11. April 2025
TKPTürkei

Erklärung zur Demokratie und zu den Grundfreiheiten

Übernommen von Kommunistische Partei der Türkei (TKP):

Für die Anhänger religiöser Sekten bedeutete Demokratie Freiheit für Scheichs, Imame und Prediger – für jene also, die Feinde der Republik und des Laizismus sind.

Für die Kapitalistenklasse bedeutete Demokratie die Unantastbarkeit der Bosse, die Freiheit zur Plünderung und Ausbeutung, die schrankenlose Möglichkeit, Arbeiter:innen auszubeuten.

Für die Imperialisten war die Freiheit ein Vorwand für die Invasion von Ländern; die Demokratie war der Deckname für Putsche und „bunte Revolutionen“.

Sie haben diese Begriffe und Werte beschmutzt.

Sich dieser Verschmutzung zu widersetzen, bedeutet nicht, dass wir gegen Demokratie und Freiheit sind.

Wir wollen die bestmögliche Version davon – für die gesamte Menschheit, unser Volk, unser Land.

Aber wir werden keine Demokratie unterstützen, die mit Sorosismus, Marktwirtschaft, NATO-Hörigkeit und Sektierertum verseucht ist. Und wir werden keine Freiheit akzeptieren, die in Wirklichkeit nur eine Geisel des Imperialismus und der Ausbeutung ist.

Demokratie bedeutet, dass die Beteiligung des Volkes an Entscheidungsprozessen nicht eingeschränkt werden darf. Seit Jahrzehnten werden in der Türkei Maßnahmen ergriffen, um die Werktätigen von der Politik fernzuhalten, sie daran zu hindern, eigene Vertreter ins Parlament zu entsenden. Die AKP hat diese Politik auf die Spitze getrieben, den politischen Raum immer weiter eingeengt, Politik auf Wahlen reduziert – und nun stehen wir an der Schwelle zur völligen Abschaffung des Wahlrechts.

Das Recht des Volkes auf Protest wurde von höchster Stelle als „Putschversuch“ diffamiert. Politisches Engagement wurde kriminalisiert, das System der Zwangsverwalter zu einem Druck- und Erpressungsinstrument umfunktioniert. Willkürliche Angriffe auf politische Akteure, mit denen wir als Partei in keinerlei ideologischer Nähe stehen und aus tiefgreifenden, nicht persönlichen Gründen in klarem Gegensatz stehen, wurden als Drohkulisse genutzt, um der gesamten Bevölkerung zeigen: Wenn nötig, wird selbst die Wahlurne ignoriert.

Die Kommunistische Partei der Türkei (TKP) sagt klar: Wahre Demokratie und echte Freiheit können nur in einer sozialistischen Gesellschaft verwirklicht werden, in der die Arbeiterklasse an der Macht ist. Ohne Gleichheit, Unabhängigkeit und Laizismus gibt es keine Demokratie und keine Freiheit.

Genau deshalb besteht ein Teil unseres Kampfes gegen die Diktatur des Kapitals darin, das Streben nach Demokratie und Freiheit mit der Befreiung des Volkes von Ausbeutung zu verbinden.

Wir fordern alle etablierten Parteien heraus.

Ihr dachtet also, ihr würdet im Namen von „Demokratie und Freiheit“ unser Volk dazu bringen, Bigotterie, pro-US-Amerikanismus, Boss-Tyrannei und liberale Wahnvorstellungen zu schlucken. Bitte sehr:

1. Die am meisten entrechtete Gruppe in diesem Land ist die Arbeiterklasse, die Werktätigen. Sie sind es, die unter der Inflation leiden, die mit der Drohung der Arbeitslosigkeit diszipliniert werden sollen. Ihnen wurde das Recht genommen, sich gegen niedrige Löhne zu wehren. Sie haben kein Mitspracherecht bei der Festlegung des Mindestlohns. Ihr in der Vergangenheit unter großen Opfern erkämpftes Streikrecht wurde fast vollständig abgeschafft.

 2. Politik darf nicht auf Wahlen reduziert werden. Das Recht, zu wählen und gewählt zu werden, ist sehr wichtig. Aber dieses Recht beschränkt sich nicht darauf, alle paar Jahre eine Stimme in die Urne zu werfen. Politik ist eine soziale Beziehung, die in allen Lebensbereichen und zu allen Zeiten existiert. Es ist kein Verbrechen, wenn Werktätige oder gesellschaftliche Gruppen gegen die Regierung protestieren, sie zum Rücktritt auffordern oder politisch und ideologisch Druck ausüben. Die Regierung erfindet nach Belieben neue „Straftaten“ und hält sich für unantastbar.

