1. April 2025
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»Rearm Europe« kriegt Kontra

Übernommen von Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek:

Die 800 Milliarden Euro schweren EU-Pläne für eine »Wiederaufrüstung Europas«, für deren Umsetzung selbst die sonst so strengen Schuldenregeln gelockert werden sollen, könnten den Staatenbund weiter spalten. Angesichts schon heute hoher Staatsschulden sind vor allem südeuropäische Mitgliedsländer wie Griechenland, Italien, Spanien und Portugal gegen allzu hohe neue Rüstungsausgaben.

Wohl vor allem zur Beruhigung seines linken Koalitionspartners Sumar, der zumindest formell weiter für die Auflösung der NATO eintritt, erklärte der sozialdemokratische spanische Premierminister Pedro Sánchez kürzlich: »Unsere Bedrohung ist nicht Rußland.«

Auch Italiens ultrarechte Ministerpräsidentin Georgia Meloni gibt sich zurückhaltend und will keine zusätzlichen Staatsschulden für den Ankauf neuen Kriegsgeräts aufnehmen. Auch ihr Land ist hochverschuldet und Meloni kürzt zum – bislang von Brüssel eingeforderten – Schuldenabbau vor allem im Sozialbereich. Da kommt es schlecht bei den Wählern an, wenn auf einmal geliehene Milliardenbeträge in neue Kampfflugzeuge, Panzer, Raketen und Drohnen gesteckt werden.

Hinzu kommt, daß in Italien die der ideologischen Kriegsvorbereitung dienende Russenhysterie bei weitem nicht so ausgeprägt ist wie in anderen Teilen der EU, insbesondere in Polen und im Baltikum: In aktuellen Meinungsumfragen hat sich mehr als die Hälfte der Italiener gegen »Rearm Europe« ausgesprochen.

Daß sich auch die Friedensbewegung in Italien nicht hat einlullen lassen, zeigte sich bereits am vorletzten Samstag, als 30.000 Menschen allein in Rom gegen »Rearm Europe« auf die Straße gingen. Das Motto der Manifestation war: »Kein einziger Euro für ihren Krieg!«

Vom nationalen Parlament zurückgepfiffen wurde auch der parteilose niederländische Premierminister Dick Schoof, der dem Aufrüstungsplan Ursula von der Leyens bereits zugestimmt hatte. Weil sie gegen eine weitere Erhöhung der Staatsverschuldung zur Finanzierung der Rekordaufrüstung sind, stimmten die Deputierten von drei der vier Regierungsparteien im Haager Parlament dagegen.

Nur die rechtsliberale VVD – die Partei des amtierenden NATO-Generalsekretärs Mark Rutte – unterstützt den Aufrüstungsplan der Brüsseler Kommission. Offenbar ist auch bei den Niederländern die Angst vor neuen Schulden größer als die Angst vor den Russen.

Eine nicht unwesentliche Rolle dürfte beim Streit um das EU-Aufrüstungsprogramm auch die Tatsache spielen, daß ein Großteil der EU-europäischen Rüstungsindustrie in deren Zentrum, insbesondere im Westen Deutschlands und in Frankreich, angesiedelt ist, so daß die Rüstungsprofite vor allem an dortige Konzerne und deren Aktionäre fließen würden.

Südeuropäische Mitgliedstaaten müssen moderne Großwaffensysteme hingegen importieren, da sie wie Luxemburg über keine relevante Rüstungsindustrie verfügen. Während Deutschland und Frankreich von wachsenden Rüstungsexporten profitieren, müßten Staaten wie Portugal oder Griechenland ihre Handelsbilanzen weiter strapazieren und so einen Kapitalabfluß aus der Peripherie der EU in ihr Zentrum organisieren. Das würde nicht zuletzt sogenannte makroökonomische Ungleichgewichte weiter verschärfen, die im Staatenbund schon lange vorherrschen und maßgeblich zur Euro-Krise beitrugen.

Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek