8. März: Der Kampf für Gleichberechtigung, gegen Krieg und Hunger
Übernommen von Yeni Hayat / Neues Leben:
Özgün Önal
Anlässlich des Internationalen Weltfrauenkampftages haben wir mit der Vorsitzenden des Bundesverbands der Migrantinnen in Deutschland, Ceyda Tutan, ein Interview über die aktuelle Lage der Frauen, insbesondere der Migrantinnen, in Deutschland geführt.
Welche Bedeutung hat der 8. März für euch, den Bundesverband der Migrantinnen?
Weltweit kämpfen Frauen am Internationalen Weltfrauentag für ein selbstbestimmtes Leben, für ihre Rechte gegen Gewalt, gegen Unterdrückung, Rassismus, Sexismus, Diskriminierung und Ausbeutung. Denn es ist nach wie vor so, dass wir von einem gleichberechtigten Leben noch meilenweit entfernt sind. Die hart erkämpften Rechte der Frauen, sind zur Zielscheibe von konservativen und rechten Parteien geworden, die Frauen wieder in traditionellen Rollen, als gebärende Mütter in der Kleinfamilie sehen wollen. Diese rückwärtsgewandte Frauenpolitik gefährdet nicht nur unsere Rechte, sie wirft auch den Kampf um Gleichstellung weit zurück. Deshalb ist der 8. März nicht nur historisch ein wichtiger Tag, der uns an die kämpferische Frauenrechtsbewegung und ihre Errungenschaften erinnert, sondern fordert uns auf, unseren Kampf um Gleichberechtigung, Selbstbestimmung und Gleichheit auf die Straßen zu bringen.
Wie sehen eure Vorbereitungen mit Blick auf den 8. März aus?
Die Mitglieder unserer Vereine werden bundesweit in verschiedenen Städten an den 8. März Demonstrationen teilnehmen und unsere Forderungen lautstark zum Ausdruck bringen. In zahlreichen Städten werden an diesem Wochenende Veranstaltungen unserer Mitgliedsvereine stattfinden. Mit einem Kurzfilm, Redebeiträgen und Gesprächsrunden werden auch die aktuellen Geschehnisse und Entwicklungen thematisiert, des Weiteren gibt es kulturelle Beiträge, die von den Frauengruppen unter anderem selbst vorgetragen werden.
Vor welchen besonderen Herausforderungen stehen Frauen, insbesondere Migrantinnen, in Deutschland heute?
In Deutschland sehen wir nach wie vor zahlreiche Probleme, die Frauen betreffen. Die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen liegt bei 16 % und Frauen leisten nach wie vor den Großteil der unbezahlten Sorgearbeit. Sie arbeiten häufiger in prekären Beschäftigungsverhältnissen und in Teilzeit. Für viele ist die finanzielle Herausforderung kaum mehr zu bewältigen und dann droht im Rentenalter noch die Altersarmut. Des Weiteren sind sie nicht nur betroffen von einer rückwärtsgewandten Frauenpolitik, sondern werden gerade in der Asyl- und Migrationspolitik, instrumentalisiert. Alle etablierten Parteien bedienen sich daran, bei jeder Gelegenheit einen rassistischen Diskurs zu führen, um von eigentlichen Problemen abzulenken. Ein kaputtes Gesundheitssystem, marode Schulen, fehlende Frauenhäuser, fehlende Kitaplätze sind die Folgen der Ausgaben für Rüstung und Wirtschaftssubventionen. Das Gewalthilfegesetz wurde zwar verabschiedet, weist aber erhebliche Lücken auf. Der aktuelle Gesetzentwurf ignoriert dabei die bestehende Diskriminierung insbesondere geflüchteter und über den Familiennachzug eingewanderter Frauen beim Zugang zu Schutzräumen. Auch ein Gesetzesvorhaben zur Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in den ersten zwölf Wochen ist vorerst gescheitert wegen dem Widerstand von Union und FDP.
Welche politischen oder gesellschaftlichen Forderungen habt ihr insbesondere im Hinblick auf den 8. März?
Wir fordern gleichwertige Bezahlung für gleichwertige Arbeit! Kein Mensch sollte aufgrund seines Geschlechts weniger verdienen. Das Bangen um die Existenz muss ein Ende haben! Deshalb müssen Beschäftigungsverhältnisse ab dem ersten Euro sozial abgesichert sein. Dies ist entscheidend, um die wirtschaftliche Sicherheit von Frauen zu gewährleisten und die Altersarmut zu bekämpfen, die viele Frauen, insbesondere Migrantinnen, betrifft. Wir wollen ein Leben in Vielfalt und Solidarität! In den vergangenen Wochen haben zigtausende Menschen gegen den Rechtsruck in vielen Städten demonstriert. Wir dürfen uns nicht spalten lassen und müssen gemeinsam gegen Rassismus – für unsere Rechte kämpfen. In den letzten Jahren haben Kriege Hunderttausende von Menschenleben gefordert. Im Zuge von Kriegen und Konflikten steigen die Rüstungsbudgets weltweit an. Es sorgt für noch mehr Tod, Leid und Flucht, statt Sicherheit. Wir wollen Frieden jetzt sofort! Stoppt das Aufrüsten! Trotz zahlreicher Gesetze und Abkommen, die zur Gleichberechtigung beitragen und Frauen und Mädchen schützen sollen, erleben Frauen heute nach wie vor oft Benachteiligung, Abwertung und Gewalt. Wir fordern gesetzliche Nachbesserungen, damit alle gewaltbetroffenen Frauen Zugang zu Schutz und Hilfe bekommen. Seit 150 Jahren stellt der Paragraf 218 Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe, seit mehr als hundert Jahren kämpfen Frauen, Aktivistinnen, Frauenverbände, Bündnisse dagegen an. Wir fordern unser Recht auf körperliche Selbstbestimmung, und die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs! § 218 muss endlich raus aus dem Strafgesetzbuch!
Welche Rolle spielt Solidarität unter Frauen im Kampf für Gleichberechtigung? Habt ihr eine Botschaft an Frauen und Mädchen – besonders Migrantinnen – für den 8. März?
Die weltweite Solidarität unter den Frauen hat eine große Bedeutung, nicht nur am Internationalen Weltfrauenkampftag, denn überall auf der Welt haben Frauen das Recht auf ein Leben in Würde, ohne Angst und Not. Daher gibt uns die internationale Solidarität Kraft in unserem Kampf für Gleichberechtigung, denn wir kämpfen diesen Kampf für uns alle. Seit einigen Jahren erleben wir immer mehr junge Frauen, die sich gegen das Patriarchat auflehnen und sich organisieren, für ihre Rechte kämpfen und sich solidarisieren. Das macht Mut und das ist auch der richtige Weg. Denn die Geschichte der Frauenbewegung zeigt uns, nichts wird uns geschenkt, wir müssen unsere Rechte einfordern und dafür kämpfen, und das funktioniert am besten gemeinsam.
Quelle: Yeni Hayat / Neues Leben