Die Alternative für das Kapital
Übernommen von Yeni Hayat / Neues Leben:
Elon Musks Aufruf, die AfD bei den vorgezogenen Bundestagswahlen am 23. Februar zu unterstützen, hat einen Aufschrei in der Öffentlichkeit ausgelöst. Nach dem Kommentar, den der Tesla- und X-Inhaber in der “Welt am Sonntag” verfasste und in dem er die AfD als einzige mögliche Lösung bezeichnete, folgte nun ein Gespräch zwischen Musk und AfD-Parteichefin Alice Weidel, bei dem er diesen Inhalt wiederholte und bei dem knapp 200.000 Menschen sich live zuschalteten (insgesamt 8 Mio. Zuschauer) . Doch warum genau hat der Trump-Vertraute Musk so ein Interesse an der AfD?
Wenn wir genau ein Jahr zurückblicken, sehen wir ein quasi spiegelverkehrtes Bild. Die „Remigrationspläne“ von AfD- und CDU-Politikern und bekannten Neonazis, waren aufgedeckt worden, was zu großen antirassistischen Demonstrationen führte. Millionen waren im Januar und Februar 2024 auf den Straßen und riefen laut „Ganz Deutschland hasst die AfD“. Trotz der Wirkung dieser Proteste stehen wir heute vor einem Tableau, das etwas anderes zeigt. In Umfragen wird deutlich, dass die rechte „Alternative für Deutschland“ wohl als zweitstärkste Kraft aus den Bundestagswahlen hervorgehen wird. Ein ähnliches Bild, wie es schon die Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg vorzeichneten. Es wurde also weder die Forderung nach einem Verbot entsprochen, noch gibt es dazu gerade in der Bevölkerung den notwendigen Rückhalt, wenn man die Zustimmungswerte betrachtet. Eher im Gegenteil wird immer deutlicher, dass die AfD eigentlich eine alternative Option für das Kapital ist.
Die Rolle der AfD
Auch wenn sich die AfD immer wieder als Partei der „einfachen“ Leute zu verkaufen versucht, macht jeder Blick in ihr Wahlprogramm deutlich, wo sie steht und wessen Interessen sie vertritt. Wer nach Mindestlohnerhöhung, Einrichtung von bezahlbarem Wohnraum, Investitionen in den sozialen Bereich usw. sucht, wird im Wahlprogramm der AfD, das am 11. Januar im sächsischen Riesa verabschiedet wurde, sicher nicht fündig werden. Was das Programm enthält, sind Forderungen und Erklärungen im Sinne des Kapitals. Es gehe um die Sicherung der sozialen Marktwirtschaft. Die Senkung der Unternehmenssteuer ist genauso Bestandteil des Programms wie die Wiederinbetriebnahme von Atomwerken und Abschaffung der CO2-Steuer. Ein Dorn im Auge ist insbesondere das Arbeitslosengeld. „Ein Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung soll nach einer einmaligen Ausnahme nur haben, wer die Arbeitslosigkeit nicht selbst herbeigeführt hat. Grundsätzlich soll der Anspruch auf Arbeitslosengeld erst nach drei vollen Beitragsjahren eintreten und ist zunächst auf sechs Monate beschränkt. Für je zwei weitere Beitragsjahre erhöht sich der Anspruch danach um einen Monat“ heißt es auf Seite 22. Selbstverständlich geht es auf den folgenden Seiten auch darum, dass Bürgergeld, durch seine Höhe, den Anreiz schaffe, nicht länger arbeiten zu gehen. Mit Berufung auf unbenannte Experten wird die Behauptung verbreitet, „dass etwa ein Drittel der Bürgergeldempfänger am Finanzamt und den Sozialversicherungen vorbei schwarzarbeitet“. Und natürlich auch: „Die hohen Regelbedarfssätze im Bürgergeld stellen zudem einen der Magneten für die Einwanderung in unsere Sozialsysteme dar. Fast die Hälfte der Bürgergeldempfänger sind inzwischen Ausländer, von denen die meisten noch nie in unsere Sozialsysteme eingezahlt haben“. Dabei wird ausgeblendet, dass der Großteil dieser „Ausländer“ Kriegsgeflüchtete aus der Ukraine sind und ein Fünftel der Bürgergeldbezieher unter 15 Jahren ist und überhaupt nicht arbeiten darf.
