Mehr Staat, mehr Sicherheit, mehr Ausgleich – Sozialstaatsradar 2025 liefert klares Ergebnis
Übernommen von DGB Pressemitteilungen:
Die Menschen in Deutschland wollen eine verbindliche, umfassende und solidarische Absicherung. Sie setzen dafür auf einen starken Sozialstaat und würden für mehr Sicherheit sogar höhere Beiträge in Kauf nehmen. Das ist das klare Ergebnis des „Sozialstaatsradars 2025“, einer Befragung von 3.000 Personen im Auftrag des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), der Arbeitnehmerkammer Bremen und der Arbeitskammer des Saarlandes Ende 2024.
Staat statt privat – Die Menschen wollen eine verbindliche soziale Sicherung
“Die Beschäftigten wollen nicht auf eigenes Risiko für das Alter, Krankheit, oder Pflege vorsorgen”, stellt Anja Piel, Mitglied des DGB-Bundesvorstands, fest. “Ganz im Gegenteil: Eine überwältigende Mehrheit will ein verpflichtendes und automatisches Sicherheitsnetz.” Das sagen 80 Prozent der Befragten. “Der Sozialstaat ist das Fundament der Demokratie, bietet Sicherheit, Zusammenhalt in schwierigen Zeiten und ermöglicht Menschen ein selbstbestimmtes Leben. Wer die Axt an diese Errungenschaften legt, gefährdet gesellschaftlichen Frieden und die Stabilität unseres Landes,” betont Piel.
Auch wie die soziale Sicherung gestaltet sein soll, ist für die Befragten, die für eine verbindliche Vorsorge sind, eine klare Sache: Eine deutliche Mehrheit – über 70 Prozent – will ein Sicherheitsnetz durch öffentliche Institutionen – etwa Sozialversicherungen. Nur sehr wenige (12 Prozent) würden dafür vor allem auf private Unternehmen setzen.
“Staat vor privat garantiert guten sozialen Schutz”, erklärt Piel. „Das ist für die Beschäftigten glasklar. Beitragszahler*innen haben sich die Sozialversicherungen selbst erwirtschaftet, die Leistungen daraus sind keine Almosen. Deshalb erwarten sie zurecht, dass der Staat ihnen für ihre Beiträge und Steuern Sicherheit bietet, statt sie mit Risiken allein zu lassen“, sagte Piel. Mit Blick auf die bevorstehende Bundestagswahl machte sie deutlich: “Im Wahlkampf gegen Bedürftige und den Sozialstaat Stimmung zu machen ist das Zündeln am Sozialstaat mit Scheindebatten. Die großen strukturellen Probleme unserer Wirtschaft sind weder von den Beschäftigten eingebrockt, noch löst man sie, indem man auf dem Rücken der breiten Bevölkerung an Sozialleistungen spart. Stattdessen muss endlich die zukunftsblinde Schuldenbremse reformiert und Superreiche stärker zur Finanzierung des Gemeinwohls herangezogen werden”, forderte Piel.
