Mitschuldig an Verbrechen in Syrien sein oder nicht…
Übernommen von Yeni Hayat / Neues Leben:
Fatih Polat
Der Syrienkrieg war für die türkische Regierung von Anfang an weit mehr als nur eine außenpolitische Angelegenheit.
Nach Beginn des Bürgerkriegs im Juli 2011 erhielten die dschihadistischen Kräfte, die unter dem Dach der „Freien Syrischen Armee“ gegen das Assad-Regime kämpften, die Unterstützung der türkischen Regierung. Es wurde weltweit in den Medien berichtet, dass verwundete Kämpfer dschihadistischer Organisationen in türkischen Krankenhäusern behandelt wurden.
Ab 2017 traten dann unter dem Namen „Syrische Nationalarmee“ Kräfte auf, die von der Türkei gesponsert, ausgebildet und ausgerüstet wurden. Diese mit türkischen Steuergeldern finanzierten Kräfte wurden nach dem Sturz des Assad-Regimes insbesondere gegen die Stellungen der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) im kurdischen Rojava in Nordsyrien eingesetzt.
Erdogan wurde von Trump, der in den USA zum zweiten Mal das Präsidentenamt übernahm, als entscheidender Akteur beim Sturz des Assad-Regimes bezeichnet, was auf der Seite der Regierung als eine Art Ruhmesblatt angesehen wurde.
Doch die Massaker, die die aus Al-Qaida hervorgegangene Hay’at Tahrir al-Scham (HTS) unter der arabisch-alawitischen Bevölkerung und anderen Gruppen im Land verübte, zeichneten ein erschreckendes Bild. Übrigens wäre es falsch, die alawitische Bevölkerung in Syrien, die von HTS-nahen Gruppen getötet und deren Bilder in sozialen Medien verbreitet wurden, als Minderheit zu bezeichnen. Wenn man das täte, müsste man auch folgende Frage stellen: „Wer ist die Mehrheit?“
Denn HTS vertritt im Land nicht die breite sunnitische Bevölkerung, die während der Assad-Herrschaft friedlich mit der alawitischen Bevölkerung zusammenlebte.
Das Assad-Regime war zwar ein repressives System, aber kein Regime, das durch konfessionelle Spaltung geprägt war. Bashar al-Assads Ehefrau Esma al-Assad wurde als Tochter des Kardiologen Fawwaz al-Akhras, der am Cromwell Hospital in London arbeitete, und der pensionierten Diplomatin Seher al-Akhras geboren. Ihre Familie stammte ursprünglich aus der Stadt Homs und war sunnitisch. Ebenso gab es in einflussreichen Positionen des Assad-Regimes viele sunnitische Namen.
Doch da die türkische Regierung und die regierungsnahen Medien von Anfang an eine konfessionell geprägte Politik in Bezug auf Syrien vertreten haben, bezeichnen sie die von HTS-nahen Gruppen in Latakia und Tartus getöteten Alawiten als „Überbleibsel des Regimes“.
Auch in der Erklärung von Ahmed Shara (Dscholani) nach den Massakern an Alawiten wurde derselbe Ton angeschlagen: „Einige Überreste des gestürzten Regimes haben versucht, das neue Syrien zu testen, aber sie kennen es nicht.“
Ähnliche Aussagen kamen aus den regierungsnahen Medien in der Türkei. Einige gingen sogar noch weiter. Ismail Kılıçarslan, ein Autor der nationalistischen Zeitung Yeni Şafak, griff die Aussage des CHP-Vorsitzenden Özgür Özel, „Wir verfolgen die Angriffe auf Alawiten mit Sorge“, an und sagte: „Der syrische Staat hat etwa 100 alawitische Terroristen getötet. Das hat ihn wohl verärgert.“ In seinem Artikel, der nach Veröffentlichung in den sozialen Medien für Empörung sorgte, schrieb Kılıçarslan auch: „Die Alawiten werden nicht wegen ihres religiösen Glaubens getötet, sondern weil sie immer noch niederträchtig genug sind, Zivilisten in Syrien zu töten, als Folge ihrer Hundedienste für den Imperialismus. Das ist alles.“
Einen wichtigen Punkt muss man hierbei aber hervorheben. Es sollte deutlich geworden sein, wie falsch es ist, die Gestaltung eines neuen Syriens mit der dschihadistischen HTS mit der Logik zu verteidigen „Das ist halt das, was uns zur Verfügung steht“ und unter dem Deckmantel der Realpolitik zu verteidigen.