  3. Wir treten für eine organisierte Gesellschaft ein. Unsere Bürger:Innen müssen an ihren Arbeitsplätzen, in ihren Schulen und in ihren Wohnvierteln organisiert sein. Massenorganisationen, Versammlungen, Gewerkschaften und politische Parteien sind verschiedene Formen dieser Organisation. Während die Regierung systematisch gegen alle diese Organisationsformen vorgeht, hat sie den von den republikanischen Revolutionen verbotenen Sekten breiten Raum gelassen. Diese Sekten, die für sich in Anspruch nehmen, „heilig“ zu sein, üben alle möglichen Aktivitäten ohne jegliche Kontrolle aus, nehmen kleine Kinder unter dem Deckmantel von Kursen in ihre Strukturen auf, lassen sich in allen öffentlichen Einrichtungen nieder und erwirtschaften riesige Gewinne, die nicht versteuert werden. Die Definition, die in den Schulbüchern steht: „Laizismus ist Respekt vor dem Glauben“, wurde erfunden, um den Sekten einen Freibrief zu geben. Die Freiheit des Glaubens und der Religionsausübung ist ein grundlegendes Menschenrecht, das von niemandem angetastet werden darf. Es gibt nur eine Definition des Laizismus: die Trennung der religiösen Angelegenheiten vom Staat und von der Politik.

   4. Die Türkei muss das bestehende Parteien- und Wahlgesetz so schnell wie möglich abschaffen. Alle Paragraphen dieses Gesetzes zielen darauf ab, die Menschen von der Politik fernzuhalten. Das Gesetz schafft Ein-Mann-Parteien. Die politische Struktur ist voll von Bestimmungen und Praktiken, die das Prinzip der Gleichheit grundlegend untergraben, von der Unterstützung der politischen Parteien aus der Staatskasse, die aus den Taschen des Volkes kommt, über die Umwandlung der TRT (staatlich-öffentlicher Rundfunksender der Türkei), die unparteiisch sein sollte, in eine ästhetische und unrealistische Propagandatrompete der Regierung, bis hin zur 7-Prozent-Hürde für den Einzug ins Parlament und zu Wahlbündnissen.

    5. Sowohl das Präsidialsystem als auch sein Gegenstück, das parlamentarische System, schränken die Befugnisse des Parlaments ein. Es sollte jedoch keine Macht geben, die über dem Willen des Volkes steht. Die Minister, das Staatsoberhaupt und der Premierminister sollten vom Parlament gewählt werden, ihm gegenüber verantwortlich sein und gegebenenfalls vom Parlament entlassen werden. Das Parlament, das diese Autorität ausübt, sollte sich nicht aus Berufspolitikern zusammensetzen, sondern aus Arbeitern, Intellektuellen und Studenten, die weiterhin im Volk leben und produzieren. Das Parlament sollte nicht ständig, sondern in regelmäßigen Abständen zusammentreten, wobei alle wichtigen Fragen des Landes auf der Tagesordnung stehen und dem Volk vorgelegt werden sollten.

 6.  Die jetzige Regierung ist nicht legitimiert, eine Verfassung zu schreiben. Die Verfassung der Konterrevolution vom 12. September kann nicht durch eine andere konterrevolutionäre Verfassung ersetzt werden. Die nächste Verfassung der Türkei muss eine revolutionäre Verfassung sein. Wenn heute eine Aktualisierung notwendig ist, dann muss unter den unveränderlichen Bestimmungen der Verfassung stehen: „Der Staat übernimmt für alle Bürger die Kosten für Bildung, Gesundheit, Wohnung und Heizung“ und „Die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen ist verboten“.

Nun fragen wir alle politischen Parteien, Regierung und Opposition: Wie steht ihr zu diesen grundlegenden Fragen?

Wollt ihr weiterhin von „Demokratie und Freiheit“ reden, wenn es euch passt, und den Kopf in den Sand stecken, wenn es euch nicht passt? Es gibt Demokratie und es gibt Demokratie… Die Demokratie, die ihr verteidigt und hinter der ihr euch versteckt, ist die Demokratie der Kapitalisten und Bosse. In dieser Demokratie ist kein Platz für das werktätige Volk, für die Arbeiterklasse.

Beginnend mit dieser Erklärung werden wir unserem Volk nach und nach zeigen, wie ihr euch hinter den Worten „Demokratie“ und „Freiheit“, von denen ihr ständig redet, versteckt.

Wenn ihr behauptet, aufrichtig zu sein, dann müsst ihr auf unsere Vorschläge zur Reform des Wahl- und Parteiengesetzes, die euch in Kürze zugehen werden, eingehen und diese umsetzen.

TKP-Zentralkomitee
17.02.2025

Quelle: TKP-Deutschland