26. April 2025
26. April 2025
KPÖ

Michael Graber: Der Widerstand und sein Beitrag zur Befreiung haben Namen und Adressen, sie dürfen nicht vergessen werden

Übernommen von KPÖ:

Anlässlich des 80. Jahrestags der Befreiung Österreichs vom Faschismus veranstaltete die KPÖ Wien einen Festakt. Es wurde an die Widerstandskämpfer:innen gedacht und langjährige Parteimitglieder geehrt. Michael Graber – organisiert in KPÖ Favoriten, seit 58 Jahren Parteimitglied, jahrelanger Mitarbeiter im Globus Verlag, Bezirksrat in Favoriten, lange Jahre Mitglied des ZK und war zuletzt über Jahrzehnte Finanzreferent der KPÖ, jetzt im ZVPÖ aktiv – hielt zu diesem Anlass eine Rede zur Rolle der KPÖ in dieser Zeit.

Es gibt nicht mehr viele Genossen und Genossinnen, die das Jahr der Befreiung bewusst erlebt haben. Aber Dank unserer Historiker Hans Hautmann, Friedl Garscha, Manfred Mugrauer und Claudia Kuretsidis haben wir ein klares Bild von jenen Tagen, Wochen und Monaten im Frühjahr und Herbst 1945 als das Naziregime durch die Dritte Ukrainische Front der Rote Armee und die anderen Alliierten beseitigt, die Zweite Republik gegründet wurde, das private und öffentliche Leben neu beginnen konnte und welche Rolle die Kommunistische Partei dabei spielte.

Unsere Partei trat aus der zwölfjährigen Illegalität heraus und in die von Karl Renner geführte provisorische Regierung mit neun Regierungsmitgliedern ein. Darunter waren der langjährige Vorsitzende der KPÖ Johann Koplenig als faktischer Vizekanzler, der auch die Unabhängigkeitserklärung unterzeichnete, Franz Honner als Innenminister, Ernst Fischer als Staatssekretär für Volksaufklärung und Unterricht und Hella Postranecky als Unterstaatssekretärin für Volksernährung und erste Frau in einer Regierungsfunktion in Österreich und die angesichts der Lage die schwierigste Aufgabe zu bewältigen hatte. Kommunisten waren auch in fünf provisorischen Landesregierungen vertreten.

Tausende Kommunisten und Kommunistinnen kamen aus den Gefängnissen und Konzentrationslagern und aus dem Exil zurück, aber tausende konnten nicht mehr zurückkehren, weil sie von der Nazijustiz als Widerstandskämpfer und Kämpferinnen ermordet oder im Krieg gefallen waren.

Zahlreiche Kommunisten und Kommunistinnen begannen unmittelbar nach der Befreiung das öffentliche Leben wieder in Gang zu setzen und die Versorgung der Bevölkerung zu organisieren und für Sicherheit zu sorgen. Im Laufe des Jahres 1945 amtierten laut Manfred Mugrauer 167 kommunistische Bürgermeister, meist in der sowjetischen Besatzungszone.

Die KPÖ umfasste – ebenfalls laut Mugrauer – zum Zeitpunkt des Beginns ihrer legalen Tätigkeit etwa 25.000 Mitglieder, d.h. trotz der zahlreichen Opfer, die der Widerstandskampf forderte, ging die Partei wesentlich stärker aus der Illegalität hervor als zum Zeitpunkt ihres Verbots 1933 und auch stärker als nach dem Beitritt der 12.000 Schutzbündler und klassenbewussten Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen nach 1934. Die Mitgliederzahl wuchs noch in den Jahren danach auf bis zu 150.000 an.

Das programmatische Ziel der Partei bestand darin, durch die Entfernung der Nazis aus Wirtschaft, Verwaltung und Unterricht, durch Entmachtung des mit dem Faschismus verbundenen Großkapitals und der Kriegsgewinner und der konsequenten Bestrafung der Kriegsverbrecher eine antifaschistisch-demokratische Gesellschaft mit dem Fernziel des Sozialismus zu errichten. Das schien im Augenblick der Befreiung eine tatsächlich mögliche Perspektive, stellte sich allerdings sehr bald als unrealistisch heraus. Trotz der historischen Fortschritte durch die Niederlage des Faschismus reichten die inneren und die internationalen Kräfteverhältnisse dazu nicht aus, und auch die Anwesenheit der alliierten Truppen ließ eine solche gesellschaftspolitische Entwicklung nicht zu.

Die KPÖ stellte viele ihrer Zielvorstellungen hinter die Bewahrung der demokratischen Zusammenarbeit in der provisorischen Regierung– die allerdings nicht immer demokratisch war – zurück, nicht zuletzt, um der Gefahr einer Zerreißung des Landes vorzubeugen.