Während also beim Bürgergeld gespart werden soll, tritt die AfD für die Abschaffung der Vermögens- und Erbschaftssteuer ein. Und die „Friedenspartei“ AfD ist auch keinesfalls für einen Austritt Deutschlands aus der NATO, man solle stattdessen „deutsche Interessen“ in der NATO in den Vordergrund stellen. Einmal mehr zeigt das Programm der AfD, dass kein Interesse darin besteht, die werktätigen Menschen zu unterstützen, sondern eine Alternative zu den bisherigen Regierungsparteien für das Kapital darzustellen.
Und was hat das alles mit Musk und der Welt am Sonntag zu tun?
Das Erstarken der AfD geht an den Banken und Konzernen nicht spurlos vorbei. Während man sich lange einen „diversen“ Anstrich gab und die „Brandmauer“ aufrecht zu erhalten versucht, sucht das Kapital in Zeiten von wirtschaftlicher Stagnation nach aggressiveren „Alternativen“, die sich nicht davor scheuen, die Interessen des Kapitals entschieden voranzubringen und die Rechte und Interessen der werktätigen Menschen in diesem Land anzugreifen. Die Tür wird immer weiter geöffnet für eine breitere Unterstützung der AfD. Der Axel-Springer-Verlag symbolisiert diese Öffnung sehr deutlich, indem er mit dem Kommentar von Musk offen Propaganda für die AfD verbreitet. Musk, der Millionen in den Wahlkampf von Donald Trump gesteckt hat, daraus aber auch seine Aktienanteile in die Höhe hat schießen lassen und der u.a. ein riesiges Tesla-Werk in Brandenburg besitzt, sucht in Europa Verbündete für eine aggressivere Politik im Interesse des Kapitals. Nicht umsonst besuchte Musk auch schon Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Und so bezog Musk nicht nur im Welt am Sonntag-Artikel Stellung für die AfD, sondern auch im Gespräch mit Alice Weidel. Denn nicht nur blieben die zahlreichen Lügen und Falschinformationen, die die AfD—Parteichefin bei jenem Gespräch verbreitete unwidersprochen, sondern es folgte ein erneuter Aufruf von Seiten Musks, dass die AfD die letzte Hoffnung für Deutschland sei. Ende Januar soll es zu einem persönlichen Treffen zwischen Weidel und Musk kommen, ausgerechnet auf einem Wirtschaftsgipfel, organisiert vom Axel-Springer-Verlag.
Die Ursachen bekämpfen
Die Entwicklung zeigt, dass immer mehr Unternehmen auf den Zug aufspringen werden, die rechte Partei als Alternative und nicht als Bedrohung zu sehen, wie es in Österreich der Fall ist. Einige der Konzerne finden es nicht mehr „verwerflich“, sich für ihre wirtschaftlichen Interessen auf die Seite der AfD zu stellen. Der Wiederwahlsieg Trumps in den USA und die Tatsache, dass der Milliardär Musk über Plattformen verfügt, die das politische Gleichgewicht von Ländern beeinflussen können, spielen ebenfalls eine Rolle.
Das gibt grünes Licht für einen Teil des Kapitals, rechte und rassistische Rhetorik zu normalisieren. Deshalb ist es notwendig, einen Diskurs und ein Handeln zu entwickeln, die große Teile der Bevölkerung entsprechend beeinflussen. Das erfordert keinen oberflächlichen, sondern einen programmatischen, ideologischen und politischen Kampf gegen die AfD. Die Millionen Werktätigen und Jugendlichen, die diese rassistische Partei gewählt haben, können nur gewonnen werden, wenn erklärt wird, dass die AfD eine neue Alternative für das Kapital geworden ist. Es darf nicht vergessen werden, dass die Wurzel aller Probleme nicht die Migranten und die Geflüchteten sind, sondern der Kapitalismus und die Parteien, die ihn stützen. Die wachsende Angst vor der Zukunft, die wirtschaftlichen Probleme, die Unsicherheit, die Feindseligkeit gegenüber Migranten und Geflüchteten verdecken das wahre Gesicht dieser Partei. Es braucht heute mehr Anstrengungen als gestern, um die AfD das zu entlarven, was sie ist: eine Alternative fürs Kapital.
Quelle: Yeni Hayat / Neues Leben