Die Jugend hat gewählt und möchte Veränderung!
Übernommen von Yeni Hayat / Neues Leben:
von IDIL ÇALLI
Würden wir Jugendlichen über die Sitzverteilung im Bundestag entscheiden, dann sähe es schwierig aus mit der schwarz-roten Koalition (CDU & SPD), denn nur insgesamt ein Viertel der 18 bis 24 Jährigen hat dafür am vergangenen Wochenende ihr Kreuz gesetzt. Generell haben sich die Jungwähler vom allgemeinen Wahlverhalten bei den vorgezogenen Bundestagswahlen bedeutend unterschieden:
Der Großteil der Jugend hat die Linke gewählt (25%), dicht gefolgt von der AfD (21%). Union (13%), SPD (12%) und Grüne (10%) bleiben weit dahinter, während BSW (6%) und FDP (5%) zumindest innerhalb der Jugend beide gerade so die Fünf-Prozent-Hürde knacken. Die sogenannten U18-Wahlen, wodurch ermittelt wird, wie Minderjährige wählen würden, hat dieses Bild ebenfalls bestätigt. Die Wahlsieger sind genauso klar, wie die Verlierer innerhalb der Jugend: die Ampelparteien haben im Vergleich zu den letzten Wahlen 2021 bei der jungen Wählerschaft insgesamt 32% Prozent verloren! Die Schüler, Studierenden und Azubis und jungen Arbeiter in Deutschland haben bei den Wahlen mit der Politik der letzten Jahre abgerechnet und ein Blick auf die aktuell größten Sorgen und Ängste zeigt, warum.
Die jährliche Trendstudie Jugend in Deutschland hat kurz vor den Bundestagswahlen ein Spezial zur Jugend und ihrem Wahlverhalten herausgegeben. In der Studie geben die befragten Jugendlich als wichtigste drei Themen für ihre Wahlentscheidung die folgenden an:
1. Wirtschaftliche Perspektiven & finanzielle Sicherheit – günstigere Lebenshaltungskosten, bezahlbarer Wohnraum, Arbeitsplatzsicherheit
2. Soziale Gerechtigkeit & Schere zwischen Arm und Reich – gerechtere Verteilung von Wohlstand, Steuern, Rente
3. Migration & Integration
Und genau diese Themen bringen die Entwicklungen der letzten Jahren und ihren Einfluss auf unsere Lebenssituation auf den Punkt. Waren es im Jahr 2021 noch die Themen wachsender Klimawandel und Altersvorsorge, die als größte Sorgen angegeben wurden, beziehen sich die größten Ängste von uns Jugendlichen heute nicht mehr nur auf die Zukunft, sondern auf den unmittelbaren Alltag. Die Kürzungen im sozialen Bereich, der wachsende Stellenabbau, die steigende Kriegsgefahr, sinkende Reallöhne und Bafög-Sätze, die immer weniger reichen zum Leben reichen – all das macht sich innerhalb der Jugend besonders bemerkbar und mit diesen Themen sind wir an die Wahlurnen getreten. Das Wahlergebnis zeigt klar, dass große Teile der Jugend sehen, dass die letzten Jahre eine Politik gegen unsere Interessen vorangebracht wurde!
Gleichzeitig muss aber auch benannt werden, dass die Diskussion um Migration und Flucht nicht spurlos an den jungen Menschen in Deutschland vorbeigezogen sind und besonders die AfD aber auch die CDU konnten hier mit ihren Erzählungen von Migranten als Schuldige für diese Probleme viele Prozente dazugewinnen. Besonders auf Social Media konnten Weidel und Co. Millionen von Jugendlichen erreichen – genau wie die FDP, die bei den letzten Bundestagswahlen mit ihren Versprechen von digitalisierten Schulen auf TikTok und Instagram 21% der Jugendlichen für sich gewinnen konnte. Auch die AfD und dutzende Influencer, die für sich Wahlwerbung machen, schaffen es bei den “echten Problemen” anzuknüpfen, wie zum Beispiel die wachsende Kriegsgefahr, die Steuerlast oder aber auch die Anerkennung von systemrelevanten Berufen. Demgegenüber wird mit hunderten Profilen das Bild der “links-grünen” Bundesregierung geschaffen, die sich stattdessen nur um Gendern und Quoten kümmert und zu viele Geflüchtete ins Land lässt. Und angesichts der wachsenden Unzufriedenheit und Alltagsprobleme schafft es die rechtsextreme Partei ca. einem Fünftel der Jungwähler das Versprechen einer sicheren Zukunft zu verkaufen.
