Der 800 Mrd. Euro Plan: EU im Rüstungs-, Militarisierungs- und Weltordnungskriegs-Delirium
Übernommen von KOMintern:
Nachdem es Deutschlands bisherige Schreibtisch-Oberfeldwebelin Annalena Baerbock bereits am Rande der Münchner SIKO ausgeplaudert hat, ließ EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen jetzt die Katze offiziell aus dem Sack. Unter dem geradezu grotesken Titel „Plan zu Wiederaufrüstung Europas“ soll durch die EU ein beispielloser Aufrüstungstsunami und weiteres forciertes Hineinsteuern in eine Kriegswirtschaft fegen, und die EU-Militärunion bzw. die selbsternannten „neuen Anführer der freien Welt“ auf globale „Kriegstüchtigkeit“ in der Arena der Großmächte gebracht werden. Zu diesem bellizistischen Delirium kann es auf dem heutigen EU-Sondergipfel seitens eines neutralen Österreichs eigentlich nur ein klares Nein geben – wie man recht eigentlich meinen möchte.
Die groteske Falschmünzerei „Wiederaufrüstung“
Schon der Begriff einer „Wiederaufrüstung“ ist eine groteske Falschmünzerei. „Als wenn es da etwas ‚wieder‘ aufzurüsten gäbe, als wenn die EU nicht schon vor Waffen starren würde: Rund 326 Milliarden Euro [nach anderweitigen Angaben 430 Mrd. Dollar, KOMintern] gaben die Mitgliedstaaten laut Angaben der Kommission allein 2024 für ihre Streitkräfte aus, mehr als 2,2mal so viel wie vor gerade einmal zehn Jahren“, wie Jörg Kronauer dazu zu Recht hervorstich. (Zur detaillierteren Nachzeichnung der steten, gewaltigen Aufrüstung in der EU und NATO siehe unseren Beitrag: „Imperialistischer Fußpunkt einer beispiellosen Aufrüstung und Forcierung der Militärmacht EU“ vom 21.2. 2025)
„Zeitenwende“ 2.0
Allerdings, um den europäischen Imperialismus auch für den militärischen Machtkampf großer, heißer Welt(un)ordnungskriege zu rüsten und auf eine „Kriegsanstrengung“ wie noch nie seit 1945 (Emmanuel Macron) zu verpflichten, legte Brüssel nun den besagten fünf Punkte umfassenden 800 Mrd. Euro schweren „Plan zur Wiederaufrüstung Europas“ vor. Dass die EU-Kommission und Kommissionspräsidentin nach EU-Vertrag für „Verteidigung“ gar nicht zuständig sind, mag da angesichts des nach Friedrich Merz mit der Trump-Administration einhergehenden „Epochenbruchs“, der über die von Olaf Scholz ausgerufene „Zeitenwende“ hinausgehe, schon einmal unter den Tisch fallen. Entsprechend jedenfalls erklärte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bereits am 21. Jänner – also lange vor der jetzt vorgeschobenen Aussetzung der US-Militärhilfe an Kiew – auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos, „Europa“ müsse in seiner globalstrategischen Absicht machtpolitisch und militärisch „einen Gang höherschalten“ – und begleitend in einen Rüstungskeynesianismus und eine Kriegswirtschaft hineinsteuern.
800 Mrd. Euro über „ein neues EU-Finanzinstrument“
Über „ein neues EU-Finanzinstrument“ will Brüssel die Hochrüstung, abgesichert durch den EU-Haushalt, nun alleine für Luftabwehrsysteme, Raketen, Munition und Drohnen um 150 Mrd. Euro pushen. Zudem soll eine Lockerung bzw. Ausnahmeklausel der EU-Schuldenregeln „zur Steigerung der Verteidigungsausgaben“ beschlossen werden (und nur dafür, keinesfalls indessen für Ziviles, gar Soziales), der eigentlich für Regionalförderungen bestimmte Kohäsionsfonds zur Aufrüstung herangezogen und die Stellschrauben weiterer Instrumente auf Kriegswirtschaft gestellt werden, um einen zusätzlichen „fiskalischen Spielraum von 650 Mrd. Euro über (die nächsten) vier Jahre (zu) schaffen“. Sprich: um die Rüstungsausgaben der EU-Staaten im Schnitt um abermals 1,5% des BIP zu steigern. Oder Tacheles geredet: Die EU-Militärunion um monströse 800 Mrd. Euro aufzurüsten, sowie auch weiter Waffen und Munition für die Ukraine zu stellen, um das Land – O-Ton von der Leyen – in ein, oder vielleicht besser: EU-Europas, „stählernes Stachelschwein“ zu verwandeln.
Das einstige, vor Jahren noch vielfach hochumstrittene NATO-2%-Ziel ist mittlerweile ohnehin nicht nur mit schallendem „Hurra!“ in die nationalen Haushalte der NATO-EU-Staaten und ihrem Orbit geschraubt (und mit dem jetzigen Regierungsprogramm der „Zuckerlkoalition“ nun auch für Österreich paktiert), sondern stärker noch, bereits die letzten Jahre zur nunmehrigen Minimalforderung geworden, die nach Kräften überschritten werden sollte. Mit dem neuen Fünf-Punkte-Plan wird die europäische Hochrüstungsschraube nun aber überhaupt in historisch beispielsloser Militarisierungs-Geldschwemme hochgedreht.
