Zuckerl-Koalition ist Geschichte: Der Drops ist doch nicht geluscht
Übernommen von KOMintern:
Die Zuckerl-Koalition ist schon Geschichte bevor der Drops fertig gelutscht werden konnte. Die unsoziale, bevorstehende Rotstiftpolitik ging den Pinken noch nicht weitreichend genug. Zudem konnten sie sich mit ihrem Pochen auf ein weiteres Hochschrauben des Pensionsantrittsalters auf 67 Jahre (noch) nicht unmittelbar durchsetzen. Wie es kurzfristig und auf mittlere Perspektive konkret weitergeht, steht zurzeit noch in den Sternen. Was NEOS im koalitionären Farbenspiel für die sozialen Arbeits- und Lebensinteressen der breiten Bevölkerung indessen schon immer bedeuteten, jedenfalls, ploppte nun auch weiteren Kreisen schemenhaft auf. Daher noch einmal an der Pensionsdebatte illustriert.
Entgegen der von Beate Meinl-Reisinger theatralisch vorgetragenen Stuss: „Glaubt denn irgendwer ernsthaft, dass wir in zehn, fünfzehn, zwanzig Jahren nichts ändern müssen – auch beim gesetzlichen Pensionsantrittsalter“, sind die stetig getrommelten Verunsicherungen der ökonomischen und demografischen Pension-Alarmisten und Schwarzmaler, die in einem fort die Pensionsausgaben dramatisieren und hinsichtlich der langfristigen Finanzierbarkeit des Pensionssystems von einem „unweigerlich drohenden Pensionskollaps“ schwadronieren, schlicht Humbug.
Voodoo Zahlen contra EU Ageing Report
Das belegen regelmäßig auch die alle drei Jahre veröffentlichten Ageing Reports der EU-Kommission, in ihren umfassenden Prognosen zu den altersbezogenen Ausgaben der EU-Mitgliedsstaaten. So ist dem letzten, heuer erschienen Ageinig Report zufolge die langfristige Finanzierung der Pensionen in Österreich auch in keiner Weise gefährdet – wie es in neoliberaler Manie gerade aktuell wieder einmal fälschlich getrommelt wird –, sondern erhöhen sich die Pensionsaufwendungen nur sehr moderat von 13,8% des BIP 2013 (inkl. Beamtenpensionen) auf 14,0% 2070; mit einem dazwischenliegenden vorübergehenden Anstieg auf 15,0% 2030, aufgrund der Pensionsantritte der geburtenstarken Babyboom-Generation, bevor die Aufwendungen wieder sinken. Dem aktuellsten, zum vorletzten sogar nach unten korrigierten, EU-Ageing Report 2024 zufolge, liegt die neueste Langfristprojektion (Ausgaben für Ausgleichszulagen und Reha-Geld miterfasst) sogar noch unter den bisherigen Prognosen.
Entsprechend unterstreichen auch die heimischen PensionsvertreterInnen in Regelmäßigkeit zu Recht: Weder gibt es eine „Ausgaben-“ oder „Kostenexplosion“ noch ein „Pensionsloch“, sondern grundsätzlich vielmehr eine stabil und verlässlich finanzierbare Altersversorgung in Österreich.
Die spiegelbildliche Seite der Medaille
Dem (aktuell) anwachsenden Anteil an PensionistInnen an der Bevölkerung, stehen mit dem anteilsmäßigen Rückgang der Jüngeren zudem ebenfalls spiegelbildliche Ausgabenverringerungen gegenüber. Da die Gesellschaft für beide erwerbslosen Gruppen finanziell aufkommen muss, sind folglich auch die daraus resultierenden gesellschaftlichen Gesamtaufwendungen geringer, als aus einer verengten Pensions-Froschperspektive gemeinhin behauptet wird. Zudem liegt im jetzigen Pensionsantritt der geburtenstarken Jahrgänge auch ein temporäres Phänomen (dem Hineinwachsen der Babyboom-Geburtsjahrgänge ins Pensionsalter) verborgen, da mit dem Geburtenrückgang nach dem Babyboom ab nächstem Jahrzehnt auch die Zahl der älteren in Pension gehenden Semester wieder Jahr für Jahr sinken wird. Denn die Anzahl der Alten steigt natürlich nicht stetig weiter an, wenn seit grob Mitte der 1960er im Schnitt Jahr für Jahr weniger Kinder geboren wurden, die nach ihrem Erwerbsleben demnächst und künftig in Ruhestand gehen werden, weshalb die Entwicklung nach dem Babyboomer-Peak denn auch von einer gegenläufigen Entwicklung abgelöst wird – und auch die Menschen werden trotz zunehmender Lebenserwartung auch nicht unbeschränkt älter. Zugleich ist die Pensionsfrage im Einzelnen nochmals diffiziler.