Doch nicht nur die Stimmen der AfD erreichen junge Leute, sondern besonders auch die Linkspartei schafft es, mit sozialen Themen, mit Bildung und Gesundheit und vor allem mit einer klaren Kante gegen den offen steigenden Rassismus der anderen Parteien ein Viertel der Jugend für sich zu gewinnen. Millionen Mal wird die Bundestags-Rede der Spitzenkandidatin Heidi Reichinek gegen die gemeinsamen Stimmen von Union, FDP, und BSW mit der AfD bei der Migrationsfrage geschaut. Zehntausende junge Menschen treten in die Partei ein, unterstützen beim Haustür-Wahlkampf und stürmen die Veranstaltungen in Großstädten wie Hamburg oder Berlin.
Insgesamt zeichnet sich klar ab: Die Jugend in Deutschland möchte auf die Politik der letzten Jahre, die Kürzungen, die schlechter werdenden Arbeitsbedingungen, die Kriegsgefahr und die wachsende Perspektivlosigkeit reagieren! Ein Teil von uns Jugendlichen konnte dabei bei den Wahlen von reaktionären Stimmen aufgefangen werden, aber sehr viele haben ihr Kreuz eben auch für fortschrittliche Wahlversprechen gesetzt und genau hier muss jetzt nach den Wahlen umso mehr angeknüpft werden. Dass der Kampf gegen die wachsenden Angriffe gegen uns und unsere Mitschüler, Kommilitonen und Kollegen nicht mit den Wahlen aufhören kann, ist uns klar. Unsere Sorgen und Ängste wachsen weiter – einige Jugendliche zeigen das mit ihrem Kommentar zum Wahlergebnis:
Die Entscheidung, Taurus-Raketen und möglicherweise deutsche Soldaten in die Ukraine zu schicken, könnte uns direkt in den Konflikt ziehen. Ich fürchte, dass wir am Ende nicht nur zusehen, sondern selbst kämpfen – und unsere Soldaten dafür sterben müssen. – Arda, 16, Azubi aus Hamburg
Meiner Meinung nach gab es bei diesen Wahlen keine einzige Partei die wirklich was bewirken kann. Ich finde das was der Merz vor hat ist völlig absurd und treibt Deutschland in eine schwierige Situation. Ich hoffe einfach das dies nicht passieren wird und das anstatt anderen Ländern auch mal Deutschland geholfen wird von denen die in diesem Land regieren. – Yunus, 17, Azubi aus NRW
Ich finde die Wahlen spiegeln eine gescheiterte gegenseitige Integration klar wieder: Es ist eine Sache von Rechtsextremisten auf populistische Art und Weise angegriffen zu werden, aber das so viele darauf einfallen, zeigt wie wenig Kohärenz die deutsche Gesellschaft mit ihren verschiedenen Bunten Fassaden verfügt. – Maya, 21, Studentin aus Hamburg
Aber wir sehen auch überall wo wir sind: Die Jugend in Deutschland macht immer deutlicher, dass sich etwas verändern muss. Darauf antworten wir in der DIDF-Jugend, im Internationalen Jugendverein, in den Gewerkschaften, in den Studierenden-Parlamenten und Schülervertretungen. Die Bundestagswahlen, die Gespräche und Diskussionen um sie herum und das Wahlergebnis unter jungen Leuten hat uns noch einmal stärker gezeigt: JETZT ist die Zeit, aktiv zu werden!
Quelle: Yeni Hayat / Neues Leben