Türkei: Verhaftung von Ekrem İmamoğlu und Einschränkung demokratischer Rechte
Übernommen von Zeitung der Arbeit:
Istanbul. Die politische Landschaft der Türkei erlebt erneut eine Zuspitzung: Mehr als 100 Personen, darunter der Istanbuler Bürgermeister Ekrem İmamoğlu sowie weitere hochrangige Vertreter der Opposition, wurden auf Anordnung der Istanbuler Staatsanwaltschaft festgenommen. Ihnen werden Verbindungen zu „kriminellen Strukturen“ und „terroristischen Organisationen“ vorgeworfen – Anschuldigungen, die von vielen als politisch motiviert angesehen werden.
Gezielte politische Verfolgung?
Die Festnahme İmamoğlus reiht sich ein in eine Serie von staatlichen Repressionen gegen politische Gegnerinnen und Gegner der regierenden AKP. Der CHP-Politiker gilt als eine der wichtigsten Oppositionsfiguren und möglicher Präsidentschaftskandidat gegen Recep Tayyip Erdoğan. Bereits in der Vergangenheit stand er im Fokus staatlicher Ermittlungen und wurde von Regierungskreisen wiederholt diffamiert. Nun wurden auch seine engen politischen Weggefährten, darunter die Bürgermeister von Beylikdüzü und Şişli, festgenommen.
Die Vorwürfe gegen İmamoğlu und die anderen Festgenommenen werden von der regierungsnahen Presse als legitime Ermittlungen gegen „kriminelle Netzwerke“ dargestellt. Unabhängige Beobachter und Menschenrechtsorganisationen hingegen sprechen von einem erneuten Versuch, die Opposition mundtot zu machen und die politische Konkurrenz im Vorfeld künftiger Wahlen auszuschalten.
Reaktionen aus der Opposition und Gesellschaft
Die Kommunistische Partei der Türkei (TKP) kritisierte die Festnahmen als Teil eines umfassenden Angriffs der AKP-Regierung auf die politischen Rechte des Volkes. In einer Stellungnahme bezeichnete die TKP die Verhaftungen als „inakzeptabel“ und warf der Regierung vor, den politischen Raum gezielt zu verengen und eine De-facto-Ausnahmezustandspolitik zu betreiben. Die TKP betonte zudem, dass es sich hierbei nicht nur um einen Angriff auf İmamoğlu handle, sondern um eine umfassendere Strategie, die darauf abziele, demokratisches Engagement zu ersticken.
Auch die CHP reagierte scharf und rief die Bevölkerung zu Protesten auf. Parteichef Özgür Özel und weitere Spitzenpolitiker versammelten sich bereits in der Nacht nach der Festnahme in Saraçhane, um ihre Unterstützung für İmamoğlu und die anderen Inhaftierten zu demonstrieren. Die CHP spricht von einem „Putschversuch“ gegen den demokratischen Willen der Wählerinnen und Wähler.
Zensur und Repression im digitalen Raum
Gleichzeitig mit den Festnahmen wurde in der Türkei die Nutzung sozialer Medien drastisch eingeschränkt. Plattformen wie WhatsApp, X (ehemals Twitter), Instagram, Facebook und TikTok waren zeitweise kaum erreichbar. Laut der Organisation NetBlocks, die globale Internetzensur dokumentiert, wurde in der Türkei eine massive „Bandbreiten-Drosselung“ der sozialen Netzwerke festgestellt. Die offizielle Begründung für diese Maßnahme bleibt unklar, doch Kritiker sehen darin einen weiteren Versuch, Proteste zu unterbinden und die Meinungsfreiheit zu beschneiden.
Internationale Reaktionen und wirtschaftliche Folgen
Die Entwicklungen in der Türkei bleiben nicht ohne internationale Aufmerksamkeit. Mehrere europäische Politiker haben die Festnahmen scharf verurteilt und die sofortige Freilassung der politischen Gefangenen gefordert. Auch wirtschaftlich haben die Ereignisse bereits erste Auswirkungen: Die türkische Lira fiel auf einen historischen Tiefstand, die Börse in Istanbul verzeichnete massive Verluste. Investoren zeigen sich besorgt über die politische Instabilität und die zunehmende autoritäre Ausrichtung der Regierung.
Quelle: Zeitung der Arbeit