Die imperialistischen Mächte, die von Anfang an in den syrischen Konflikt verwickelt waren, sowie regionale Akteure wie die AKP-Regierung, betrachten ihre Beziehungen zu Dscholani, dem neuen Machthaber in Syrien, als eine Frage des „Ausgleichs“. Um ihre Interessen vor Ort durchzusetzen, wurde die Eichung teilweise erledigt. Jetzt befinden sie sich in der Phase der „Feinabstimmung“.
Doch warum sollten diejenigen, die außerhalb dieses Interessennetzwerks stehen und versuchen, den Prozess zu verstehen und zu analysieren, gezwungen sein, die Zukunft Syriens im Rahmen einer Gleichung ausschließlich mit der HTS zu betrachten? Was bisher geschehen ist, reicht aus, um zu sehen, wie chaotisch und komplex die Beziehungen in der kommenden Zeit noch werden.
Bahçeli verbreitet den Hass gegen Aleviten
Der Vorsitzende des faschistischen AKP-Koalitionspartners MHP, Devlet Bahçeli, äußerte sich auf seinem X-Account zum Massaker an Alawiten in Syrien und verbreitete seinen Hass. Wir veröffentlichen einen Teil seiner Botschaft, um diesen Hass zu zeigen und Verzerrung und Rechtfertigung eines Massakers zu dokumentieren:
„Seit dem 6. März 2025 haben die bewaffneten und inszenierten Auseinandersetzungen, die insbesondere in den syrischen Städten Latakia und Tartus ausgebrochen sind und sich anschließend auf Hama, Homs und Daraa ausgeweitet haben, ein Ausmaß erreicht, das nicht nur den Frieden und die Stabilität der Nachbarregionen, sondern auch die innere Sicherheit und das friedliche Zusammenleben in unserem Land bedroht.
Die ethnischen und konfessionellen Spaltungen, die zweifellos von außen gesteuert werden [… und] die regionalen und globalen Feindseligkeitsmechanismen, die sich der Wiedergeburt Syriens aus der Asche widersetzen und darauf abzielen, einen solchen effektiven Neuanfang zu behindern, haben über ihre Handlanger die Produktion von Chaos in Angriff genommen.
[…]
In diesem Zusammenhang ist das Verhalten der Republikanischen Volkspartei (CHP), das wie ein Handlanger der Baath-Mentalität agiert […] eine neue Variante ihrer krankhaften und feindseligen Politik. Die konfessionelle Provokation der CHP ist […] das schlimmste Übel, das verübt werden kann. Dass die CHP wie ein Überbleibsel und Ableger der Baath-Partei Position bezieht, ist ein äußerst gefährlicher Bruch und Abfall.
Unsere alawitischen Geschwister sind unser Fleisch und Blut; sie sind untrennbare, unteilbare und nicht voneinander zu trennende Glaubens- und Menschheitswerte unserer Nation und der islamischen Welt. In unseren Augen sind diejenigen, die einen Abgrund zwischen Alawiten und Sunniten graben, Zwietracht zwischen ihnen säen und sie einander fremd und distanziert darstellen, Feinde der Religion, des Glaubens, der Nation und der Gemeinschaft. […] Diejenigen, die politischen Konfessionalismus und ethnische Diskriminierung verfolgen, begehen nicht nur Verbrechen gegen die Menschlichkeit, sondern beteiligen sich auch an Bestrebungen und Handlungen, die gegen Gesetze und die Verfassung verstoßen.
[…] Die Nationalistische Bewegungspartei (MHP) ist besorgt darüber, dass während des Kampfes zur Überwindung einer Plage neue und noch erschreckendere Probleme geschürt werden, und lädt alle, insbesondere die politischen Parteien, ein, moralisch, sensibel, national und verantwortungsbewusst zu handeln.
Vergessen wir nicht: Wer Benzin ins Feuer gießt, wird selbst verbrannt; wer auf den Wind hofft, dessen Dach wird zuerst wegfliegen.“
Quelle: Yeni Hayat / Neues Leben