Vor 75 Jahren entstand das unabhängige Indien
Wir erinnern diesmal daran, dass die Befreiung von Faschismus und Krieg 1945 auch einen Aufschwung für die antikoloniale Bewegung insbesondere in Asien bedeutete. Das sichtbarste Zeichen dafür war die Unabhängigkeit des indischen Subkontinents von der britischen Kolonialherrschaft.
Wir vergessen nicht, dass auch indische Kolonialtruppen aktiv in den Reihen der Anti-Hitler-Koalition als Teil der britischen Streitkräfte gekämpft haben. Zunächst mit einer 200.000 Mann starken Freiwilligenarmee wurden letztlich über zwei Millionen Inder für die britischen Verbände rekrutiert. Gleichzeitig gab es seitens reaktionärer Clanstrukturen auch Versuche, im Bündnis mit dem faschistischen Deutschland und dem militaristischen Japan eine indische Freiwilligenarmee gegen die britische Kolonialmacht aufzustellen. Diese Zusammenarbeit ging bis zur Schaffung einer „Indischen Legion“, eines der deutschen Waffen-SS unterstellten Kampfverbandes.
Die Niederlage der faschistischen Staaten stärkte die Kräfte im indischen Nationalkongress, die unter Mohandas Karamchand Gandhi und Jawaharlal Nehru mit vielen Formen des gesellschaftlichen Widerstands (Salzmarsch) erfolgreich gegen die Kolonialherrschaft kämpften. Am 15. August 1947 wurde offiziell die Unabhängigkeit des Landes anerkannt. Gleichzeitig verfügte die britische Kolonialmacht die Teilung der ehemaligen Kolonie Britisch-Indien in zwei Staaten, die säkulare Indische Union sowie die kleinere Islamische Republik Pakistan. Die Teilung führte zu einer der größten Vertreibungs- und Fluchtbewegungen der Geschichte. Ungefähr 10 Millionen Hindus und Sikhs wurden aus Pakistan vertrieben, etwa 7 Millionen Muslime aus Indien. 750.000 bis eine Million Menschen kamen ums Leben. Da diese Teilung und der gesamte Prozess der Unabhängigkeitserklärung aus der Perspektive der Kolonialmacht erfolgte, blieben politische Konflikte, die sich aus der willkürlichen Zuordnung von Regionen zu Indien bzw. Pakistan entstanden, bis heute präsent, darunter der Kaschmir-Konflikt, der zu mehreren regionalen Kriegen auf dem indischen Subkontinent geführt hat. Zudem war die Entlassung Indiens in die Unabhängigkeit daran geknüpft, dass der neue Staat im November 1949 Mitglied im britisch dominierten Commonwealth wurde.
Anders als erwartet, schaffte es Indien unter Nehru, eine eigenständige Rolle in der Außenpolitik zu spielen. Vier Jahrzehnte lang war die indische Außenpolitik durch das Engagement in der Bewegung der Blockfreien Staaten geprägt. In diesem Zusammenhang war die Außenpolitik Indiens auch für die Friedensarbeit der FIR von Bedeutung. Die Leitlinien indischer Blockfreiheit bestanden darin, sich keinem Militärbündnis mit amerikanischer oder sowjetischer Beteiligung anzuschließen, die Außenpolitik aus indischer Perspektive zu betrachten und freundschaftliche Beziehungen zu allen Ländern zu betreiben. Indien bemühte sich bis zum Grenzkrieg mit China 1962 um eine Führungsrolle innerhalb der blockfreien Bewegung. Dies drückte sich beispielsweise in der Entsendung von Friedenstruppen in den Gazastreifen 1956 und in den Kongo 1961 aus, sowie in der Ablehnung der französisch-britischen Intervention in der Suezkrise.
Viele Jahrzehnte bestimmte die Kongresspartei unter Premierminister Nehru, später unter seiner Tochter Indira Gandhi die innenpolitische Entwicklung. Seit den 1980er Jahren verschärfen sich die sozialen Herausforderungen sowie religiöse und nationalistische Konflikte. Der Hindu-Nationalismus gewinnt zunehmend an Einfluss. Der politische Arm der Hindu-Nationalisten, die Bharatiya Janata Party (BJP), erreichte bei der Wahl 2014 einen erdrutschartigen Sieg und ihr Spitzenkandidat Narendra Modi wurde zum Ministerpräsidenten gewählt.
Der indische Historiker Benjamin Zachariah warnt davor, dass das Land unter Modi auf dem Weg zu einer autoritären, wenn nicht gar zu einer faschistischen Herrschaft ist. Unterdrückung sozialer Proteste, Einschränkungen der akademischen Freiheiten und nationalistische Mobilisierung sind deutliche Anzeichen dieser Entwicklung. Die FIR bringt mit Blick auf die langjährige verdienstvolle Rolle Indiens in der Welt ihre Sorge über diese Tendenz zum Ausdruck.