ÖVP bricht Koalitionsverhandlungen ab, Nehammer geht
Übernommen von Zeitung der Arbeit:
Nur 32 Stunden nach den NEOS zieht sich auch die ÖVP aus den Verhandlungen über die Regierungsbildung zurück – die SPÖ blieb allein am Tisch und in Opposition.
Wien. Das augenscheinlichste Ergebnis des gestrigen Abbruchs der Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ durch die ÖVP besteht zunächst im politischen Ende von Karl Nehammer. Sein Verbleib als Bundeskanzler war auf Gedeih und Verderb von einem Erfolg abhängig. Man wusste: In jeder anderen Koalition ist Nehammer weg – und so ist es nun auch gekommen. Irgendjemand in der ÖVP – dem Vernehmen nach der Wirtschaftsbund – hat dem Regierungschef gestern gesagt: Karli, es ist vorbei!
Offensichtlich hat sich der Wind endgültig gedreht. Bei fünf schwarz-blauen Landesregierungen in Österreich (sowie in der Steiermark der ersten von der FPÖ geführten) hat das Distanzierungstheater aus dem Wahlkampf längst keinen Sinn mehr. Die maßgeblichen Meinungsbildner in der Hauptpartei des Kapitals haben sich für eine Zusammenarbeit mit der FPÖ entschieden, denn ein anderes Szenario gibt es am Ende des Tages nicht mehr, sei es mit oder ohne Neuwahlen, mit oder ohne Van der Bellen.
Es zeigt sich aber auch, in welchem Ausmaß das Kapital um seine Profite fürchtet. Nicht einmal harmlose sozialdemokratische oder grüne Verbesserungen sind zulässig, es muss durchregiert werden – mit Sparpaket, Pensionsraub, Sozialabbau, Arbeitslosigkeit etc., alles zulasten der Arbeiterklasse und der sozial benachteiligen Menschen. Mit der Rezession ist nicht zu spaßen, mit dem Budgetdefizit ebenfalls nicht, lautet wohl der Kerngedanke in der Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung. Man braucht alle Zügel in einer Hand, womit man auch den verbalradikalen, aber inhaltlich letztlich tadellos zur ÖVP passenden Kickl integrieren wird.
Ironie am Rande: Für die SPÖ, die zwar über eine verpasste Chance jammert, könnte die nunmehrige Oppositionsrolle von Vorteil sein. Andreas Babler kann sich erstmals an der Spitze seiner NR-Fraktion als parlamentarischer Widerstand inszenieren, was ihm bisher ja nicht möglich war, und unter gänzlich anderen Voraussetzungen in die nächste Nationalratswahl gehen. Nicht dass man sich viel von der Sozialdemokratie erwarten sollte, aber zumindest werden die kommunizierenden Gefäße des bürgerlich-demokratischen Politikschauspiels wieder korrekt befüllt.
Quelle: Zeitung der Arbeit