Mehr statt weniger Geld – Die Menschen wollen höhere Beiträge für die bestehende soziale Sicherung leisten
Klar ist, dass gute soziale Sicherung etwas kostet. Die Bevölkerung im Land ist sich dessen sehr wohl bewusst, und sie möchte den gegenwärtigen Standard mindestens bewahren, oft auch wieder ausbauen. Das zeigt sich etwa beim Thema Rente. 63 Prozent wären bereit, etwas höhere Beiträge zu zahlen, wenn die Leistungen dadurch mindestens auf dem bisherigen Niveau bleiben. Weitere 12 Prozent würden sogar deutlich höhere Beiträge für bessere Leistungen akzeptieren – bei den Arbeitnehmer*innen unter 30 Jahren sind es sogar 23 Prozent. „Oft wird behauptet, ein ordentliches Rentenniveau gehe zulasten der Jüngeren. Das ist nicht nur faktisch falsch, sondern entspricht auch ausdrücklich nicht der Meinung der Beschäftigten“, sagt Peer Rosenthal, Hauptgeschäftsführer der Arbeitnehmerkammer Bremen. „Unsere Befragung zeigt, dass gerade jüngere Beschäftigte zu höheren Beiträgen bereit wären, um selbst noch eine gute Rente zu erreichen. Die Politik sollte sich das zu Herzen nehmen und den mit dem Rentenpaket II vorgesehenen Weg weiter beschreiten: Rentenniveau mindestens halten, dafür moderat höhere Beiträge verlangen.“
Dass die Bevölkerung auch angesichts des weiteren demografischen Wandels keineswegs resigniert hat, sondern mit Blick auf ihren sozialen Schutz anspruchsvoll bleibt, zeigt sich übrigens auch bei der Pflege: „Das Teilleistungssystem in der Pflege mit explodierenden Eigenanteilen ist auch in den Augen der Versicherten gescheitert und muss vom Kopf auf die Füße gestellt werden“, erläutert Rosenthal. So sollten künftig die Versicherten einen festen Betrag zahlen und die Pflegekasse alle weiteren Kosten tragen. „Damit ist gesichert, dass die Belastungen für die Pflegebedürftigen gedeckelt sind.“
Starker statt schwacher Ausgleich – Die Menschen wollen eine solidarische soziale Sicherung
Der Sozialstaat ist kein bloßes Sparschwein für Einzelne, sondern sichert über Generationen und Einkommensgruppen hinweg zuverlässig und solidarisch ab. Offensichtlich passt dieses Prinzip zu den Grundeinstellungen der Menschen im Land. „Wir sehen uns in unseren langjährigen Forderungen bestärkt, dass die solidarischen Sozialversicherungen systematisch weiterentwickelt werden müssen“, betont Jörg Caspar, Vorstandsvorsitzender der Arbeitskammer des Saarlandes. „Langfristig brauchen wir beispielsweise Bürgerversicherungen für Gesundheit und Pflege, in die dann alle nach ihrer vollen Leistungsfähigkeit einzahlen.“
Etwa drei Viertel der Bürger*innen plädieren außerdem für eine Ausweitung des Versichertenkreises in der Rentenversicherung. So sind etwa 46 Prozent für eine allgemeine Erwerbstätigen-Rentenversicherung, in der alle Erwerbstätigen einbezogen sind, also auch Selbständige und Beamte. 29 Prozent sprechen sich sogar für ein noch umfassenderes Bürgermodell aus, in dem alle Menschen in Deutschland versichert sind und ihr gesamtes Einkommen gleichermaßen zur Finanzierung herangezogen wird. Caspar betont: „Eine große Mehrheit will eine gemeinsame Rentenversicherung für alle Erwerbstätigen. Die Politik muss als ersten Schritt daher sofort ausnahmslos alle Selbstständigen und Abgeordneten einbeziehen! Und sie sollte außerdem über einen besseren Schutz vor Altersarmut nachdenken, für den sich die meisten im Land eine echte Mindestrente wünschen. Die Menschen sind eben keine Einzelkämpfer, und sie wollen es auch nicht sein: In starken Solidarsystemen muss die Anerkennung der persönlichen Lebensleistungen mit einem starken sozialen Ausgleich verbunden werden, für die, die ihn brauchen. Und dazu gehört, dass der soziale Ausgleich solidarisch finanziert wird.“
Sozialstaatsradar von DGB und Arbeitnehmerkammer Bremen und Arbeitskammer des Saarlandes
Im Auftrag des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) sowie der Arbeitnehmerkammer Bremen und der Arbeitskammer des Saarlandes hat das uzbonn vom 25. November bis zum 10. Dezember 2024 anhand einer systematischen Quotenstichprobe grundlegende Positionen zum Sozialstaat und zu den Themen Gesundheit, Pflege und Rente erhoben. Insgesamt wurden 3.000 Personen der Wohnbevölkerung in Deutschland im Alter ab 18 Jahren per Online-Interview befragt und die Ergebnisse so gewichtet, dass die Resultate die tatsächliche Verteilung – etwa nach Alter, Geschlecht oder Region – repräsentieren.
Das Sozialstaatsradar 2025: Zentrale Ergebnisse zum Download
Quelle: Deutscher Gewerkschaftsbund