Berufsverbot wegen Klimaschutz und Antikapitalismus
Übernommen von Yeni Hayat / Neues Leben:
Lisa Pöttinger ist Marxistin und Klimaaktivistin aus München. Am 17. Februar 2025 hätte Lisa ihr Referendariat an einer Schule beginnen sollen, wurde aber aufgrund ihres Aktivismus mit einem Berufsverbot belegt. Wir haben mit Lisa über das Verbot und Repressionen gesprochen.
Alev Bahadır
Wie wird das Berufsverbot gegen dich begründet? Wie kommt die bayerische Staatsregierung darauf, dass dein Engagement nicht mit der Verfassung vereinbar sei?
Ich habe mich wohl mit meiner Kritik gegen die IAA oder gegen G7 unbeliebt gemacht. Das Staatsministerium wirft mir mein Engagement beim Antikapitalistischen Klimatreffen vor. Das Klimatreffen wird vom Verfassungsschutz – der Institution mit dem Skandal rund um die NSU-Morde – als linksextrem gebrandmarkt. Im Zuge dieser Begründung werden auch meine Selbstbezeichnung als Marxistin, meine Verwendung von Begriffen wie „Profitmaximierung“ oder Slogans wie „System Change not Climate Change“ genannt. Das alles will das Staatsministerium als demokratiefeindlich verstehen, dabei ist Kapitalismus nicht in der Verfassung verbrieft, anders als Menschenrechte, die durch profitmaximierendes Wirtschaften und Klimakrise regelmäßig beschnitten und verletzt werden. Es gibt außerdem gerade zwei Verfahren gegen mich, einmal wegen eines abgerissenen AfD-Plakates und einmal wegen dem Vorwurf, ich hätte in Lützerath Widerstand gegen Polizeibeamte geleistet und sie angegriffen. Da ich aber nicht verurteilt bin und der Ausgang der Verfahren völlig offen ist, gilt die Unschuldsvermutung.
Staatliche Repressionen gegen Antifaschisten, die Klimabewegung, palästinasolidarische Gruppen nimmt zu. Kann dein Berufsverbot hier eingereiht werden?
Definitiv und leider bin ich nicht die Einzige. Da gibt es Benjamin Ruß, der wegen seiner Zustimmung zu politischen Streiks und der Demokratisierung der Wirtschaft, also normalen Gewerkschaftspositionen, nicht an der TU München arbeiten darf. Luca Schäfer durfte in Hessen nicht Lehrer werden, weil ihm seine Hilfeleistung gegenüber einer verletzten, am Boden liegenden Person auf einer 1. Mai-Demo als Angriff ausgelegt wurde. Jetzt trifft es den LINKE Direktkandidaten Gabriel Bruckdorfer wegen Mitgliedschaft in der linksjugend [’solid.
Ich glaube, wir müssen uns auf die autoritäre Wende vorbereiten. Amnesty International führt Deutschland zum ersten Mal seit 2023 auf ihrer Protestkarte auf, weil hier Versammlungs- und Meinungsfreiheit nicht mehr vollständig gewährleistet sind. Immer mehr Bundesländer wollen ja auch wieder Fragebögen zur Verfassungstreue einführen und mit der Resolution gegen Antisemitismus – die quasi gar keine Palästinasolidarität zulässt – wurde auch ein krasses Repressionsinstrument erschaffen. Aiwanger (Freie Wähler) trifft sowas aber nicht.
Welche Rolle spielt die Politik und die CSU Regierung in Bayern insbesondere bezüglich Berufsverboten?
Bayern und die CSU – und hier auch die Freien Wähler – sind immer vorne mit dabei, wenn es darum geht reaktionäre, autoritäre Gesetze durchzusetzen. Wie etwa auch das Polizeiaufgabengesetz mit seiner Präventionshaft – diese wurde nicht wie angekündigt vor allem gegen Terrorist:innen, sondern gegen Geflüchtete und Klimaaktivist:innen eingesetzt. Aber um die derzeitige Situation einzuordnen, muss man über problematische politische Akteure hinwegsehen und die systemischen Ursachen analysieren.
Der Kapitalismus produziert immer mehr Krisen, wie Vertreibung, Inflation oder die Klimakrise. Um sie zu lösen, müsste das Prinzip nach ewigem Wachstum auf einem physikalisch begrenzten Planeten oder Ausbeutung für Profitmaximierung beendet werden. Aber dann wäre es eben nicht mehr Kapitalismus. Ohne Lösung kann der Kapitalismus zum Selbsterhalt eben nur auf Repression zurückgreifen, um diejenigen, die Widerstand leisten, mundtot zu machen und einzuschüchtern. Auch die Ampel-Regierung hat schon autoritäre und migrationsfeindliche Gesetze verabschiedet, um die Krisenfolgen unsichtbar(er) zu machen. Damit sind diese Probleme aber ja nicht gelöst.
Die Militarisierung nach innen und nach außen wird stärker. Verschärfung des Asylrechts, Repressionen gegen Bürgergeld-Empfänger und eine allgemeine gesellschaftliche Rechtsentwicklung zeigt sich deutlich. Was können wir dagegen machen?
Leider ist es mit zweimal im Jahr Lichterkette schwenken nicht getan. Demokratie ist keine Dienstleistung und muss aktiv und kontinuierlich verteidigt werden, d.h. besonders jetzt ist es wichtig, dass Menschen sich organisieren und in politischen Gruppen aktiv werden.
Als Bewegung gilt es, Widerstand gegen jeglichen Rechtsrutsch und jegliche autoritäre Repression von kritischen Stimmen zu organisieren – egal, von wem sie kommen. Das fällt vielen schwer, die SPD oder Grünen nahestehen, wenn der Rechtsrutsch auch von ihnen kommt. Gleichzeitig müssen wir unseren Protest besser schützen, gegen Nazis, gegen Übergriffe durch einen immer autoritärer werdenden Staat. Wäre ich zu Beginn meines Engagements nicht so naiv gewesen, hätte ich wohl mindestens ein Pseudonym genutzt.
Wie kann man dich unterstützen?
Derzeit vor allem durch öffentliches Kritisieren dessen, was da gerade passiert: Eine krasse Einschränkung von Meinungsfreiheit – mir schreiben Referendar:innen, sie würden sich nicht trauen, die Solidaritätserklärung zu unterschreiben, weil sie dann vielleicht auch dran sind. Das geht nicht! Daher unterschreibt gerne wie 4000 Leute und 100 Gruppen bisher die Soli-Erklärung unter kurzelinks.de/SoliMitLisa und macht am 17. Februar mit #LasstLisaLehren und #Berufsverbot ordentlich Stunk. Das ist der Tag, an dem mein Referendariat beginnen würde!
Quelle: Yeni Hayat / Neues Leben