26. März 2025
DiEM25Israel

Neutralität ist der Boden auf dem Apartheid wächst

Übernommen von DiEM25:

Ein Boykott ist eine leise Angelegenheit. Gewaltlos nagt er an den Nervenbahnen der Macht. Wir haben gelernt, von den Bussen in Montgomery und dem Fall der Apartheid in Südafrika. Auch heute halten wir diese Waffe noch in unseren Händen und wenn wir wollen, frisst sie sich durch Plantagen und Paläste, erst langsam, und dann immer schneller.

BDS- Boycott, Deinvest, Sanction. Die Bewegung ist nicht neu, sondern ein Echo. Ein Widerhall der Anti-Apartheidsbewegung Südafrikas, die einst das rassistische Regime Zwang sich dem Willen der Unterdrückten zu beugen. Als Nelson Mandela das Gefängnis verließ, ließ er uns wissen: die Freiheit Südafrikas ist nicht vollständig, ohne die Freiheit Palästinas. Die Parallelen sind unübersehbar für all jene, die es wagen hinzusehen: Rassentrennung, systematische Diskrimminierung, Vertreibung, ethnische Säuberung, Mauern, Check Points.

Heute existiert ein Konsens, welcher das südafrikanische Apartheidsystem als unvertretbar erklärt und diesem schließen wir uns an. Doch gehen wir weiter, den einzigen logischen Schritt: Was Schwarzen Menschen in Südarfrika rechtmäßig zugesprochen wird, muss auch für Palästinenser*innen gelten!

Bei BDS (Boycott, Divestment, Sanctions) handelt es sich um eine globale, gewaltfreie Bewegung, die 2005 von palästinensischen zivilgesellschaftlichen Organisationen gegründet wurde. Sie fordert das Ende der völkerrechtswidrigen israelischen Besatzung, Gleichberechtigung für die systematisch diskriminierten palästinensischen Bürger:innen Israels und das Recht auf Rückkehr für palästinensische Geflüchtete. Durch einen wirtschaftlichen, kulturellen und akademischen Boykott soll Druck auf Israel ausgeübt werden, endlich seine  Apartheidpolitik zu beenden. Diese Forderungen basieren auf grundlegenden Menschenrechten. Sie sind keine radikale Agenda, sondern das absolute Minimum einer jeden Demokratie.

Es ist leicht, den Boykott zu unterstützen: Apps wie „No thanks“, „Boykott for Peace“ oder „Boycat“ ermöglichen es Barcodes von Produkten zu scannen, um zu verhindern, unwissentlich die israelische Apartheid zu untersützen. Zudem existieren online Listen von Unternehmen, die es zu vermeiden gilt.

In seiner Essenz ist BDS ein Aufruf einem Apartheidsstaat, welcher systematisch Menschenrechte verletzt, ethnische Säuberungen und zuletzt einen Genozid verübt, die Finanzierung zu entziehen. Israel errichtete eine Trennmauer, welche Palästinenser*innen einsperrt. Innerhalb Palästinas und an den Grenzen wurden Hunderte Kontrollpunkte errichtet, an denen Palästinenser*innen systematisch ihrer Würde beraubt werden. Israel erbaute ein getrenntes Straßensystem für Israelis und Palästinenser*innen. 10.000 Palästinensische Gefangene werden illegal festgehalten, von denen viele keiner Straftat angeklagt sind, ohne Zugang zu Rechtsbeistand oder fairen Prozessen. Tausende Kinder müssen jahrelange Haftstrafen absitzen, in denen sie systematisch gefoltert werden. Als Folge des Genozids glauben 96% der Kinder in Gaza, bald zu sterben. Die Hälfte wünscht sich den Tod. Eine vollständige Liste der Ungerechtigkeiten  würde Bücher und Bibliotheken in Anspruch nehmen und ließe sich doch niemals in Worte fassen. Unter diesen Umständen ist Boykott nicht nur moralisch vertretbar, sondern die einzige, notwendige und ethische Antwort auf Apartheid und Genozid. Punkt.

Alle Forderungen von BDS sind konform mit dem Völkerrecht. Solange sie nicht eingehalten werden, sollen keine Waren aus Israel gekauft werden, keine Wirtschaftsprojekte aus Israel realisiert werden, es soll desinvestiert und Israel soll sanktioniert werden. Und exakt das sagt das Gutachten des internationalen Gerichtshofes auch. Die Entscheidung des IGH vom Juli 2024, welches besagt, dass die gesamte israelische Besatzung als völkerrechtswidrig erklärt, bedeutet nichts anderes, als dass alle Staaten die wirtschaftlichen Beziehungen in den besetzten Gebieten auflösen müssen. Klar ausgedrückt: alle UN Mitgliedstaaten sind völkerrechtlich zum Boykott verpflichtet. Im Artikel 25 des Grundgesetzes ist geregelt, dass das Völkerrecht bindend ist für alle staatlichen Gewalten. Der Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit hat in Deutschland Verfassungsrang.