Die provisorische Regierung regierte zunächst nur in der sowjetischen Besatzungszone und wurde erst im Herbst 1945 von den westlichen Besatzungsmächten anerkannt. Deren und das der westlichen Bundesländer, die dann in die provisorische Regierung aufgenommen wurden, erstes Bestreben war, den kommunistischen Einfluss zurückzudrängen.

Dazu kam die Stimmung in einem Großteil der Bevölkerung, die von der antikommunistischen, antisowjetischen und antirussischen Greuelpropaganda der Nazis geprägt war und die die anderen Parteien von Anfang an befeuerten. 

So konnten sich die restaurativen Kräfte nicht zuletzt auch im Staatsapparat bald durchsetzen. Eine Ausnahme bildete die Exekutive in Wien, wo Angehörige der Freiheitsbataillone und bewährte Antifaschisten, oft ehemalige Spanienkämpfer durch Innenminister Honner in die Polizei, auch in führende Positionen aufgenommen wurden. Mugrauer nennt die Zahl von 1.500, von insgesamt 9.000 Beamten. In den ersten Betriebsratswahlen im Herbst 45 erzielte die KPÖ Betriebsratsmehrheiten in wichtigen Großbetrieben. Trotzdem befand sich die KPÖ in einer widersprüchlichen, schwierigen Lage, die sie nicht auflösen konnte.

Walter Baier fasst diesen Widerspruch vor und nach den für die KPÖ enttäuschenden Wahlen am 5. November 1945 in seiner soeben neu erschienen Geschichte der KPÖ (Die Rose von Jericho, Mandelbaumverlag) folgendermaßen zusammen: „Die Kommunist*innen erlebten dieses Wahlergebnis als bittere, unverdiente Zurückweisung. Misst man es an ihren Leistungen und Opfern trifft dies ohne Zweifel zu. Andererseits, was konnte man sich nach zwölf Jahren Diktatur und rechter Indoktrination erwarten? Immerhin hatte sich die Zahl der KPÖ-Stimmen im Vergleich zu den letzten Wahlen, an denen sie in der Ersten Republik teilnehmen konnte, auf das Neunfache gesteigert.

Das Wahlergebnis machte eine Tatsache sichtbar, derer sich die politischen Mitbewerber seit dem Frühsommer gezielt bedienten, die sich aber die KPÖ aus ideologischen Gründen nicht eingestand: Die Mehrheit der Österreicher*innen sahen in den sowjetischen Truppen keine Befreier, sondern Besatzer, die Übergriffe der Truppen, die Plünderungen und Vergewaltigungen sowie die – als Reparationen gerechtfertigten – Demontagen von Betrieben und Ausrüstungen provozierten in der Bevölkerung einen Russenhass, der an die Stereotypen anknüpfte, die den Nazikrieg im Osten begleitet hatten. Die KPÖ war im doppelten Sinn die ´angeschmierte`: Die Rückendeckung durch die Besatzungsmacht, die die anderen Parteien behaupteten erhielt sie nicht, oder nicht im angenommenen Ausmaß, das politische Stigma der `Russenpartei` hatte sie allerdings trotzdem zu tragen; und da sie nicht in der Lage war, sich von der Sowjetunion öffentlich und energisch zu distanzieren, erhöhte dies noch die Wirkung dieser Diffamierung.“ (S. 216)

Es half in dieser Situation auch die betont österreichisch-patriotische Ausrichtung nicht, die der Partei seinerzeit mit den Arbeiten Alfred Klahrs die programmatische und politische Basis des antifaschistischen Freiheitskampfes verschaffte.

Die KPÖ gründete im Rahmen ihrer parteiübergreifenden antifaschistisch- demokratischen Orientierung verschiedene Massenorganisationen der Jugend, der Frauen und im Sport. Diese scheiterten allerdings an ihrem umfassenden Anspruch, denn vor allem die Sozialdemokratische Partei (die damals „Sozialistische Partei und Revolutionäre Sozialisten“ hieß) bestand darauf, überall eigene Organisationen meist in Konfrontation zur KPÖ zu gründen, ja selbst für die Überlebenden der Konzentrationslager.

Auch die Gründung eines einheitlichen Österreichischen Gewerkschaftsbundes in den ersten Apriltagen unter Beteiligung des kommunistischen Gewerkschafters Gottfried Fiala wurde durch die Fraktionsbildung der Sozialdemokraten unterlaufen.

Am 5. August erschien die erste Ausgabe der „Österreichischen Volksstimme“ als Zentralorgan der KPÖ, Vorher gab es nur die Publikationen der Alliierten und das „Neue Österreich“, das von den drei Parteien herausgegeben wurde und dessen Chefredakteur Ernst Fischer war. Bis zur Herausgabe eigener Parteizeitungen gab es kaum einen politischen Raum, um die Vorstellungen und Vorschläge der KPÖ in der Bevölkerung zu kommunizieren, es gab keine parlamentarische Tribüne und in der Regierung herrschte Kabinettsdisziplin, der sich die Partei aus Staatsraison unterwarf.