„Die Stunde Europas“: Der „aufgewachte Riese“ und „neue Anführer der freien Welt“
Denn: „Dies ist die Stunde Europas, und wir müssen ihr gerecht werden“ (Ursula von der Leyen), wie der Marschbefehl aus Brüssel lautet. Und zwar mit einer flächendeckenden Militarisierung der EU sowie der internationalen Beziehungen. Oder wie die neue EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas kurz zuvor als Richtlinie für den Londoner Ukraine-Sondergipfel ausgab; es sei klar, „dass die freie Welt einen neuen Anführer braucht“ und es sei nun „an uns, den Europäern“, diese „Herausforderung anzunehmen“. Manfred Weber, Vorsitzender der EVP-Fraktion im Europaparlament, sekundierte: „Europa“ müsse sich „jetzt eigenständig bewaffnen“ und „die ersten Schritte zur europäischen Armee gehen“. In die gleiche Kerbe schlug ebenso sein Vorgänger sowie vormaliger EU-Ratspräsident und nunmehrige Ministerpräsident Polens (das seinen bereits ohnehin exorbitanten Militäretat von aktuell 4,7% des BIP nochmals drastisch aufzumunitionieren plant), Donald Tusk, der geradezu euphorisiert erklärte: „Europa“ sei „ein Riese, der aufgewacht ist“.
Spannungsfelder im Großmachtsstreben
Freilich zeigen sich in diesem „erwachten Riesen“ auch deutliche Spannungsfelder. Da bilden anstatt des herkömmlich beschworenen deutsch-französischen Tandems zunächst einmal die Atommächte Frankreich und Großbritannien (seit dessen „Brexit“ bekanntlich Nicht-EU-Land) die Initialkräfte, weshalb Berlin auch so energisch darauf drängt, dass jetzt Deutschland „Führung einnehmen“ müsse. Polen und die nicht minder waffenstarrenden baltischen Länder wiederum sind, wie Italien aber auch Großbritannien, gleichzeitig weitaus transatlantischer ausgerichtet als Brüssel. Dazu hat mit der „Koalition der Willigen“ zugleich eine informelle Staatengruppe als treibende Kraft die Bühne betreten, die nach Wunsch Londons zum entscheidenden militärpolitischen Format in Europa werden soll. Sie alle eint die Marschrichtung auf einen neuen, uferlosen europäischen Aufrüstungstsunami und eine regelrechte Großmachts- und Kriegstrunkenheit in neuer imperialistischer „europäischen Souveränität“. Aber über die genaue Wegrichtung dorthin, die Richtlinienkompetenz und das Oberkommando, sowie das Verhältnis zu Washington bestehen gleichzeitig gleichwohl gravierende Divergenzen zwischen Berlin, Paris, Brüssel – und London.
2%, 5%, und darüber hinaus
Der Gleichschritt in der Marschordnung Richtung Weltordnungskriegen und apokalyptischer Gemeingefährlichkeit indes ist klar. Kurz nach von der Leyens Präsentation verkündeten die CDU/CSU- und SPD-Spitzen ihrerseits eiligst, sich für Deutschland begleitend auf ein Hunderte Milliarden schweres Aufrüstungsprogramm verständigt zu haben. Ja, wie Berlins künftiger Kanzler Friedrich Merz martialisch unterstrich: Für die Militarisierung Deutschlands und der EU müsse jetzt gelten: „Whatever it takes“. In dieselbe Richtung werden seit Tagen parallel auch in Frankeich die Schienen gelegt. Der Militäretat von gegenwärtig bereits 50 Mrd. Euro oder rund 2% des BIP soll auf von Macron anvisierte 130 Mrd. oder gut 5% des BIP geschraubt werden. Und die Labour-Regierung Großbritanniens, des (zusammen mit Frankreich) Initiators der „Koalition der Willigen“, hat schon letzte Woche eine markante Erhöhung seines aktuellen Wehretats von 69 Mrd. Euro auf neue Dimensionen angekündigt. Müßig zu betonten, wer die Zeche und einhergehend explodierenden Rüstungsprofite zu bezahlen hat.
Historische Zeiten der „Vorkriegsära“
Das erinnert in vielen Facetten, wenngleich man sich freilich nicht in Analogien verlieren sollte, frappant an die gewaltige Aufrüstungswelle in den Vorkriegsära von 1910 – 1914. Auch damals forcierten die Mächte über den Zeitraum von vier Jahren ihre Hochrüstung nochmals ins unermessliche, bevor es dann ins Völkergemetzel um imperialistische Interessen und Ansprüche ging. Freilich befindet sich die EU heute im Grunde bereits „im Krieg mit Russland“ (Annalena Baerbock), der von einem zwischenstaatlichen russisch-ukrainischen flugs in einen Stellvertreterkrieg übergegangen ist. Ob und inwieweit Österreich im hiesigen Gesamtkontext ein drittes Mal als Juniorpartner Deutschlands oder auch als alpenländischer Verbündeter der westeuropäischen Groß- und Militärmächte resp. Puzzelstück des EU-Imperialismus mit zum Halali ins Kriegsdelirium bläst, entscheidet sich zu einem guten Stück schon heute und darf zugleich als weiterer Lackmustest der Rolle und Funktion der nun prominent in die Regierung eingebundenen Gewerkschafter:innen gelesen werden.
Quelle: KOMintern