Die Regierungen der Welt haben jahrzehntelang versagt, Israel für seine Verstöße gegen das Menschen- und Völkerrecht zur Rechenschaft zu ziehen. Stattdessen wird das Apartheidssystem weiter finanziert, verteidigt und mit Waffen beliefert und jeder Widerstand wird diffamiert. Das ist nichts Neues: bevor die Ablehnung des südafrikanischen Apartheidstaates seinen Weg in das kollektive Bürgerliche Bewusstsein bahnte, wurden Unterstützer des damaligen Boykotts als „kommunistische Gefahr“ diffamiert. Bis in die späten 1980er Jahre weigerten sich europäische und US-amerikanische Staatsoberhäupter Südafrika mit Sanktionen zu belegen, zugunsten von  wirtschaftlichen Interessen.  Erst durch massiven öffentlichen Druck  verhängten die meisten „westlichen Staaten“  schrittweise Boykotte, die schließlich zum Ende der Apartheid beitrugen.

Nur ein Staat blieb bis zum Schluss. Der konsequenteste und zahlungskräftige Unterstützer,  Waffen- und Atomwaffenlieferant des südafrikanischen Apartheidsregimes war… Na? Richtig. Israel.

Während die Unterstützer des südafrikanischen Boykotts gegen die Apartheid als kommunistische Gefahr diffamiert wurden, wird heute behauptet Unterstützer*innen von BDS wären Antisemitisch. Diese Enunziation ist nicht nur unwahr, sie selbst ist eine antisemitische Verzerrung. BDS richtet sich nicht gegen Jüdinnen und Juden, sondern gegen die israelische Apartheidspolitik. Die Bewegung zielt auf staatliche Institutionen und Unternehmen ab, die an der Unterdrückung der Palästinenser in beteiligt sind. Sie unterscheidet nicht zwischen Religion oder Ethnie, sondern zwischen Komplizenschaft und Widerstand. Die Diffamierung Israelkritik sei per se antisemitisch, ist selbst antisemitisch, da sie selbst Jüdinnen und Juden mit Israel gleichsetzt.  Damit  wird die rassistische Vorstellung gestärkt, dass alle Jüdinnen und Juden für die Handlungen des israelischen Staats verantwortlich seien.

Zudem leugnet sie die Existenz jüdischer Israel KritikerInnen. Es gibt viele jüdische Gruppen und Einzelpersonen, die BDS unterstützen,  darunter „Jewish Voice for Peace“ und „die jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ neben zahlreichen jüdischen Personen des öffentlichen Lebens. Die jüdische Stimme  äußert sich klar: „Wir sind motiviert, gemeinsam mit JüdInnen in Europa, auch hierzulande öffentlich der Behauptung in Israel und anderswo zu widersprechen, die Besetzung und Besiedlung von Gebieten der international anerkannten Grenzen Israels geschehe zum Schutz, im Namen und im Interesse aller Jüd*innen der Welt. (…) All jenen die sich anmaßen, im Namen des Judentums Apartheid, Missachtung der Menschenrechte, Krieg, Landraub und Genozid zu rechtfertigen, rufen wir entgegen: Nicht in unserem Namen!“

Diese als unliebsam empfundenen jüdischen Stimmen werden aufgrund ihrer Israelkritik mit irrationalen Zuweisungen des Antisemitismus aus dem Dirkurs ausgegrenzt. Zuletzt musste eine jüdische Unterstützerin von BDS sich das Recht einklagen, von CDU-Politiker Uwe Becker nicht mehr als Antisemitin beleidigt werden zu dürfen.

Durch die falsche Diffamierung, BDS wäre antisemitisch  wird Solidarität mit unterdrückten kriminalisiert. Der Vorwurf des Antisemitismus wird genutzt, um jegliche Kritik an Israels Verbrechen zum Schweigen zu bringen. Infolgedessen verlieren jüdische Intellektuelle ihre Jobs, jüdische Professuren werden ausgesetzt und jüdische Künstler*innen verlieren Ausstellungsräume. Weil sie Gewalt Gewalt nennen, und Genozid Genozid.