Demographische vs. ökonomische Abhängigkeitsquote
Für die Finanzierung des umlagebasierten Pensionssystems ist gleichfalls nicht, wie oft fälschlich angenommen, die Altenquote entscheidend, sprich das bloße Verhältnis zwischen Personen über 65 Jahren und jenen im erwerbsfähigen Alter (15 – 64). Diese rein demographische Abhängigkeitsquote wird oft als Verhältnis zwischen Berufstätigen und PensionistInnen fehlinterpretiert, indem die Zahl der Menschen im Erwerbsalter mit jenen der aktiv Erwerbstätigen gleichgesetzt wird. Neben anderen Faktoren wie der Produktivitäts- und Lohnentwicklung, der Leistungsniveaus und der Finanzierungsstruktur ist vielmehr die Beschäftigungsquote für die Nachhaltigkeit des Pensionssystems relevant. Statt einem verengten Blick auf die demographische Abhängigkeitsquote sollte der ökonomischen Abhängigkeitsquote verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt werden. Sie zeigt das Verhältnis zwischen BezieherInnen von Transferleistungen, also Arbeitslosen und PensionistInnen, auf der einen und aktiv Erwerbstätigen auf der anderen Seite. Eine möglichst hohe Beschäftigungsquote ist, neben der sozialen Absicherung der Einzelnen, auch die wirksamste Strategie für eine nachhaltige Finanzierung des Pensionssystems und die Bewältigung des demographischen Wandels im Allgemeinen. Die Sicherung und Verbesserung der Qualität der Arbeitsplätze muss dabei ebenso einen wesentlichen Stellenwert einnehmen, wie die Umverteilung der Erwerbsarbeit zwischen Beschäftigten und Arbeitslosen sowie innerhalb der Beschäftigten die Umverteilung v.a. unfreiwillig unterschiedlicher Arbeitszeiten.
Wider der neoliberalen Schmalspurökonomie
Zugleich ist das neoliberale pensionspolitische Mantra, die Pensionen seien „aufgrund der demographischen Entwicklung nicht ausreichend finanziert“, generell ein Unsinn. Denn das bloße zahlenmäßige Verhältnis von Jung zu Alt, sagt noch nichts über die Finanzierbarkeit unseres Pensionssystems aus. Zwar steigt tendenziell die durchschnittliche Lebenserwartung, doch gleichzeitig wird der Anteil der Pensionsaufwendungen – gemessen am BIP – dadurch nur äußerst moderat ansteigen. Das belegt, wie bereits eingangs skizziert, unter anderem auch der letzte Ageing Report der EU-Kommission, mit seiner prognostizierten Erhöhung der Pensionsaufwendungen in Österreich von 2013 auf 2070 von 13,8% auf 14,0% des BIP, eindringlich.
Der Anstieg der durchschnittlichen (!) Lebenserwartung involviert beiher zugleich, dass um die 15% das Erreichen ihres Pensionsantrittsalters nicht mehr erleben und eine noch höhere Anzahl an PensionistInnen nur wenige Jahre der sogenannten „beschwerdefreien Lebenserwartung“ verbleiben, um nach einem arbeitsreichen Leben ihren verdienten und entspannten Lebensabend zu genießen. Zudem entspannen sich – wie eingangs bemerkt – aufgrund der weiteren demografischen Entwicklung resp. demografischen Lage die Pensionsaufwendungen im Ausmaß ihrer temporären Erhöhung durch die aktuellen Pensionsantritte der geburtenstarken Jahrgänge à la longue wieder.
Viel wichtiger unter volkswirtschaftlich, gesellschaftlich-ganzheitlichem Blickwinkel noch, worauf linke ÖkonomInnen seit je den Finger legten: Weder ist es nötig, das Pensionsniveau zu senken, noch das Pensionsantrittsalter zu erhöhen. Denn, es kommt nicht darauf an, wie sich die Relation zwischen Erwerbstätigen zu Nichterwerbstätigen, sondern das Verhältnis des verteilbaren Reichtums einer Gesellschaft zur Anzahl ihrer Mitglieder ändert. Und diese Zahl – das Volkseinkommen pro Einwohner – steigt.
Sonach gibt es auch nicht eigentlich ein Pensionsproblem, sondern vielmehr ein Verteilungsproblem. Und hierin liegt der entscheidende Konflikt. Auf dieser Grundlage ließe sich das umlagebasierte Pensionssystem verbessern und durch die geboten garantierte staatliche Zuschüsse stärken – und problemlos zukunftsfest machen.
In diesem Zusammenhang sei lediglich noch mit einem weiteren, von Meinl-Reisinger ebenso angezogenem, ständig geschwungenem Propagandaknüppel aufgeräumt: dem durchsichtigen Ausspielen der Älteren gegen die jüngere Generation, der man die Pensionsleistungen nicht zumuten könne. Weshalb wir Meinl-Reisingers Analphabetismus zufolge in einer dreisten „Schuldigkeit, im Sinne einer Generationsgerechtigkeit“ waten würden. In einem umlagebasierten Pensionssystem fungieren die Jüngeren aber nicht als Samariter für die Älteren, sondern erwerben mit ihren Pensionsbeiträgen vielmehr das Anrecht auf ihre eigenen Pensionen. Es sind demgegenüber in Wirklichkeit gerade jene Neoliberalen, die der resp. einer stärkeren Kapitaldeckung das Wort reden, die den Jüngeren im kapitalistischen Verwertungsinteresse eine untragbare Belastung aufzubürden gedenken. Denn ein solcher Paradigmenwechsel würde bedeuten, dass die heutige erwerbstätige Generation für die heutigen PensionistInnen sorgt und zugleich Kapital für die eigenen Pensionen bilden müsste – ein Sachverhalt auf den linke ÖkonomInnen ebenfalls schon seit Geraumen hinweisen. Ganz zu schweigen vom direkten Ansetzen der Kettensäge.
Quelle: KOMintern