Amnesty kritisiert die Verhandlungspapiere zum Koalitionsvertrag als menschenrechtlich problematisch
Übernommen von Amnesty.de – Pressemeldungen:
Amnesty International kritisiert die aktuellen Verhandlungspapiere zum Koalitionsvertrag der zukünftigen Bundesregierung aus CDU/ CSU und SPD als menschenrechtlich problematisch. Als besonders gravierend sieht die Menschenrechtsorganisation Verschärfungen der Asylpolitik und des Aufenthaltsrechts, stärkere Überwachung sowie fehlende konkrete Maßnahmen zur Unterstützung der internationalen Ordnung und des Völkerrechts.
Über die bekannt gewordenen aktuellen Verhandlungspapiere zum Koalitionsvertrag sagt Julia Duchrow, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland: „Die Verhandlungspapiere lesen sich wie eine Eintrittskarte in den Abbau von Rechtsstaatlichkeit: Geflüchtete werden entrechtet und abgeschottet, Sicherheitsbefugnisse werden ausgeweitet, die kritische Zivilgesellschaft wird angegriffen.“
Asylpolitik und Aufenthaltsrecht
Die Menschenrechtsorganisation kritisiert, dass nach dem Willen der Verhandler*innen so gut wie keine legalen Fluchtwege mehr möglich sein werden. So soll der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten gestrichen und die Aufnahme von Menschen aus Afghanistan gestoppt werden. Die Formulierung in den Verhandlungspapieren lässt befürchten, dass die neue Bundesregierung zudem die regelmäßige Aufnahme von besonders Schutzbedürftigen aus Drittstaaten – das sogenannte Resettlement – komplett beenden will.
Duchrow sagt: „Die Verhandelnden wollen alle legalen Einreisemöglichkeiten eindampfen und nicht nur den Familiennachzug, sondern alle humanitären Aufnahmeprogramme aussetzen. Die geplanten Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien verstoßen gegen das Völkerrecht. Schutzsuchende an den deutschen Grenzen zurückzuweisen, verstößt nach wie vor gegen Europarecht.“
Die Verschärfungen betreffen auch das Aufenthaltsrecht. Wer eine andere Meinung als die Bundesregierung vertritt, soll zukünftig keine staatlichen Gelder mehr erhalten, nicht mehr eingebürgert werden und den Aufenthaltstitel verlieren. Konkret sollen die Voraussetzungen zur Einbürgerung nach den Plänen der CDU/ CSU zukünftig C1 Sprachkenntnisse sein sowie ein Bekenntnis zum Existenzrecht Israels und eine „Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse“. Aufenthaltstitel sollen zukünftig außerdem entzogen werden, wenn der Aufenthalt in Deutschland „missbraucht“ wird. Derart unbestimmte und weitreichende Regelungen schaffen Rechtsunsicherheit und bergen ein erhebliches Missbrauchspotenzial.
Überwachung
CDU/CSU und SPD planen die Wiedereinführung der von Gerichten auf Bundes- und EU-Ebene als rechtswidrig eingestuften Vorratsdatenspeicherung. Die Speicherpflicht für IP-Adressen und Portnummern, auch bekannt als Vorratsdatenspeicherung, stellt einen pauschalen Eingriff in die Privatsphäre aller Menschen dar.
Duchrow sagt: „Die Entwürfe für einen Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD zeugen von einem großen Willen der Parteien dazu, die Überwachung von Bürger*innen auszubauen – und das ohne Rücksicht auf Menschenrechte. Die Einführung der Vorratsdatenspeicherung sowie der biometrische Abgleich von Bildern mit öffentlichen Fotos im Internet durch Sicherheitsbehörden stellen tiefgreifende und unverhältnismäßige Eingriffe in die Grundrechte dar, die hier einstimmig durchgewunken werden.“
Internationale Institutionen und Rüstungspolitik
Dem Bekenntnis zur Universalität der Menschenrechte und zur regelbasierten internationalen Ordnung müssen konkrete Maßnahmen folgen, die Angriffe auf die internationale Ordnung konsequent benennen und zum Schutz der angegriffenen Institutionen beitragen. Dazu zählt die Unterstützung des Internationalen Strafgerichtshofs gegen die Sanktionen der US-Regierung und die ausnahmslose Umsetzung aller Haftbefehle des Internationalen Strafgerichtshofs.
Duchrow sagt: „Wenn die Koalition ihr Bekenntnis zu regelbasierter internationaler Ordnung und zum Völkerrecht ernst meint, muss sie sich dazu verpflichten, daraufhin zu arbeiten, dass die israelische Regierung die massiven Verletzungen des humanitären Völkerrechts beendet. Dies wird bisher im Koalitionsvertrag noch nicht einmal benannt.
Rüstungsexporte müssen stärker an den Menschenrechten und dem humanitären Völkerrecht ausgerichtet werden, weniger an wirtschafts- und außenpolitischen Interessen. Hierzu braucht es endlich ein restriktives Rüstungsexportkontrollgesetz, welches Rechtsverbindlichkeit, Transparenz und die Kontrolle von Regierungshandeln regelt. Wir fordern ein Ende von Rüstungsexporten, mit denen Menschenrechte oder das humanitäre Völkerrecht verletzt werden. Dies betrifft aktuell insbesondere Israel.“
Quelle: Amnesty International