Jedes wache Auge wird diesen „Kampf gegen den Antisemitismus“ als das entlarfen, was er ist: eine Instrumentalisierung des Antisemitismusbegriffs zur  Verteidigung einer Apartheid-Politik. Nicht  zum Schutz jüdischen Lebens, sondern zum Schutz wirtschaftlicher, politischer und letztendlich kolonialer Interessen.

Die Diffamierung des „Antisemitismus“ dient nichts anderem, als jegliche legitime Kritik an Israel zu sabotieren. Wenn alle Pro-Palästinensischen Aktivist*innen und ihre Argumente von vorneherein als antisemitisch gebrandmarkt werden, wird niemand auf uns hören. Wir werden Mundtot gemacht, bevor irgendjemand die Wahrheit unserer Worte hören kann.

Der Kampf gegen Antisemitismus wird pervertiert, da er hier in den Dienst kolonialer Machterhaltung gestellt wird.

Der Vorwurf, dass Israelkritiker*innen oder Pro- Palästinensische Aktivist*innen Antisemit*innen wären, verschleiert wirkungsvoll, in welchen Lagern tatsächlich antisemitische Tendenzen zu finden sind. Und zwar in Pro-Israelischen. Rechte Akteure wie Trump, Orban und die AfD sind vehemente Israelunterstützer, während gleichzeitig ein enormer Anstieg antisemitischer Vorfälle in den eigenen Reihen zu finden sind- die natürlich nicht bekämpft werden, da ihnen jüdisches Leben wenig am Herzen liegt.

Wer mit wachen Augen und wachem Geist, durch die Geschichte informiert, die Muster der Antisemitismus Vorwürfe analysiert, wird auf eine weitere Perversion treffen: Die Jüdinnen und Juden, die durch Antisemitimus-Vorwürfe vom Sprechen abgehalten werden, teilen häufig eine humanistische, universalistische und linke Welthaltung. Es sind also linke, liberale, oder „kosmopolitische“ Jüdinnen und Juden die diffamiert und ausgegrenzt werden. Damit wird ein altes NS-Muster aufgegriffen: die Holocaust Forscher Amos Goldberg, Raz Segal und Alon Confino erinnern daran, dass Nationalsozialisten ihre Vernichtungspolitik gegenüber den Jüdinnen und Juden unter dem Zeichen ihres Kampfes gegen einen angeblichen „Jüdischen Bolschewismus“ begannen. Damit hatten sie die konservativen, kapitalistischen Parteien der Weimarer Republik auf ihrer Seite, um die Shoah zu ermöglichen. Genau wie die Stimmen der jüdischen Intellektuellen, die seit Jahren auf den antisemitischen Kern des angeblichen „Kampfes gegen Antisemitismus“ hinweisen, müssen wir endlich die palästinenschen Stimmen ernst nehmen, die seit Jahrzehnten deutlich aussprechen, dass es in diesem Kampf nie wirklich um Antisemitismus ging.

Die weitreichenden Repressionen gegen  BDS weisen auf das einschneidende Potential des Boykotts hin, Kapitalflüsse umzuleiten und sogar versiegen zu lassen. Genau hier liegt seine Macht und hier liegt der Grund für die umfassende Diffamierung. Um jüdisches Leben ging es nie, sondern das imperiale Interesse, eine geschlossene wirtschaftliche Zone zu errichten, welche Israel in die nahöstliche Wirtschaftszone integriert.

Boykott wird gefürchtet, auf Plantagen und Palästen,  in Johannesburg und Tel Aviv, weil er funktioniert. Wenn Worte nicht weiterkommen, wenn Leben nicht zählen, zählt doch immer die Sorge und Profit. Als Kinder ließ man uns glauben, es gäbe keine mächtigere Waffe als das Wort. Wache Augen erkennen: Das mächtigste, das sich schreiben lässt, sind rote Zahlen.

Deswegen wird BDS verboten,  mit Diffamierung und Repressionen  bekämpft, ungeachtet der Bürgerrechte. Wer in Südafrika Widerstand leistete, wurde als Terrorist und Kommunist diffamiert. Wer es heute tut, wird als Extremist oder Antisemit mundtot gemacht. Doch all die jüdischen Stimmen, die sich gegen Israels Apartheid erheben, beweisen das Gegenteil. Wenn Jüdinnen und Juden  in aller Welt rufen: Nicht in unserem Namen!  stehen wir mit Ihnen. Neutralität ist der Boden auf dem Apartheid wächst. Es ist Zeit, sich zu entscheiden. Für Menschenrechte, für das Leben, für Boykott.

Juden, Christen und Muslime:

Yallah Intifada!

Quelle: DiEM25