In der Folge entstanden weitere Tageszeitungen der Partei in den Bundesländern und Wochenzeitungen.

Es ist auch daran zu erinnern, dass es Kommunisten und Kommunistinnen waren, die den paar tausend Juden und Jüdinnen, die das Wüten der Nazi überlebt hatten, durch die Wiedergründung der Kultusgemeinde eine Stimme gaben. Wie sich die österreichische Regierung gegenüber den österreichischen Juden verhielt, die sich durch Flucht ins Exil vor der Vernichtung retten konnten, ist hinlänglich bekannt.

Das Überleben war in den Nachkriegs-Monaten für viele Kommunisten und Kommunistinnen und deren Familien genauso schwierig wie für den Großteil der Bevölkerung. Die Lebensmittelzuteilungen sanken im Herbst vor allem in den Städten bis auf 800 Kalorien pro Tag und es gab eine extreme Wohnungsnot. Und es gab den Hungerwinter 1945/46.

Nach den Novemberwahlen bestand in der KPÖ die Hoffnung, wenn schon keine bestimmende so doch eine relevante Kraft des Wiederaufbaus zu sein und zu bleiben trat sie deswegen auch in die erste Regierung Figl, der von einem „revolutionären Österreich“ sprach, mit einem Mitglied – Karl Altmann, als Minister für Energie und Elektrizitätswirtschaft ein. Er blieb in der Regierung bis zur Währungsreform 1947.

Inzwischen hatte sich der antifaschistische Konsens der drei staatsgründenden Parteien der ersten Tage der Befreiung in den antikommunistischen Konsens der herrschenden Parteien ÖVP und SPÖ und vor dem beginnenden Aufzug des Kalten Krieges gewandelt. Die KPÖ wurde auch in der Regierung nicht an wesentlichen Entscheidungen beteiligt und wurde politisch und gesellschaftlich isoliert. Damit einher ging auch die Tabuisierung der Erinnerung an den antifaschistischen Befreiungskampf und die Rolle der Kommunisten und Kommunistinnen, über viele Jahrzehnte im öffentlichen Bewusstsein.

Hier liegt auch die Bedeutung unserer heutigen Feier nicht nur für die Öffentlichkeit, sondern auch in der Selbstvergewisserung, dass der antifaschistische Befreiungskampf in unserer Partei präsent ist und dass die besten und fortschrittlichsten Traditionen der Arbeiterbewegung bei uns bestens aufgehoben sind und dass wir dieses Erbe als verbindende Partei – wie das Günther Hopfgartner geprägt hat – mit den heutigen Herausforderungen verknüpfen und eben verbinden.

In diesem Sinne erinnern wir

  • an die Kommunisten und Kommunistinnen der Österreichischen Freiheitsbataillone in der Jugoslawischen Volksbefreiungsarmee,
  • an die Partisanengruppen auf der Saualpe, in der Obersteiermark und im Salzkammergut
  • an die Widerstandsgruppe des KJV 44 im Westen Wiens,
  • an die vielen Frauen des Widerstands, die meist die Versorgung und die Kommunikation organisierten und aufrechterhielten.
  • an den Befreiungskampf der slowenischen Bevölkerung in Kärnten, der der umfassendste Widerstand auf österreichischen Boden war,
  • an die 2000 Kommunisten und Kommunistinnen, die der grausamen Nazijustiz zum Opfer fielen,
  • wir erinnern an die Kommunisten, die in den alliierten Armeen gegen den Faschismus kämpften,

Und wir erinnern namentlich stellvertretend für die Widerstandskämpfer und Kämpferinnen, die überlebt haben, etwa an Grete Schütte-Lihotzky, Irma Schwager, Agnes Primosisc, Ossi Tonka, Anni Haider und Resi Pesendorfer, an den langjährigen KPÖ-Vorsitzenden Franz Muhri, an Sepp Filz, Max Muchitsch, Franz Leitner, Sepp Plieseis, Franz Kain, Walter Wachs, Heini Klein und die vielen anderen, auf die unsere Partei stolz ist, denn sie waren Heldinnen und Helden, die zu ihrer Lebenszeit in der Öffentlichkeit mit wenigen Ausnahmen kaum bedankt wurden. Aber jene Zeit brauchte Heldinnen und Helden. Der Widerstand und sein Beitrag zur Befreiung haben Namen und Adressen, sie dürfen nicht vergessen werden und darum feiern wir heute.

Impressionen zur Festveranstaltung:

Quelle: KPÖ