der auch die meistverkaufte deutsche Zeitung Bild herausgibt und bekannt für ihre wirtschaftskonformen Forderungen und rassistischen Auswürfe ist.

Die Veröffentlichung von Musks Unterstützungserklärung für die AfD durch diesen Medienkonzern ist weder ein Zufall, noch eine Entscheidung, die allein von der Redaktion getroffen wurde. Es handelt sich um eine bewusste politische Strategie mit langfristigen Zielen, die Positionen der AfD in der Mitte der Gesellschaft zu befestigen. Die historisch begründete Zurückhaltung des deutschen Kapitals gegenüber rassistischen Parteien – eine Folge der Scham über die Unterstützung Hitlers – soll durch Akteure wie Musk überwunden werden. Musk dient dabei als Sprachrohr für jene, die ihre Unterstützung für die extreme Rechte nicht offen zeigen können oder möchten aber von einer starken AfD, die den Standortnationalismus so prominent repräsentiert, stark profitieren würden.

Tatsächlich zeigen Umfragen nach Musks Äußerungen, dass die AfD bundesweit erstmals 20 Prozent der Stimmen erreichen könnte. Und die AfD und ihre Führerin Alice Weidel, haben erkannt, dass ein offenes Bekenntnis zu Trump ihnen nur Vorteile bringen würde. Deswegen wird sie am 9. Januar in die USA reisen und an einem Live-Gespräch mit Musk über X-Space teilnehmen.

Die nächste Frage lautet, ob Weidel an Trumps Amtseinführung am 20. Januar teilnehmen wird. Sollte dies durch Musks Vermittlung geschehen, würde eine neue Debatte ausgelöst: „Repräsentiert Weidel Deutschland in Trumps Augen?“ Dies würde die Aufmerksamkeit auf Musk und die AfD weiter erhöhen, wobei Medien wie Die Welt und Bild ihren Beitrag leisten würden.

Der Versuch, die rassistische AfD durch Musk zu normalisieren, eine Partei, die das deutsche Kapital bisher nicht offen unterstützt hat, dürfte vielfältige Konsequenzen haben.

Der Staat im Kapitalismus ist keineswegs neutral, sondern ein Instrument, das die Interessen der herrschenden Klasse schützt und durchsetzt. Egal ob liberal, autoritär oder „grün“, der Staat in einer kapitalistischen Gesellschaft dient vor allem dazu, die bestehenden Produktionsverhältnisse und damit die Macht- und Eigentumsverhältnisse aufrechtzuerhalten. Dies äußert sich in verschiedenen Mechanismen, wie Kapitalisten Einfluss auf politische Entscheidungen und Handlungen nehmen. Kapitalisten wie Musk besitzen die Produktionsmittel und verfügen über enorme wirtschaftliche Ressourcen. Diese wirtschaftliche Macht ermöglicht ihnen, politische Entscheidungen zu beeinflussen, indem sie Lobbyismus betreiben oder Wahlkämpfe finanzieren. Der Kapitalismus wird nicht nur durch direkte Kontrolle, sondern auch durch ideologische Hegemonie aufrechterhalten. Die Medien, das Bildungssystem und kulturelle Institutionen werden häufig von kapitalistischen Interessen geprägt. Diese Institutionen verbreiten Ideologien, die die kapitalistische Ordnung legitimieren, z.B. durch die Darstellung des freien Marktes als alternativlos, die Betonung individueller Verantwortung anstelle struktureller Systemkritik oder die Diffamierung antikapitalistischer Ansätze als dumm und gefährlich, sei es auch nur systemimmanente Sozialdemokratie oder libertärer, grüner Neoliberalismus, der nicht mal an der Fassade des Kapitalismus kratzt.

Wenn man diese Fakten berücksichtigt, wird deutlich und klar, dass der Skandal nicht in der offenen Unterstützung der AfD seitens Musk liegt, sondern das Kapital offenen Rassismus als Staatsdoktrin nicht mehr als Tabu sieht. Somit wird eine Regierungsbeteiligung der AfD nach dem 23. Februar durchaus eine Option aus Sicht des deutschen Kapitals.

Quelle: Yeni Hayat / Neues Leben

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