28. April 2025
28. April 2025
BerlinTürkeiYeni Hayat

Berlin: Tausende fordern Freiheit und Gerechtigkeit für die Türkei

Übernommen von Yeni Hayat / Neues Leben:

Eren Gültekin

Mehrere tausend Menschen sind am Sonntagnachmittag dem Aufruf der Berliner Plattform für Demokratie in der Türkei gefolgt. Diese Plattform wurde kürzlich von rund 30 Organisationen, Verbänden, Parteien und Gruppen gegründet, um in der kommenden Zeit gemeinsam aus Berlin heraus Solidaritätsaktionen durchzuführen. Die zahlreichen Fahnen, Transparente und Schilder, die eigens für diese Demonstration angefertigt wurden, zeigten, dass Menschen unterschiedlichster Herkunft aus der Türkei, die seit Jahrzehnten in Berlin leben und sowohl von der rassistischen Politik hierzulande als auch von der politischen Entwicklung in der Türkei betroffen sind, nach langer Zeit wieder zueinandergefunden haben.

Los ging es mit einer Auftaktkundgebung am Neptunbrunnen am Alexanderplatz. Dort wurde die gemeinsame Rede der Plattform auf Türkisch, Deutsch und Englisch verlesen. In dieser Rede wurde die autoritäre Entwicklung in der Türkei kritisiert, internationale Solidarität eingefordert und zum gemeinsamen, überparteilichen Kampf für Freiheit, Gerechtigkeit und eine demokratische Türkei aufgerufen. Anschließend folgten Redebeiträge von Politiker*innen der SPD, Grünen und Linkspartei.

So sprach die Bundestagsabgeordnete Sinem Taşan-Funke (SPD): „Ich befürchte, dass, wenn dieser Aufstand, den wir hier versuchen aufrechtzuerhalten, der in der Türkei versucht wird aufrechtzuerhalten, wenn der nicht erfolgreich ist, wenn wir irgendwann leise sein werden, dann wird er leider wohl gewonnen haben und dann wird diese Türkei wahrscheinlich keinen zurück mehr finden. Und um das zu verhindern, ich hab’s gesagt, ich sag’s immer wieder, werden wir und dürfen wir nicht aufgeben, werden wir hier stehen, bis er aufgibt, bis er aufgibt.“

Im Anschluss sprach Bettina Jarasch, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus. Sie hob hervor, wie schwierig es sei, dass so viele unterschiedliche Gruppen gemeinsam zur Demonstration gefunden hätten, und betonte: „Euer Kampf ist unser Kampf, und es ist ein Kampf auch für die Grundwerte in Deutschland, für die Demokratie in Deutschland und in Europa. Und deswegen bin ich so dankbar, weil ich weiß, wie schwierig es ist, gerade im linken progressiven Spektrum, dass die unterschiedlichen Gruppen sich zusammentun für ein großes Ziel. Zum Abschluss der Auftaktkundgebung sprach Maximilian Schirmer, stellvertretender Parteivorsitzender der Linken. Auch er prangerte die autoritäre Politik Erdoğans an – insbesondere die rechtswidrige Inhaftierung politischer Gegner wie Selahattin Demirtaş – und rief wie seine Vorrednerinnen zum parteiübergreifenden solidarischen Widerstand auf.

Kurz darauf setzte sich die Demonstration in Bewegung. Die Teilnehmenden skandierten Parolen wie „Hoch die internationale Solidarität!“ – auf Deutsch wie auf Türkisch. Die Berliner Innenstadt war an diesem sonnigen Sonntagnachmittag voller Menschen, die shoppen, spazieren oder einfach das Wetter genießen wollten. Viele Passantinnen und Touristinnen blieben stehen, filmten, hörten zu und versuchten zu verstehen, worum es bei dieser Demonstration ging. Manchen fiel es zunächst schwer zu erkennen, ob es sich um eine regierungskritische oder eine regierungsnahe Aktion handelte, da viele Schilder auf Türkisch beschriftet waren. Auf den zweiten Blick ließen sich jedoch auch deutsche Botschaften erkennen – zum Beispiel auf dem Transparent der DIDF, DIDF-Jugend und des IJV mit der Aufschrift: „Merz, Scholz & Baerbock: Kein Pakt mit der Ein-Mann-Diktatur“, versehen mit einer Abbildung des Handschlags zwischen Scholz und Erdoğan.

Der nächste Redebeitrag während des Demonstrationszugs kam von Nick Brauns, dem Chefredakteur der Jungen Welt. Auch er kritisierte die Doppelmoral der deutschen Bundesregierung, die trotz massiver Menschenrechtsverletzungen in der Türkei aus wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen an der Partnerschaft mit Erdoğan festhalte. Er sagte: „Man stelle sich einmal vor, was hier los wäre, wenn in Russland oder in Venezuela oder Kuba ein wichtiger Oppositionpolitiker verhaftet wird. Doch im Falle der Türkei ist die maximale Reaktion der deutschen Regierenden, die sie bei der Inhaftierung von Ekrem İmamoğlu zeigten, dass sie sich über Bauchschmerzen beklagten. Und zu den davor schon verhafteten kurdischen Bürgermeistern gab es meistens überhaupt keine Reaktion von Bundesaußenministerin Baerbock und dem Auswärtigen Amt. Es ist offensichtlich, hier geht es nicht um demokratische Werte. Hier geht es ums Geschäft. Es geht um die Geopolitik der Türkei.“

Zum Ende der Demonstration, die schließlich am Bundeskanzleramt ankam, kündigte die Plattform weitere Aktionen an – diese Demo solle nicht die letzte gewesen sein. Zum Abschluss wurden die Grüße des inhaftierten Oberbürgermeisters Ekrem İmamoğlu an die Demonstrierenden in Berlin verlesen, was mit lautem Jubel aufgenommen wurde.

Quelle: Yeni Hayat / Neues Leben