27. November 2024

Polen fordert die Anerkennung ukrainischer Kriegsverbrechen im II. Weltkrieg

Der stellvertretende Minister für Kultur und Nationales Erbe Polens, Jaroslaw Sellin, machte am Dienstag mit einem Statement auf sich aufmerksam. Er erklärte, dass der während des Zweiten Weltkriegs begangene Massenmord durch die Ukraine dem Konzept des Völkermords entspreche. Sellin forderte nichts weniger als eine Anerkennung des Genozids von der aktuellen ukrainischen Regierung:

„Sie müssen ihn anerkennen, weil er eine Tatsache ist. Es ist einfach eine Tatsache. Es wurde eine politische Entscheidung zur ethnischen Säuberung, zur Ausrottung der gesamten nationalen Minderheit, die dort seit Jahrhunderten lebt, getroffen und umgesetzt“, ließ Sellin verlauten.

Genozid per Definition

Polnischen Historikerinnen und Historikern zufolge, wurden zwischen 100.000 und 130.000 ethnische Polinnen und Polen von der Ukrainischen Aufständischen Armee (UPA) Stepan Banderas massakriert. Die polnische Regierung schätzt den Umstand als problematisch ein, dass Kiew die UPA verherrlicht, und gleichzeitig den Völkermord an der polnischen Bevölkerung ignoriert.

„Das ist Völkermord, er erfüllt alle Parameter der Definition von Völkermord, also gibt es hier keine Diskussion. Dies ist eine historische Tatsache. Früher oder später werden die Ukrainer dies anerkennen müssen“, so Sellin.

2016 verabschiedete das polnische Parlament eine Resolution, in der der 11. Juli als Gedenktag für den Völkermord festgelegt wurde, in Anspielung auf das Datum, an dem die UPA 150 polnische Städte in Wolhynien und Ostgalizien angriff. Die ukrainische Regierung wiederum bezeichnete die Resolution als kontraproduktiv.

Arbeitsgruppe zur Aufklärung von Kriegsverbrechen

Von polnischer Seite kam nun der Vorschlag für eine gemeinsame Arbeitsgruppe. Diese sollte sich der Suche nach Massengräbern und der Durchführung von Exhumierungen zur ordnungsgemäßen Bestattung und zum Gedenken an die Toten widmen. Die Liste der Mitglieder der gemeinsamen Arbeitsgruppe stünde bereit und sei bereits an das Kulturministerium in Kiew geschickt worden. Man müsse eine gemeinsame Wahrheit finden.

„Wir warten auf einen Personalvorschlag von ukrainischer Seite“, sagte Sellin diesbezüglich.

Er fuhr fort, dass die Ukrainerinnen und Ukrainer „früher oder später zu dem Punkt gelangen werden, den Teil der Traditionen dieser militärischen Formation und der hinter ihr stehenden nationalistischen politischen Bewegungen als inakzeptabel und verurteilenswert“ anzusehen.

Selektive Wahrnehmung

Abgesehen vom zu Recht erhobenen Vorwurf der polnischen Seite, die ukrainischen Kriegsverbrechen nie auch nur in irgendeiner Weise offiziell anerkannt zu haben, muss ebenso konstatiert werden, dass Polen selbst ein großes Problem der Aufarbeitung faschistischer Verbrechen aufweist. 2018 wurde in Polen ein Gesetz verabschiedet, wonach bis zu drei Jahre Gefängnis drohen, wenn man dem Land Mitverantwortung für Verbrechen des deutschen Faschismus zuschreibt. Im Umgang mit oppositionellen und fortschrittlichen Parteien sind sich die beiden Länder ja recht ähnlich. Auch in Polen wird die Kommunistische Partei Polens (KPP) verfolgt, kriminalisiert und gegen Journalistinnen und Journalisten prozessiert.

Die angestrebte Wahrheitsfindung Polens läuft auf den Drang nach einem absoluten Opferstatus hinaus, der ihm lange mehr oder weniger zugesprochen wurde. Gerne wird die der Wahrheit besonders abträgliche Mär des Totalitarismus mit der Aufteilung Polens gesponnen. Gerne wird vergessen, dass vor dem Zweiten Weltkrieg noch der Diktator Józef Piłsudski Polen regierte und über seine Grenzen hinaus brandschatzte und mordete. Im Versuch der Zerschlagung der jungen Sowjetunion waren sich die Räuber ja einig: Piłsudski in Polen wie Petljura in der Ukraine.

Im Rampenlicht der Weltöffentlichkeit steht nun aber die Ukraine, die seit dem Majdanputsch zum Unschuldslamm stilisiert wird. Und dieser Opferstatus ist umkämpft, jeder möchte das Martyrium vergangener Zeiten für sich nutzen, um sein Image aufzupolieren und die politischen Skandale der letzten Jahre vergessenzumachen. Die historische Wahrheit liegt jedoch weit verdeckt hinter den Klasseninteressen der Bourgeoisie, begraben unter dem Schutt der Propaganda und der für den Moment opportunen und griffbereiten Opferzählungen, die man nach dem Rampenlichtmoment wieder vergisst und auch nicht historisch korrekt einzuordnen weiß, genausowenig wie die eigentlichen Täter. Die Aufarbeitung faschistischer Verbrechen steht in beiden Ländern noch an.

Quellen: teleSUR / FAZ

 

Quelle: Zeitung der Arbeit

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